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Der Streit um die europäische Bioethik-Konvention

Zur kirchlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung um eine menschenwürdige Biomedizin. Diss. - Edition Ethik, Band 4

AutorLars Klinnert
VerlagEdition Ruprecht
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl652 Seiten
ISBN9783846900291
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis99,00 EUR

Die so genannte Bioethik-Konvention des Europarates hat es sich zum Ziel gesetzt, international gültige Rechtsnormen für einen verantwortlichen Umgang mit der modernen Biomedizin festzulegen. In der deutschen Öffentlichkeit hat seit 1994 eine heftige Auseinandersetzung über die umstrittenen Regelungen dieses völkerrechtlichen Übereinkommens stattgefunden. Dieses Buch dokumentiert zum ersten Mal umfassend die zahlreichen Diskussionsbeiträge aus Kirche und Gesellschaft und analysiert, anhand welcher ethischen Kriterien sie zu ihren divergierenden Beurteilungen gelangen. Im Zentrum steht dabei die Suche nach einer plausiblen Interpretation des Begriffs von Menschenwürde angesichts des faktischen Pluralismus ethischer Überzeugungen.

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Leseprobe

4 Analyse der kirchlichen und gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland (S. 182-183)


Im Folgenden soll nun eine systematische und vergleichende Auswertung der vorgestellten Stellungnahmen erfolgen. Hierbei geht es um eine ethische Situationsanalyse, welche die unterschiedlichen in der kirchlichen und gesellschaftlichen Diskussion vorhandenen normativen Perspektiven in ihren Gemeinsamkeiten und Besonderheiten herausarbeitet, um so die eigene Urteilsbildung an der tatsächlichen Konfliktkonstellation auszurichten. Sollen nämlich sozialethisch reflektierte Lösungsvorschläge zur Überwindung oder doch zumindest zur besseren Bewältigung festgefahrener Kontroversen beitragen, erscheint es zunächst erforderlich, die verschiedenen Leitperspektiven der ethischen Urteilsbildung herauszupräparieren, durch welche konfligierende Positionierungen überhaupt verursacht sind.


4.0 Methodologische Vorbemerkung

Es kann und soll hier weder eine soziologische Diskursanalyse noch eine linguistische Textanalyse vorgenommen werden; vielmehr geht es darum, anhand von Texten mit (allein schon von ihrem Charakter als Stellungnahmen zu einem ethischen Konfliktfeld her) normativem Gehalt die in der gesellschaftlichen Debatte (implizit oder explizit) vorhandenen ethischen Deutungsmuster zu identifizieren. Das spezifische hermeneutische Interesse gilt also dem Entdecken und Verstehen der Wertungen, Normen, Prinzipien, Menschenbilder und Wirklichkeitsannahmen, die in der Auseinandersetzung um die Bioethik-Konvention zur Geltung kommen. Dabei ist einzuräumen, dass die Wahrnehmung, Darstellung und Interpretation der gesellschaftlichen Diskussion als ganzer wie auch der Stellungnahmen im Einzelnen unter einem begrenzten theoretischen Blickwinkel und mit einer bestimmten pragmatischen Intention erfolgt. Sie werden hier betrachtet in Hinsicht auf ihren(offenkundigen oder unterschwelligen) Beitrag zur moralischen Evaluation und zur ethischen Reflexion der rechtlichen und politischen Regulierung bioethischer Konfliktfelder.

Die an die Texte zu stellenden Leitfragen könnten also in etwa lauten:

• Welche aus einer ethischen Reflexion auf verschiedene politische Handlungsoptionen resultierenden Haltungen gegenüber der Bioethik-Konvention nehmen die verschiedenen Stellungnahmen ein, d. h. zu welchen Wertungen gelangen sie?

• Mit Bezug auf welche als richtig oder falsch erkannten ethischen Implikationen der Bioethik-Konvention begründen die verschiedenen Stellungnahmen ihre jeweiligen Wertungen, d. h. mit welchen Argumenten operieren sie?

• Von welchen moralischen Überzeugungen und ethischen Theorien lassen sich die verschiedenen Stellungnahmen in ihrer jeweiligen Urteilsfindung leiten, d. h. an welchen Kriterien orientieren sie sich?

