Es gibt mittlerweile so viele unterschiedliche Kameras und Objektive, dass es nicht leichtfällt, die Übersicht zu behalten und die richtige Wahl zu treffen, besonders als Einsteiger. Bei meinen Coachings erlebe ich immer wieder, dass es gerade die Kamera ist, die das Fotografieren umständlicher macht als nötig. Deshalb stelle ich dir in diesem Kapitel die Ausrüstung vor, die sich meiner Erfahrung nach am besten für die Makrofotografie eignet.
Eines vorweg: Die perfekte Kamera, die alles kann, gibt es nicht. Jedes Modell hat seine Vor- und Nachteile. Grundsätzlich kann man mittlerweile selbst mit Smartphones beeindruckende Makrofotos schießen. Für den Einstieg in die Makrofotografie empfehle ich jedoch ganz klar die zwei folgenden Kameratypen:
• eine spiegellose Systemkamera, zum Beispiel von Sony, Panasonic (Lumix), Olympus (OM-D-Reihe) oder Canon (EOS M5).
• eine SLT-Kamera (mit einem teildurchlässigen Spiegel) von Sony
Nun fragst du dich vielleicht, ob ich nicht die Spiegelreflexkameras (DSLR) vergessen haben? Nein, habe ich nicht. Auch wenn es viele noch nicht wahrhaben möchten: Spiegelreflexkameras sind weitestgehend Geschichte. Sie sind schwer, klobig und träge. Die Kameras ohne oder mit einem teildurchlässigen Spiegel sind sehr kompakt und wiegen viel weniger als vergleichbare DSLR-Kameras. Das ist besonders für uns „Makronisten“ ein großer Vorteil, denn bei der Makrofotografie möchte man möglichst flexibel sein, um die meist sehr flinken Motive wie Insekten oder Spinnen ablichten zu können. Schweres Equipment stört hier nur.
Kamera mit Makroobjektiv und aufgeklemmter Nahlinse
Weitere Vorteile sind die Funktion des Focus Peaking und eine deutlich bessere Bildstabilisierungstechnik. Das Zusammenspiel dieser Faktoren macht das Freihand-Fotografieren auch mit großen Abbildungsmaßstäben zu einer simplen Sache.
FOCUS PEAKING
Dieses Feature ist ungeheuer wichtig, denn es hilft uns, exakt zu fokussieren, und das ist gerade bei der Makrofotografie und der damit verbundenen geringen Schärfentiefe von großem Nutzen: Beim Focus Peaking musst du nicht selbst abschätzen, wo die Schärfe nun genau liegt, sondern sie lässt sich mit Hilfe der Punkte einfach und exakt an die gewünschte Stelle des Motivs (zum Beispiel auf die Augen des Insekts) legen.
Die Focus Peaking-Funktion auf meinem Kameradisplay: Die hier weißen (man kann die Farbe anpassen) Punkte zeigen dir exakt an, auf welche Stelle des Motivs du gerade fokussierst.
ABBILDUNGSMASSSTAB
Der Abbildungsmaßstab (ABM) ist das Verhältnis eines Motivs auf dem Sensor der Kamera zur Größe des Originalmotivs selbst. Ein ABM von 1 : 1 sagt aus, dass das Motiv und seine Abbildung auf dem Sensor gleich groß sind. Ein ABM von 2 : 1 sagt aus, dass die Abbildung doppelt so groß ist wie das Motiv.
Auch wenn es mittlerweile sehr kompakte Vollformatkameras gibt, haben die Kameras, die ich zum Einstieg in die Makrofotografie empfehle, einen kleineren Sensor, zum Beispiel APS-C (Sony und Canon) oder Micro Four Thirds (Panasonic und Olympus). Zum einen sind diese Kameras und auch die zugehörigen Objektive deutlich preisgünstiger und zum anderen hat man den Vorteil des Crop-Faktors (engl. to crop = beschneiden). Das heißt, man braucht weniger Hilfsmittel, um Makrofotos mit hohem Abbildungsmaßstab zu machen, als wenn man eine Kamera mit Vollformatsensor verwendet.
CROP-FAKTOR
Der APS-C-Sensor (15,6 mm × 23,5 mm) ist etwa 1,5-mal kleiner als ein Vollformatsensor (24 mm × 36 mm). Der Micro Four Thirds (17,3 mm × 13 mm) ist sogar nur etwa halb so groß. Durch die kleineren Sensoren erhält man nur einen Ausschnitt des Fotos einer Vollformatkamera. Du bist also „näher“ am Motiv dran, es wirkt vergrößert. Eine Verkleinerung des Bildformates entspricht einer Ausschnittvergrößerung.
Sensorgrößen im Vergleich
Blüte, mit einer Vollformatkamera fotografiert
Gleiche Blüte, mit einer Kamera mit APS-C-Sensor fotografiert
FLEXIBLES DISPLAY
Achte darauf, dass deine Kamera ein möglichst flexibles Display hat. Das ermöglicht es dir, auch in Bodennähe oder über Kopf bequem zu fotografieren, und eröffnet dir völlig neue Perspektiven. Die Zeiten, in denen man alles über den Sucher gemacht hat, sind ebenfalls vorbei (ich glaube, ich habe meinen Sucher erst ein- oder zweimal benutzt). Die Displays sind mittlerweile so gut, dass man sie selbst bei prallem Sonnenlicht nutzen kann: Stell die Helligkeit im Menü auf das Maximum.
