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E-Book

Der Sieg des Islams

Vollständige Ausgabe

AutorEdward Gibbon
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl552 Seiten
ISBN9783849646707
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Edward Gibbons gehört nach wie vor zu den bedeutendsten Historikern England. Sein erstmals 1837 erschienenes Werk über die Entstehung und Geschichte des Islams gehört heute - mehr denn je - zu den Standardwerken, die man gelesen haben muss, um den Islam zu verstehen. Unvoreingenommen und sachlich stellt Gibbon vieles plastisch dar, was sonst im Verborgenen schlummert.

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Leseprobe

Zweites Kapitel - Die Spaltung der orientalischen Sekten


 

Theologische Geschichte der Lehre von der Menschwerdung. – Die menschliche und göttliche Natur Christi. – Feindschaft der Patriarchen von Konstantinopel und Alexandria. – Der heilige Cyrill und Nestorius. – Die dritte allgemeine Kirchenversammlung von Ephesus. – Ketzerei des Eutyches. – Die vierte allgemeine Kirchenversammlung von Chalcedon. – Bürgerliche und kirchliche Zwietracht. – Unduldsamkeit Justinians. – Die drei Kapitel. – Der monotheletische Streit. – Zustand der orientalischen Sekten. – I. Die Nestorianer. – II. Die Jakobiten. – III. Die Maroniten. – IV. Die Armenier. – V. Die Kopten und Abessinier

 

Nach dem Erlöschen des Heidentumes hätten die Christen in Frieden und Frömmigkeit ihren Triumph genießen können. Aber Zwietracht war zwischen ihnen, und sie strebten mit mehr Ernst danach, die Natur ihres Stifters zu ergründen als seine Gebote zu befolgen. Ich habe bereits bemerkt, daß den Streitigkeiten über die Dreieinigkeit jene der Menschwerdung folgten, gleiches Ärgernis in der Kirche erregend, gleich unheilvoll für den Staat, in ihrem Ursprunge noch geringfügiger, aber viel dauerhafter in ihren Folgen. Es ist meine Absicht, in diesem Kapitel einen Religionskampf von zweihundertfünfzig Jahren zusammen zu drängen, die kirchliche und politische Spaltung der orientalischen Sekten darzustellen und ihre lärmenden oder blutigen Kämpfe durch eine kurze Untersuchung der Lehren der Urkirchen einzuleiten.

 

I. Lobenswerte Rücksicht auf die Ehre der ersten Proselyten hat die Meinung, die Hoffnung und den Wunsch erregt, daß die Ebioniten oder wenigstens die Nazarener sich nur durch ihr hartnäckiges Beharren auf der Ausübung der mosaischen Gebräuche unterschieden haben könnten. Ihre Kirchen sind verschwunden, ihre Bücher vertilgt, ihre zweifelhafte Freiheit könnte eine Erweiterung des Glaubens gestatten, die Weichheit ihres noch jungen Bekenntnisses durch den Religionseifer und die Weisheit von drei Jahrhunderten verschiedenfaltig umgeformt worden sein. Aber auch der mildeste Kritiker muß diesen Sektierern jede Kenntnis von der reinen und eigentlichen Göttlichkeit Christi absprechen. In der Schule jüdischer Prophezeiungen und Vorurteile erzogen, waren sie nie unterwiesen worden, ihre Hoffnungen über einen menschlichen und zeitlichen Messias hinaus zu erheben. Wenn sie gleich den Mut hatten, ihren König zu begrüßen, als er im geringen Gewande erschien, waren sie mit ihrem gröberen Begriffe doch nicht imstande, den Gott zu erkennen, der seine himmlischen Eigenschaften geflissentlich unter dem Namen und der Gestalt eines Sterblichen verborgen hatte. Die vertrauten Gefährten Jesus von Nazareth gingen mit ihm als mit ihrem Freunde und Landsmann um, der in allen vernünftigen und menschlichen Verrichtungen ganz desselben Geschlechtes zu sein schien wie sie selbst. Während seines Reifens von der Kindheit zur Jugend und zum Mannesalter nahm er regelmäßig an Wuchs und Weisheit zu und er verschied nach schmerzlichem Kampfe der Seele und des Leibes am Kreuze. Er lebte und starb zum Wohle des Menschengeschlechtes. Aber auch Leben und Tod des Sokrates waren der Sache der Religion und der Gerechtigkeit gewidmet gewesen, und obschon der Stoiker oder Held die demütigen Tugenden Jesu vielleicht verachtet hätte, müssen doch die Tränen, die er über seinen Freund und sein Vaterland vergoß, als der reinste Beweis seiner Menschlichkeit gelten. Die Wunder des Evangeliums konnten ein Volk nicht in Erstaunen versetzen, das unerschrocken die glänzenderen Wundererscheinungen des mosaischen Glaubens geschaut hatte. Die Propheten der alten Tage hatten Krankheiten geheilt, Tote erweckt, das Meer geteilt, der Sonne Stillstand geboten und sich in einem feurigen Wagen zum Himmel erhoben. In dem metaphorischen Stil der Hebräer konnte sehr wohl einem Heiligen und Märtyrer der Titel des Sohnes Gottes beigelegt werden.