• Welche anthropologischen, fundamentalethischen und metaphysischen Hintergrundannahmen kommen in den verschiedenen Stellungnahmen zum Tragen, d. h. durch was für ein Wirklichkeitsverständnis sind sie geprägt?

• Wie interpretieren die verschiedenen Stellungnahmen die außermoralischen (z. B. medizinischen, soziologischen oder politischen) Rahmenbedingungen, d. h. auf welcher Situationsbeschreibung basieren sie?

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort16
1 Einführung18
2 Entstehung, Aufbau und Rezeption der Bioethik- Konvention25
2.1 Die Entstehungsgeschichte der Bioethik-Konvention25
2.2 Gliederung und Inhalt der Bioethik-Konvention34
2.2.1 Prinzipien und Ziele34
2.2.2 Spezifische Regelungen36
2.2.3 Rechtliche Verfahrensbestimmungen40
2.2.4 Zusatzprotokolle43
2.3 Politische Auswirkungen der Bioethik-Konvention49
2.3.1 Die parlamentarische Debatte in Deutschland49
2.3.2 Politische Reaktionen auf der Ebene der Europäischen Union54
2.3.3 Politische Reaktionen auf der Ebene der Vereinten Nationen56
3 Dokumentation und Einordnung der wichtigsten Diskussionsbeiträge seit 199459
3.0 Methodologische Vorbemerkung60
3.1 Radikale Ablehnung der Bioethik-Konvention als Gesamtprojekt64
3.1.1 Stellungnahmen aus dem Bereich der evangelischen Kirche64
3.1.2 Stellungnahmen aus dem Bereich der katholischen Kirche80
3.1.3 Stellungnahmen aus dem freikirchlichen Bereich82
3.1.4 Stellungnahmen aus Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbänden sowie Behinderten- und Patientenorganisationen84
3.1.5 Philosophische und sozialwissenschaftliche Analysen98
3.1.6 Stellungnahmen aus dem parlamentarischen, ministeriellen und parteipolitischen Bereich102
3.1.7 Redaktionelle Beiträge aus der überregionalen Tages- und Wochenpresse108
3.2 Strikte Ablehnung der Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung110
3.2.1 Stellungnahmen aus dem Bereich der evangelischen Kirche110
3.2.2 Stellungnahmen aus dem Bereich der katholischen Kirche120
3.2.3 Stellungnahmen aus Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbänden sowie Behinderten- und Patientenorganisationen123
3.2.4 Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Berufsverbänden127
3.2.5 Stellungnahmen aus dem parlamentarischen, ministeriellen und parteipolitischen Bereich128
3.3 Gemäßigte Ablehnung der Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung133
3.3.1 Stellungnahmen aus dem Bereich der evangelischen Kirche134
3.3.2 Stellungnahmen aus Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbänden sowie Behinderten- und Patientenorganisationen138
3.3.3 Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Berufsverbänden139
3.4 Abwägung von Vor- und Nachteilen der Bioethik- Konvention140
3.4.1 Stellungnahmen aus dem Bereich der evangelischen Kirche140
3.4.2 Stellungnahmen aus dem Bereich der katholischen Kirche149
3.4.3 Philosophische und sozialwissenschaftliche Analysen152
3.4.4 Stellungnahmen aus dem parlamentarischen, ministeriellen und parteipolitischen Bereich154
3.4.5 Redaktionelle Beiträge aus der überregionalen Tages- und Wochenpresse155
3.5 Zustimmung zur Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung156
3.5.1 Stellungnahmen aus dem Bereich der evangelischen Kirche157
3.5.2 Stellungnahmen aus dem Bereich der katholischen Kirche158
3.5.3 Stellungnahmen aus Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbänden sowie Behinderten- und Patientenorganisationen162
3.5.4 Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Berufsverbänden163
3.5.5 Philosophische und sozialwissenschaftliche Analysen164
3.5.6 Stellungnahmen aus dem parlamentarischen, ministeriellen und parteipolitischen Bereich168
