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Der tropische Regenwald

Die Ökobiologie des artenreichsten Naturraums der Erde

AutorJosef H. Reichholf
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783104008967
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Eine biologische Reise durch das grüne Paradies Der Tropische Regenwald ist der artenreichste Naturraum der Erde, ein einzigartiges Ökosystem, das entscheidend zum gesamten Erdklima beiträgt. Der renommierte Biologe und Bestsellerautor Josef H. Reichholf nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch dieses Paradies. Neben einer Fülle von faszinierenden Details vermittelt er genaue Einblicke in die ökologischen Zusammenhänge. Und erst wer diese versteht, kann begreifen, wie folgenschwer die Störung dieses sehr empfindlichen Gleichgewichts ist.

Josef H. Reichholf ist Evolutionsbiologe, Naturforscher und Bestsellerautor. Bis 2010 war er Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München und lehrte an beiden Münchner Universitäten. Zahlreiche Bücher, Fachpublikationen und Fernsehauftritte machten ihn einem breiten Publikum bekannt. 2007 wurde Josef H. Reichholf mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet, nach dem Cicero-Ranking 2009 gehört er zu den 40 wichtigsten Naturwissenschaftlern Deutschlands. Bei S. Fischer erschien von ihm: ?Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends?, ?Warum die Menschen sesshaft wurden?, ?Einhorn Phönix Drache. Woher unsere Fabelwesen kommen? und ?Mein Leben für die Natur. Auf den Spuren von Evolution und Ökologie?.Literaturpreise:Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa 2007

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Leseprobe

1 Rahmenbedingungen


Das Klima setzt den Rahmen: In der Tropenzone zwischen den Wendekreisen können sich Tropische Regenwälder entwickeln, wenn die jährliche Niederschlagsmenge wenigstens 2000 Millimeter erreicht und keine Trockenzeit von mehreren Monaten auftritt. Unter solchen klimatischen Bedingungen übersteigt die Regenmenge die Verdunstungsrate. Es stellen sich dauerfeuchte Verhältnisse ein. Die Lufttemperatur bleibt wegen des hohen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft erheblich unter den Werten der Hitzegebiete der trockenen Tropen. Selten übersteigt sie 33 °C; zumeist bewegt sie sich zwischen 22 oder 23 °C in der Nacht und 28 bis 30 °C am Mittag, wenn die Sonne den Höchststand erreicht. Die Luftfeuchtigkeit fällt selten unter 95 Prozent und überschreitet häufig den Taupunkt, also 100 Prozent. Feuchte Schwüle kennzeichnet das Klima der feuchten Tropen. Das ist die Umwelt des Tropischen Regenwaldes; eine Umwelt, die, wie zu zeigen sein wird, ursächlich mit seiner Struktur zusammenhängt.

Tropische Regenwälder erreichen ihre größten Ausdehnungen in den Niederungsgebieten der äquatorialen Kontinente. In Amazonien, im Kongobecken, auf den großen, zum asiatischen Festlandssockel gehörenden Inseln Borneo und Sumatra sowie in den Niederungen Südostasiens liegen die größten zusammenhängenden Tropenwaldgebiete. An den Berghängen ziehen sie sich bis in Höhen von 1000 oder 1200 Metern hoch. Schon ab etwa 600 Metern Meereshöhe beginnt sich der Regenwald zu verändern. Er geht allmählich, zumeist nahezu unmerklich in einen Bergregenwald über, den ein kühleres, noch feuchteres Klima kennzeichnet. In diesen Höhen schließen sich Feuchtwälder mit krüppelwüchsigen Bäumen und außerordentlich reicher Entwicklung von Moosen und Farnen an. An manchen tropischen Hochgebirgen bilden sie eine eigene Höhenstufe. Sie wird als »Elfenwald«, auch im fachlichen Sprachgebrauch, charakterisiert, weil Kleines zu groß geraten und Großes klein geworden erscheint. Heidekrautgewächse bilden übermannshohe Gewächse, Moosbärte hängen meterlang von den Ästen, und der Besucher versinkt wadentief im schwammigen, von Pflanzenpolstern gebildeten Untergrund.