 

Indessen läßt sich in dem unzulänglichen Glaubensbekenntnisse der Nazarener und Ebioniten ein geringer Unterschied zwischen den Ketzern nachweisen, welche die Zeugung Christi mit der gewöhnlichen Ordnung in der Natur verwechseln und den Schismatikern, welche die Jungfräulichkeit seiner Mutter verehrten und die Beihilfe eines irdischen Vaters ausschlossen. Der Unglaube der ersteren stützte sich auf die sichtbaren Umstände seiner Geburt, die gesetzmäßige Ehe seiner vermeintlichen Eltern Joseph und Maria und seinen angestammten Anspruch auf das Königreich Davids und das Erbe Judas. Aber die geheime und authentische Geschichte war in verschiedenen Abschriften des Evangeliums des heiligen Matthäus aufgezeichnet, die diese Sektierer lange in der hebräischen Ursprache als den einzigen Beweis ihres Glaubens bewahrten. Der natürliche Argwohn des sich seiner eigenen Enthaltsamkeit bewußten Gatten wurde durch die Zusicherung (in einem Traume) zerstreut, daß seine Gattin vom heiligen Geiste beschattet worden wäre, und da dieses seltene häusliche Wunder nicht in den Bereich der persönlichen Beobachtung des Geschichtschreibers fallen konnte, so muß er derselben Stimme Gehör geliehen haben, die dem Isaias die künftige Empfängnis einer Jungfrau anzeigte. Der Sohn einer Jungfrau, erzeugt durch die unbegreifliche Wirksamkeit des heiligen Geistes, war ein Geschöpf ohne Beispiel und in jeder Eigenschaft des Geistes und Körpers den Kindern Adams überlegen. Seit der Einführung der griechischen oder chaldäischen Philosophie glaubten die Juden an das Dasein, die Wanderung und die Unsterblichkeit der Seelen, und die Vorsehung wurde durch die Annahme gerechtfertigt, daß sie in ihrem irdischen Kerker eingeschlossen wären, um die Sünden zu büßen, die sie in einem früheren Zustande begangen hatten. Aber die Grade der Reinheit und Verderbtheit waren fast unendlich. Es ließ sich in gutem Glauben annehmen, daß der erhabenste und tugendhafteste aller menschlichen Geister dem Sproß der Maria und des heiligen Geistes eingehaucht wurde, daß seine Erniedrigung das Ergebnis freier Wahl und der Gegenstand seiner Sendung die Sühnung nicht seiner, sondern der Sünde der Welt war. Nach seiner Rückkehr in den Himmel, seine Heimat, empfing er den unermeßlichen Lohn seines Gehorsams: das ewige Königreich des Messias, das von den Propheten als Frieden, Sieg und Herrschaft dunkel geweissagt worden war. Die Allmacht konnte die menschlichen Fähigkeiten Christi bis zum Umfange seines himmlischen Amtes erweitern. In den Sprachen des Altertums wurde das Wort Gott nicht streng auf den ersten Schöpfer beschränkt, und sein vollkommener Diener und eingeborener Sohn konnte ohne Anmaßung die religiöse wenn auch untergeordnete Verehrung einer unterworfenen Welt in Anspruch nehmen.