Verschiedene Makroobjektive in der Übersicht
Für die Makrofotografie brauchst du nicht zwingend ein teures Makroobjektiv. Gerade für Einsteiger empfiehlt es sich, die ersten Erfahrungen in der Makrowelt mit dem Kit-Objektiv zu machen. In Kombination mit einer Nahlinse (siehe nächstes Kapitel „Hilfsmittel“) sind nämlich ebenfalls beeindruckende Makrofotos möglich. Wenn du dann merkst, die Makrofotografie ist dein Ding, führt jedoch schlussendlich kein Weg an einem vernünftigen Makroobjektiv vorbei.
Wie bei den Kameras ist der Markt für diese Objektive nicht gerade übersichtlich, und nicht überall, wo „Makro“ draufsteht, ist auch „Makro“ drin. Viele Hersteller schmücken ihre Objektive mit diesem Begriff, obwohl die Linse gar keinen Abbildungsmaßstab von 1 : 1 liefert. Achte also beim Kauf auf die genauen Angaben!
Für den Einstieg rate ich dir, ein 90-mm- oder ein 105-mm-Makroobjektiv anzuschaffen. Falls du eine Kamera mit Micro Four Thirds Sensor hast (Olympus, Panasonic), nimm das 60-mm-Objektiv. Die Makroobjektive mit diesen Brennweiten gelten als „Allrounder“ – damit lassen sich fast alle Motive ablichten.
Es gibt auch Makroobjektive mit längeren Brennweiten, zum Beispiel 150 mm oder 180 mm. Ihr Vorteil ist, dass du einen größeren Abstand zu deinem Motiv lassen kannst. Du kannst also beispielsweise einen Schmetterling bei gleichem Abbildungsmaßstab von weiter weg fotografieren als mit einem 90-mm-Objektiv. Das ist besonders bei scheuen Tieren äußerst nützlich. Allerdings sind diese Objektive im Handling schwieriger (man verwackelt leichter), teurer und vor allem deutlich schwerer.
Die meisten der heutigen Makroobjektive haben einen integrierten Bildstabilisator und einen leisen und schnellen Autofokus. Bis auf die Canon sind die von mir empfohlenen Kameras schon mit einem Bildstabilisator ausgestattet, daher brauchst du diese Funktion beim Objektiv nicht unbedingt. Und auf den Autofokus solltest du bei der Makrofotografie sowieso verzichten. Du kannst dir also auch ohne Bedenken ein altes gebrauchtes Makroobjektiv zulegen – die haben zwar die „tolle“ Technik nicht, sind aber viel kompakter und leichter als die neuen Nachfolgemodelle.
Mein altes 90 mm Makroobjektiv wiegt etwa 400 g, das neue Modell über 600 g, und das bei nahezu identischer optischer Qualität und halbem Preis. Übrigens ist es ziemlich egal, welchen Objektivhersteller du wählst, ob Sigma, Tamron, Canon, Nikon, Sony oder Olympus: Sie alle bewegen sich, was die Qualität angeht, auf ähnlichem Niveau.
Das Angebot an Fotozubehör ist groß. Aber was davon brauchst du in der Makrofotografie wirklich? Weniger, als du denkst. Hier ein paar Tipps zu Stativen, Nahlinsen, Blitzgeräten und dem richtigen Fotorucksack.
Früher war ein Stativ bei der Makrofotografie nicht wegzudenken, heute kann man es dank der modernen Kameras mit Bildstabilisierung getrost im Keller lassen. Wenn du also nicht gerade in den frühen Morgenstunden Insekten in Kältestarre fotografieren möchtest, kannst du auf ein Stativ verzichten. Ich selbst fotografiere nun seit knapp fünf Jahren und habe mein Stativ insgesamt nur wenige Male auf Makrotour mitgeschleppt. Man ist einfach viel flexibler ohne. Nur (sehr) wenige Motive warten geduldig, bis das Stativ aufgebaut, ausgerichtet und die Kamera darauf montiert ist, die meisten sind schon vorher längst über alle Berge. Besser ist es, wenn du deinen Körper als Stativersatz nimmst. Mit etwas Geschick kannst du die Kamera gut mit den Händen, Ellenbogen, Füßen, Knien oder womit auch immer gut abstützen und dadurch stabilisieren.
Die Raynox DCR-250 Nahlinse an einem Makroobjektiv
Mit den heute gängigen Makroobjektiven erreicht man einen Abbildungsmaßstab von 1 : 1. Das reicht für viele Motive aus. Möchtest du jedoch noch näher an das Objekt herankommen, sind zusätzliche Hilfsmittel unerlässlich. Die simpelste und kompakteste Lösung ist die Verwendung von sogenannten Nah- oder Vorsatzlinsen.
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