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Der Ursprung des Christentums

Alle 4 Bände: Eine historische Untersuchung: Die Persönlichkeit Jesu + Die Gesellschaft der römischen Kaiserzeit + Das Judentum + Die Anfänge des Christentums + Der Kampf um das Jesusbild...

AutorKarl Kautsky
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9788026841548
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Der Ursprung des Christentums' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Karl Kautsky (1854-1938) war ein deutsch-tschechischer Philosoph und sozialdemokratischer Politiker. Kautskys Studienfächer Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaftslehre waren bereits im Hinblick auf seine politischen Interessen hin ausgewählt worden. Unter anderem deshalb gelang es ihm bereits während seiner Studienzeit, unter dem Psydonym 'Symmachos' verfassten Artikeln zu einem der einflussreichsten Journalisten der sozialdemokratischen Presse zu werden. 1881 lernte er bei einer Reise nach London Karl Marx und Friedrich Engels kennen. 1883 gründete er die Zeitschrift Die Neue Zeit, deren Herausgeber und leitender Redakteur er bis 1917 blieb. Er schrieb politische und historische Studien und wurde zu einer Autorität auf dem Gebiet der Marx'schen Theorie. Inhalt: Die Persönlichkeit Jesu Die heidnischen Quellen Die christlichen Quellen Der Kampf um das Jesusbild Die Gesellschaft der römischen Kaiserzeit Die Sklavenwirtschaft Das Staatswesen Denken und Empfinden der römischen Kaiserzeit Das Judentum Israel Das Judentum seit dem Exil Die Anfänge des Christentums Die urchristliche Gemeinde Die christliche Messiasidee Judenchristen und Heidenchristen Die Passionsgeschichte Christi Die Entwicklung der Gemeindeorganisation Christentum und Sozialdemokratie

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Leseprobe

1. Die heidnischen Quellen



Wie immer man sich zum Christentum stellen mag, auf jeden Fall muß man es als eine der gigantischsten Erscheinungen der uns bekannten Menschheitsgeschichte anerkennen. Man kann sich nicht eines Gefühls hoher Bewunderung erwehren, wenn man die christliche Kirche betrachtet, die fast zwei Jahrtausende alt ist und noch immer voll Lebenskraft vor uns dasteht, in manchen Ländern stärker als die Staatsgewalt. So wird alles, was dazu beiträgt, diese kolossale Erscheinung zu begreifen, also auch das Studium des Ursprungs dieser Organisation, trotzdem es uns um Jahrtausende zurückführt, zu einer höchst aktuellen Angelegenheit mit großer praktischer Bedeutung.

Das sichert den Untersuchungen der Anfänge des Christentums ein weit größeres Interesse als jeder anderen historischen Untersuchung, die über die letzten zwei Jahrhunderte zurückgeht, das macht aber auch die Erforschung dieser Anfänge noch schwieriger, als sie ohnehin wäre.

Die christliche Kirche ist zu einer Herrschaftsorganisation geworden, die entweder den Bedürfnissen ihrer eigenen Machthaber dient oder denen anderer, staatlicher Machthaber, die sich ihrer zu bemächtigen verstanden haben. Wer diese Machthaber bekämpft, muß auch die Kirche bekämpfen. So hat sich der Kampf um die Kirche wie der gegen die Kirche zu einer Parteisache gestaltet, mit der die wichtigsten ökonomischen Interessen verknüpft sind. Das ist nur zu sehr geeignet, die Unbefangenheit der historischen Forschung über die Kirche zu trüben, es hat auch lange genug dazu geführt, daß die herrschenden Klassen die Erforschung der Anfänge des Christentums überhaupt verboten, daß sie der Kirche einen göttlichen Charakter beilegten, der überhalb und außerhalb jeder menschlichen Kritik zu stehen hatte.