3.5.7 Redaktionelle Beiträge aus der überregionalen Tages- und Wochenpresse174
3.6 Bedenken gegenüber der Bioethik-Konvention aufgrund zu weitreichenden Schutzes176
3.6.1 Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Berufsverbänden176
3.6.2 Philosophische und sozialwissenschaftliche Analysen178
4 Analyse der kirchlichen und gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland183
4.0 Methodologische Vorbemerkung183
4.1 Muster der Argumentation185
4.1.1 Radikale Ablehnung der Bioethik-Konvention als Gesamtprojekt186
4.1.2 Strikte Ablehnung der Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung197
4.1.3 Gemäßigte Ablehnung der Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung200
4.1.4 Abwägung von Vor- und Nachteilen der Bioethik-Konvention201
4.1.5 Zustimmung zur Bioethik-Konvention in ihrer vorliegenden Fassung205
4.1.6 Bedenken gegenüber der Bioethik-Konvention aufgrund zu weitreichenden Schutzes209
4.2 Ebenen der Urteilsbildung211
4.2.1 Die Funktion: Ethische Deklaration oder rechtliche Vereinbarung?212
4.2.2 Das Fundament: Die Würde des Menschen oder die Interessen der Gesellschaft?215
4.2.3 Die Ausführung: Schutz der Menschenwürde oder Preisgabe der Menschenwürde?224
4.2.4 Die Folge: Normenanhebung oder Normenabsenkung?228
4.2.5 Die Reaktion: Widerstand oder Mitgestaltung?232
4.3 Konturen der Auseinandersetzung234
4.4 Aufgaben der Klärung240
5 Analyse der umstrittenen biomedizinischen Regelungsbereiche242
5.1 Der Schutz menschlicher Embryonen in vitro242
5.1.1 Verwendung und Herstellung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken243
5.1.2 Herstellung und Nutzung embryonaler Stammzellen246
5.1.3 Präimplantationsdiagnostik (PID)248
5.2 Medizinische Maßnahmen an einwilligungsunfähigen Personen249
5.2.1 Therapeutische Maßnahmen an einwilligungsunfähigen Personen251
5.2.2 Probandennützige und fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen252
5.2.3 Fremdnützige Entnahmen von regenerierbarem Gewebe bei einwilligungsunfähigen Personen261
5.3 Diagnostische und therapeutische Eingriffe in das menschliche Genom262
5.3.1 Gendiagnostik263
5.3.2 Gentherapie269
5.4 Klonen275
5.4.1 Reproduktives Klonen278
5.4.2 Therapeutisches Klonen280
6 Theologisch-ethische Urteilskriterien283
6.1 Das Legitimationsproblem (Zur Beurteilung universaler rechtlicher Vereinbarungen aus der Perspektive partikularer ethischer Überzeugungen)283
6.1.1 Was ist Bioethik?283
6.1.2 Theologische Bioethik in der pluralistischen Gesellschaft292
6.1.2.1.1 Hugo Tristram Engelhardt: Kommunitäre Werte und säkulare Minimalmoral im beziehungslosen Nebeneinander293
6.1.2.1.2 John Rawls: Politische Konzeptionen für die pluralistische Gesellschaft als overlapping consensus vernünftiger umfassender Lehren299
6.1.2.2.1 Christliche Verantwortung in der Gesellschaft – Impulse aus der protestantischen Tradition310
6.1.2.2.2 Transpartikularisierung lebensdienlicher Orientierungen aus christlicher Identität315
6.1.3 Die Bioethik-Konvention im Spannungsfeld von Recht und Moral320
6.1.4 Der Kompromisscharakter rechtlicher Normenbildung in der pluralistischen Gesellschaft325
6.1.5 Ein Stufenmodell unterschiedlicher Anwendungsreichweiten bioethischer Urteilsbildung328
6.1.6 Grundlagen einer adäquaten Beurteilung der Bioethik-Konvention als Rechtsdokument aus der Perspektive evangelisch-theologischer Sozialethik335
6.2 Das Begründungsproblem (Zur Rekonstruktion einer gesamtgesellschaftlich plausiblen Menschenwürdekonzeption aus einer partikularen – hier: evangelisch-theologischen – Perspektive)338
6.2.1 Annäherungen an Inhalt und Umfang des Menschenwürdebegriffs339
6.2.2 Der Mensch in seiner Personalität als Gegenstand unbedingter Achtung345