Baumfarne. Sie wachsen vorwiegend in den sehr feuchten Berg- und Schluchtwäldern der inneren Tropenzone. Im Tropischen Regenwald des Tieflandes können sie sich nicht gegen die Konkurrenz der »modernen« Bäume behaupten. Die Baumfarne gehören zu den stammesgeschichtlich sehr alten Baumformen, die ihre Blütezeit im frühen Erdmittelalter hatten. Sie gelten daher als »lebende Fossilien« unter den Bäumen des Tropischen Regenwaldes.

Die Höhenzonen sind gewöhnlich deutlicher abgegrenzt als die verschiedenen Typen von Regenwäldern, die sich im Tiefland ausbilden. Auf Böden ohne Staunässe wächst Hochwald, der eindrucksvolle Wuchshöhen erreichen kann. Das Kronendach befindet sich in 30 bis 40 Metern Höhe, überragt von »Urwaldriesen«, die bis zu 70 Meter erreichen können. Sie sind aber keineswegs die größten Bäume. Die Mammutbäume im westlichen Nordamerika und manche Eukalyptus-Arten werden viel höher und mächtiger. 120, ja 150 Meter Höhe sind von den Größten von ihnen erreicht worden.

In flachen Senken, aus denen die Wassermassen der Niederschläge nicht schnell genug ablaufen können, bilden sich Sumpfwälder. Oft sind sie durch fast artreine Bestände bestimmter Palmenarten gekennzeichnet. Ein anderer, weit verbreiteter und wichtiger Waldtyp findet sich entlang der Flüsse im Überschwemmungsbereich. (Wie die chemische Zusammensetzung der Böden Einfluss nimmt auf die Zusammensetzung und die Wüchsigkeit der Regenwälder, darauf wird noch ausführlicher eingegangen.) Schließlich gehen die Tropischen Regenwälder an flachen Küsten in den Mangrovendschungel über, in dem Ebbe und Flut das Geschehen bestimmen.

Die Niederschlagsmengen setzen den klimatischen Rahmen – und nicht die geographische Begrenzung der Tropenzone an den Wendekreisen! Wo die jährliche Niederschlagsmenge unter 2000 Millimeter absinkt, können sich in der Regel im Tropengürtel keine dauerfeuchten Regenwälder halten, weil die von der hochstehenden Sonne verursachte Verdunstung dann über längere Zeit den Nachschub an Feuchtigkeit übersteigt. Dauert dies drei oder mehr Monate lang, entstehen Saison-Regenwälder. Am weitesten verbreitet und am markantesten ausgebildet sind sie im südasiatischen Monsunklima zu finden. Solche Wälder werfen ihr Laub ab, wenn die Trockenzeiten regelmäßig auftreten und mehr als drei Monate dauern. Während und kurz nach der Regenzeit können sie wie richtige Tropische Regenwälder aussehen, aber bald macht sich die aufkommende Trockenzeit bemerkbar.

Umgekehrt liegt der Fall, wenn unter bestimmten geographischen Voraussetzungen, wie beispielsweise in Südostbrasilien und Ostparaguay, im randtropischen und subtropischen Bereich Wälder zu finden sind, die große Niederschläge in weitgehend ausgeglichenen Mengen übers Jahr erhalten. Sie ähneln dann dem Tropischen Regenwald recht stark, sind aber sinkenden Temperaturen gegenüber relativ unempfindlich. Die Grenzwerte von 20 °C werden in diesen außertropischen Wäldern im Winterhalbjahr häufig unterschritten, wenn Kaltluft aus dem Süden bis über den Wendekreis äquatorwärts vordringt. Auch wenn damit noch kein Frost verbunden ist, bedeutet der starke Temperaturabfall dennoch eine erhebliche Einschränkung der Lebensmöglichkeiten für tropische Arten. Sind innerhalb der Tropen die Niederschlagsmengen die entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Tropischem Regenwald, so ist die Vegetation außerhalb der Tropen von den großen Schwankungen der Temperatur bestimmt.