Der bürgerlichen Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts gelang es endlich, diesen göttlichen Nimbus gründlich zu zerstören. Damit erst wurde eine wissenschaftliche Erforschung der Entstehung des Christentums möglich. Aber merkwürdigerweise hielt sich auch im neunzehnten Jahrhundert die weltliche Wissenschaft von diesem Gebiet fern, tat so, als gehöre es noch immer ausschließlich in das Gebiet der Theologie und gehe sie nichts an. Eine ganze Reihe von Geschichtswerken, verfaßt von den bedeutendsten bürgerlichen Geschichtschreibern des neunzehnten Jahrhunderts, die von der römischen Kaiserzeit handeln, huschen vorsichtig an der wichtigsten Erscheinung dieser Zeit vorbei, der Entstehung des Christentums. So handelt zum Beispiel Mommsen im fünften Bande seiner römischen Geschichte sehr ausführlich von der jüdischen Geschichte unter den Cäsaren, er kann nicht umhin, nebenbei gelegentlich auch des Christentums zu gedenken, aber es tritt bei ihm unvermittelt als fertige Tatsache auf, die als bekannt vorausgesetzt wird. Es waren bisher im wesentlichen nur die Theologen und ihre Widersacher, die freidenkerischen Propagandisten, die sich für die Anfänge des Christentums interessierten.

Indes brauchte es nicht notwendigerweise Feigheit zu sein, was die bürgerliche Geschichtschreibung, soweit sie eben mit Geschichtschreibung und nicht auch Kampfliteratur sein wollte, davon abhielt, sich mit dem Ursprung des Christentums zu befassen. Schon der trostlose Zustand der Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis dieses Gebiets zu schöpfen haben, mußte sie davon abschrecken.

Die herkömmliche Auffassung sieht im Christentum die Schöpfung eines einzelnen Mannes, Jesu Christi. Und diese Auffassung ist bis heute nicht überwunden. Wohl gilt Jesus, wenigstens in den Kreisen der „Aufgeklärten“ und „Gebildeten", nicht mehr als Gott, aber immerhin als eine außerordentliche Persönlichkeit, die auftrat mit der Absicht, eine neue Religion zu stiften, und dies mit dem bekannten ungeheuren Erfolg auch bewirkte. Dieser Auffassung huldigen aufgeklärte Theologen, nicht minder aber radikale Freidenker, und diese letzteren unterscheiden sich von den Theologen nur durch die Kritik, die sie au der Person Christi üben, der sie alles Erhabene möglichst zu nehmen suchen.

Indessen hat schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts der englische Geschichtschreiber Gibbon in seiner Geschichte des Verfalls und Untergangs des römischen Weltreichs (verfaßt 1774 bis 1788) mit feiner Ironie darauf hingewiesen, wie auffallend es ist, daß keiner seiner Zeitgenossen etwas von Jesus berichtet, der angeblich so Erstaunliches geleistet hat.

„Wie sollen wir jene träge Aufmerksamkeit der heidnischen und philosophischen Welt für jene Zeugnisse erklären,“ schreibt er, „die von der Hand der Allmacht nicht ihrer Vernunft, sondern ihren Sinnen geboten wurden? Im Zeitalter Christi, seiner Apostel und ihrer ersten Jünger wurde die Lehre, welche sie predigten, durch zahllose Wunder bekräftigt. Die Lahmen gingen, die Blinden sahen, die Kranken wurden geheilt, die Toten auferweckt, Dämonen ausgetrieben und die Gesetze der Natur oft zum Wohle der Kirche unterbrochen. Aber die Weisen Griechenlands und Roms wendeten sich von dem ehrfurchtgebietenden Schauspiel ab und schienen, indem sie die gewöhnlichen Beschäftigungen des Lebens und der Studien verfolgten, aller Änderungen in der moralischen und physischen Regierung der Welt unbewußt zu sein.“

Nach der christlichen Überlieferung wurde beim Tode Jesu die ganze Erde oder mindestens ganz Palästina in dreistündige Finsternis versetzt. Das trug sich bei Lebzeiten des älteren Plinius zu, der in seiner Naturgeschichte ein eigenes Kapitel über Finsternisse hat; aber von dieser erwähnt er nichts. (Gibbon, 15. Kapitel)

Wenn wir aber auch von den Wundern absehen, ist es schwer zu verstehen, daß eine Persönlichkeit, wie der Jesus der Evangelien, der nach deren Berichten eine solche Aufregung in den Gemütern erweckte, wirken und schließlich als Märtyrer seiner Sache sterben konnte, ohne daß die heidnischen und jüdischen Zeitgenossen auch nur ein Wort über ihn verloren.