 

II. Der Same des Glaubens, der auf dem steinigen und undankbaren Boden Judäas langsam aufgegangen war, wurde in voller Reife nach den glücklicheren Ländern der Heiden verpflanzt, und die römischen oder asiatischen Fremdlinge, die Christus nie als Menschen gesehen, waren um so geneigter, an seine Göttlichkeit zu glauben. Der Polytheist und Philosoph, der Grieche, der Barbar waren gleich gewohnt, sich eine lange Reihe, eine unendliche Kette dem Throne des Lichtes entsprossener Engel, Dämonen, Götter, Aeonen, Emanationen zu denken. Ihnen schien es weder befremdlich noch unglaubhaft, daß der erste dieser Aeonen, der Logos oder das Wort Gottes, mit dem Vater von einerlei Wesenheit, auf die Erde herabgestiegen wäre, um das menschliche Geschlecht von Lastern und Irrtümern zu erlösen und auf die Pfade des Lebens und der Unsterblichkeit zu führen. Aber die vorherrschende Lehre von der Ewigkeit und Verderbtheit der Materie steckte die Urkirchen des Ostens an. Viele bekehrte Heiden weigerten sich zu glauben, daß sein himmlischer Geist, ein unabgetrennter Teil des Urwesens persönlich mit einer Masse unreinen und befleckten Fleisches vereinigt worden wäre, und in ihrem Eifer für die Göttlichkeit Christi schworen sie frommer Weise dessen Menschlichkeit ab. Während sein Blut fast noch auf dem Kalvarienberge rauchte, erfanden die Doketen, eine zahlreiche und gelehrte Sekte Asiens, jenes phantastische System, das nachher von den Marcioniten, Manichäern und den übrigen Unterabteilungen der gnostischen Ketzerei übernommen wurde. Sie leugneten die Wahrheit und Echtheit der Evangelien insofern sie auf die Empfängnis der Maria, die Geburt Christi und die dreißig Jahre, die der Ausübung seines Lehramtes vorangingen, bezug hatten. Ihnen zufolge erschien er zum ersten Male an den Ufern des Jordan in vollkommener Mannesgestalt; aber es war nur ein Bild, keine Wesenheit, eine menschliche Gestalt von der Hand der Allmacht geschaffen, um die Eigenschaften und Handlungen eines Menschen nachzuahmen und seine Freunde und Feinde in eine beständige Täuschung zu verstricken. Artikulierte Töne schlugen an die Ohren seiner Jünger, aber das Bild, das sich ihren Sehnerven einprägte, hielt der entscheidenden Probe der Berührung nicht stand, und sie erfreuten sich der geistigen, nicht der körperlichen Gegenwart des Sohnes Gottes. Die eitle Wut der Juden tobte gegen ein unempfindliches Phantom, und die mystischen Szenen des Leidens und Todes, der Auferstehung und Himmelfahrt Christi wurden im Theater von Jerusalem zum besten der Menschheit aufgeführt. Wenn man entgegnet, daß eine solche phantastische Nachäffung, eine so beständige Täuschung des wahrhaften Gottes unwürdig wäre, stimmten die Doketen mit nur zu vielen ihrer rechtgläubigen Brüder in der Rechtfertigung frommen Betruges überein. Nach dem System der Gnostiker war der Jehova Israels der...

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