6.2.2.1.1 Das aktualistisch-subjektivistische Personkonzept347
6.2.2.1.2 Das naturalistisch-substanzialistische Personkonzept358
6.2.2.1.3 Das Konzept der Heiligkeit des Lebens365
6.2.2.1.4 Das askriptiv-relationale Personkonzept371
6.2.2.3.1 Menschenwürde und Gottebenbildlichkeit380
6.2.2.3.2 Menschenwürde und Rechtfertigung383
6.2.2.3.3 Menschenwürde und Nächstenliebe384
6.2.3 Verwirklichungsbedingungen menschenwürdigen Lebens395
6.3 Das Anwendungsproblem (Zur Vermittlung des unbedingten Anspruchs der Menschenwürde mit den Bedingungen seiner Verwirklichung)413
6.3.1 Das Verhältnis von Menschenwürde und Menschenrechten414
6.3.2 Die doppelte rechtliche Funktion der Menschenwürde416
6.3.3 Realisierungen des Menschenwürdigen im Konflikt419
6.3.4 Gattungswürde als Rahmenbedingung der individuellen Menschenwürde422
6.3.5 Menschenwürde als Gestaltungsauftrag425
6.3.6 Ethik der Menschenwürde und Ethik der Güterabwägung – unvereinbar oder komplementär?427
6.3.7 Die gesellschaftliche Sicherung des Menschenwürdigen als Voraussetzung der individuellen Gestaltung gelingenden Lebens431
6.3.8 Die rechtliche Regulierung biomedizinischer Forschung und Anwendung im Horizont der Menschenwürde432
7 Beurteilung der umstrittenen biomedizinischen Regelungsbereiche433
7.1 Der Schutz menschlicher Embryonen in vitro433
7.1.1 Verwendung und Herstellung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken441
7.1.2 Herstellung und Nutzung embryonaler Stammzellen444
7.1.3 Präimplantationsdiagnostik (PID)445
7.2 Medizinische Maßnahmen an einwilligungsunfähigen Personen448
7.2.1 Therapeutische Maßnahmen an einwilligungsunfähigen Personen450
7.2.2 Probandennützige und fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen452
7.2.3 Fremdnützige Entnahmen von regenerierbarem Gewebe bei einwilligungsunfähigen Personen464
7.3 Diagnostische und therapeutische Eingriffe in das menschliche Genom465
7.3.1 Gendiagnostik468
7.3.2 Gentherapie479
7.4 Klonen491
7.4.1 Reproduktives Klonen492
7.4.2 Therapeutisches Klonen495
8 Ethische, gesellschaftliche und rechtliche Implikationen der Bioethik-Konvention499
8.1 Die Vereinbarkeit der Bioethik-Konvention mit der Achtung der Menschenwürde499
8.1.1 Der Charakter der Bioethik-Konvention als internationales Rechtsdokument500
8.1.2 Die Achtung der Menschenwürde als Fundament der Bioethik-Konvention503
8.1.3 Der Schutz der Menschenwürde als Ziel der Bioethik-Konvention508
8.2 Mögliche Konsequenzen für den Umgang mit Krankheit und Behinderung510
8.3 Die praktischen Auswirkungen der Bioethik-Konvention auf die deutsche Rechtslage und auf das europäische Rechtsbewusstsein516
8.3.1 Die Bioethik-Konvention im Vergleich mit dem deutschen Recht516
8.3.1.1.1 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen deutschen Beitritt517
8.3.1.1.2 Rechtspolitische Bedenken gegen einen deutschen Beitritt519
8.3.1.1.3 Unbedenklichkeit eines deutschen Beitritts523
8.3.2 Die Bioethik-Konvention als Grundlage eines wachsenden europäischen Rechtsbewusstseins530
9 Beurteilung der kirchlichen und gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland534
10 Abschluss549
11 Anhang551
11.1 Abkürzungsverzeichnis551
11.2 Literaturverzeichnis552
11.3 Alphabetisches Verzeichnis der dokumentierten Stellungnahmen623
11.4 Sach- und Personenregister626
11.5 Wichtige Quellen641
11.5.1 Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997 (deutsche Arbeitsübersetzung des Bundesministeriums der Ju641
11.5.2 Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen vom 12. Januar 1998 (deutsche Arbeitsübersetzung de651

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