Die erste Erwähnung Jesu durch einen Nichtchristen finden wir in den Jüdischen Altertümern des Josephus Flavius. Das Kapitel des 18. Buches handelt vom Prokurator Pontius Pilatus, und da heißt es unter anderem:

„Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn einen Mann nennen darf, denn er vollbrachte Wunder und war ein Lehrer der Menschen, die freudig die Wahrheit annahmen, und fand einen großen Anhang bei Juden und Hellenen. Dieser war der Christus. Obwohl ihn dann Pilatus auf die Anklage der Vornehmsten unseres Volkes mit dem Kreuze bestrafte, blieben ihm doch jene treu, die ihn zuerst geliebt. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder, zu neuem Leben auferstanden, wie die Propheten Gottes dieses und tausende anderer wunderbarer enge von ihm geweissagt hatten. Nach ihm werden die Christen genannt, deren Sekte (φῦλον) seitdem nicht aufgehört hat.“

Nochmal spricht dann Josephus von Christus im 20. Buche, 9. Kapitel, 1, wo es heißt, der Hohepriester Ananus habe unter dem Landpfleger Albinus (zur Zeit Neros) bewirkt, daß „Jakobus, der Bruder Jesu, des sogenannten Christus (τοὺ λεγομένου χριστοὺ), samt einigen anderen vor Gericht gebracht, als Übertreter des Gesetzes angeklagt und der Steinigung überliefert wurde“.

Diese Zeugnisse sind von den Christen stets sehr hoch gehalten worden. Sind es doch die Zeugnisse eines Nichtchristen, eines Juden und Pharisäers, der im Jahre 37 nach Beginn unserer Zeitrechnung geboren wurde und in Jerusalem lebte, also sehr wohl authentische Nachrichten über Jesus besitzen konnte. Und sein Zeugnis wäre um so mehr beachtenswert, da er als Jude ja keinen Grund hatte, zugunsten der Christen zu schwindeln.

Aber gerade die übermäßige Hochhebung Christi durch den frommen Juden machte die eine Stelle in seinem Werke frühzeitig verdächtig. Schon im sechzehnten Jahrhundert wurde ihre Echtheit angefochten, und heute steht es fest, daß sie gefälscht ist und gar nicht von Josephus herrührt. Im Laufe des dritten Jahrhunderts hat sie ein christlicher Abschreiber eingefügt, der offenbar Anstoß daran nahm, daß Josephus, der den unbedeutendsten Klatsch aus Palästina erzählt, von der Person Jesu gar nichts mitteilt. Der fromme Christ hatte das richtige Gefühl, daß das Fehlen jeglicher Erwähnung gegen die Existenz oder wenigstens die Bedeutung der Person seines Heilands spräche. So ist die Aufdeckung seiner Fälschung zu einem Zeugnis gegen Jesus geworden.

Aber auch die Stelle über Jakobus ist sehr zweifelhafter Natur. Es ist richtig, daß schon Origenes, der von 185 bis 254 n. Chr. lebte, in seiner Erläuterung zu Matthäus ein Zeugnis des Josephus über Jakobus erwähnt. Er bemerkt dabei, es sei sonderbar, daß Josephus trotzdem an Jesum nicht als Christus geglaubt habe. Auch in der Streitschrift gegen Celsus zitiert er diese Äußerung des Josephus über Jakobus und konstatiert dabei ebenfalls den Unglauben des Josephus. Diese Sätze des Origenes bilden einen der Beweise dafür, daß im ursprünglichen Josephus die so auffallende Stelle über Jesus nicht gestanden haben kann, in der er diesen als den Christus, den Messias, anerkannte. Gleichzeitig stellt sich aber heraus, daß jene Stelle über Jakobus, die Origenes im Josephus fand, auch eine christliche Fälschung war. Denn diese von Origenes zitierte Stelle lautet ganz anders als die in den uns erhaltenen Handschriften des Josephus befindliche. Es wurde darin die Zerstörung Jerusalems als Strafe für die Hinrichtung des Jakobus bezeichnet. Diese Fälschung ist in die anderen Josephushandschriften nicht übergegangen, uns also nicht erhalten geblieben. Die in unseren...

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