Nicht nur nach unten zu wirkt die Temperatur begrenzend; auch die große Hitze der Rand- und Subtropen während des Sonnenhöchststandes schränkt die Waldentwicklung ein. Die Regenwälder gehen in Saisonwälder mit Trockenzeiten über, in denen sich die Bäume auf die Hitze einstellen, und bei weiterem Abfall der Niederschlagsmengen und steigender Sommerhitze bilden sich Savannen. In diesen kann sich der Baumwuchs nur entlang von Flussläufen einigermaßen entfalten, da dort beständig gute Wasserversorgung gewährleistet ist. Der Wald greift dann die Flüsse aufwärts wie mit dünnen Fingern in die Savannenlandschaft.

Im Bereich der Wendekreise wird die Sommerhitze jedoch durch absinkende Luftmassen aus den inneren Tropen so verstärkt, dass sich auch die Savannenvegetation nicht mehr halten kann. Die anhaltenden Hochdruckwetterlagen mit ungebremster, durch keine hohe Luftfeuchtigkeit abgeschirmter Einstrahlung verschiebt das Verhältnis von Niederschlag und Verdunstung so sehr zugunsten der Verdunstung, dass sich Halbwüsten oder Wüsten ausbilden. Die Evapotranspiration, also der Wasserverlust durch Verdunstung, und die Möglichkeiten, Ersatz dafür aus dem Grundwasser oder aus den Niederschlägen zu entnehmen, wird zur zentralen Größe für das Pflanzenwachstum. Immer mehr Arten fallen aus, je ungünstiger die Verhältnisse werden. Das Klima ist weltweit in der Tropenzone verhältnismäßig einheitlich und maßgeblich bestimmt vom Austausch der Luftmassen zwischen Äquator und Wendekreisen.

Im äquatorialen Bereich verursacht die starke Einstrahlung der senkrecht stehenden Sonne die Erwärmung der feuchten Luftmassen. Sie steigen auf, kühlen sich dabei ab und geben die übermäßige Feuchtigkeit in Form von heftigen Niederschlägen ab. Die abgekühlte Luft fließt in der Höhe beiderseits des jeweiligen Sonnenhöchststandes in Richtung Wendekreise, wo sie in großem Umfang absinkt. Hatten die aufsteigenden Luftmassen das äquatoriale Tiefdrucksystem erzeugt, so verursachen die zurückfließenden nun beim Absinken die beständigen Hochdruckgebiete im Bereich der Wendekreise. So entstanden die Wüstengürtel der Erde. Im bodennahen Bereich der Wendekreise werden die Luftmassen nun vom Windsystem der Passate erfasst, die schräg zum Sonnenhöchststand hinwehen und damit die aufsteigenden Luftmassen wieder ersetzen. Wenn sie über den Ozean strömen, beladen sie sich mit Feuchtigkeit und bringen Regen in die Tropenzone der Kontinente.

Wie zwei gewaltige Walzenringe rollen auf diese Weise, im Jahreslauf mit dem Sonnenstand pendelnd, die Luftmassen im bodennahen Bereich zu den inneren Tropen, wo sie aufsteigen, sich abregnen und abkühlen, um daraufhin im oberen Walzenteil in Richtung auf die Wendekreise transportiert zu werden, wo sie absinken und wieder in das Passatsystem einbezogen werden. Da sich die Erde gleichsam unter ihrer Lufthülle wegdreht, strömen die Luftmassen nicht direkt senkrecht äquatorwärts, sondern schräg westwärts.

Dieses globale, Meer und Land miteinander verbindende Austauschsystem der tropischen Luftmassen ist für die Tropischen Regenwälder von größter Bedeutung. Es macht einen eminent wichtigen Zusammenhang zwischen Afrika und Südamerika sichtbar. Denn dieses System der Umwälzung von Luftmassen kann in der geschilderten Weise nur dort funktionieren, wo die Landmassenverteilung beiderseits des Äquators einigermaßen ausgeglichen ist. Dies trifft zu für Südamerika, für Afrika und für die südostasiatische Inselwelt mit den angrenzenden Kontinentalblöcken von Asien und Australien (Nordostteil), nicht aber für das tropische Südasien. Dort fehlt ein Gegenstück im Indischen Ozean.

Das hat zur Folge, dass die asiatischen Tropen im kontinentalen Bereich nicht durch das Passatsystem,...

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