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Der Weg zu einem christlich-jüdischen Dialog

Grundlagen und Perspektiven - Eine Problemskizze

AutorHermann Tobias Aigner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl91 Seiten
ISBN9783640313716
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Theologie - Systematische Theologie, Note: 2,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Katholisch-theologische Fakultät Abteilung für Dogmatik), Sprache: Deutsch, Abstract: In seinem Grußwort in der Kölner Synagoge im Rahmen des Weltjugendtages in Köln hat Papst Benedikt XVI. folgendes festgestellt: 'Wir müssen uns noch viel mehr und besser gegenseitig kennenlernen. Deshalb möchte ich ausdrücklich ermutigen zu einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen.' Die Aufforderung des Papstes zu einem 'Dialog zwischen Juden und Christen' birgt in sich einige grundsätzliche Fragen und Probleme. Wie sehen die Bedingungen für einen Dialog zwischen Juden und Christen aus? Welche Schritte sind bereits getan, und was steht noch aus? Wo liegen die spezifischen Probleme dieses Dialoges? Um diesen Fragen nachzugehen werden folgende Schritte unternommen: Als erstes werden die Bedingungen und Grundlagen eines Dialoges zwischen Juden und Christen skizziert. Die bisherigen Beziehungen zwischen Christen und Juden werden beleuchtet. Insbesondere die Schoa und das Konzilsdokument 'Nostra Aetate', das als 'Magna Charta des Verhältnisses zwischen Kirche und Judentum' gilt, werden vorgestellt. Es folgen wichtige lehramtliche Markierungen. Zweitens wird im Rahmen der dogmatischen Erkenntnis- und Prinzipienlehre die Frage nach der Bedeutung des Judentums als theologischem Ort in Anlehnung an die Locilehre von Cano bearbeitet. Der moderne Neuentwurf von Peter Hünermann wird vorgestellt. Die erkenntnistheologische Studie von Paul Petzel wird als Grundlage verwendet um die bei Hünermann offen gebliebenen Fragen nach der Bedeutung des Judentums an den klassischen theologischen Orten zu beantworten. Drittens wird das jüdische Dokument Dabru Emet und seine Wirkung kritisch auf Anknüpfungspunkte für einen Dialog aus christlicher Perspektive untersucht. Es werden verschiedene Positionen des Judentums beleuchtet. Hier stellt sich dann die Frage nach dem Judentum in seiner ganzen Andersheit und Pluralität. Viertens werden die Fragen, die sich aus der Trinitätslehre, besonders der Christologie, im Bezug auf den Monotheismus Israels ergeben, erörtert. Verschiedene christologische Modelle werden auf ihre Zugangsmöglichkeiten für die jüdische Seite hin untersucht und bleibende Differenzen aufgezeigt. Die verschiedenen Dimensionen von Erfahrungen mit dem offenbarten Wort Gottes, der Alterität der sich daraus ergebenden Traditionen und die Bedeutung dieser Glaubenserfahrungen für den christlich-jüdischen Dialog werden an fünfter Stelle benannt.

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Leseprobe

2. Die Loci Theologici

 

Als erstes wird die Lehre von den Loci Theologici Canos vorgestellt. In der Weiterführung werden die Veränderungen an Canos Locilehre nach dem Vaticanum II beschrieben. Besonderes Augenmerk verdient dabei die erkenntnistheoretische Einordnung des Judentums. Die Bedeutung des Jüdischen für das Christentum wird an einem Durchgang durch verschiedene Loci sowohl Proprii als auch Alieni herausgearbeitet. Die in Nostra Aetate postulierte Verwurzelung des Christentums im Judentum und die untrennbare Verwobenheit des christlichen mit dem Jüdischen, wird anhand der zuvor erhobenen Ergebnisse auf ihre Faktizität hin überprüft. Die daraus resultierenden Folgen für das Verhältnis und einen möglichen Dialog zwischen Juden und Christen werden skizziert.

 

Diese Untersuchung basiert auf den Arbeiten von Peter Hünermann[70] und Paul Petzel[71].

 

2.1 Die Loci Theologici nach Cano: eine kurze Hinführung

 

Mit seinem 1563 posthum erschienenen Werk „De locis theologicis libri duodecim“ begründet Melchior Cano die neuzeitliche Erkenntnislehre[72] der Theologie. Die Theologie wird durch neue hermeneutische und methodologische Kriterien erneuert.[73] Nach Paul Petzel spricht Cano „von Loci[74] als den ,argumentorum sedes et notae´“. Cano gehe „es gleichsam transzendental um die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen einer nach Maßgabe seiner Zeit wissenschaftlichen Theologie[75].“[76]

 

Für Petzel stellte die Theorien der Loci Theologici nach Cano ein neues System der Hermeneutik und Methodologie der systematischen Theologie dar. Der theologische Ort besteht nicht nur aus dem Fundort von Argumenten, sondern auch gleichzeitig aus den Argumenten selbst.[77] Die Dimension Loci Theologici umfasst nicht nur in der Geschichte auffindbare Orte, sondern bezeichnet gleichzeitig eine Konzeption des Ortes, an dem sich die Theologie als Theologie in der Geschichte konstituieren kann: die Natur der Autorität[78]. Die Autorität ist eine Vernunftinstanz in der Geschichte, insofern sie Macht besitzt.[79] Nach Petzel geht Cano „nicht von einer unmittelbaren Gegebenheit bzw. Evidenz der Loci Theologici aus“, sondern er wisse, „dass diese allererst gefunden werden müssen.“ Erst wenn sie gefunden wurden, können sie, als Entdeckte, der „spekulativen Theologie als Quelle“[80] dienen. „Der in den Loci Proprii bezeugte Glaube bedarf der spekulativen theologischen Vernunft und animiert und ,beunruhigt´ sie doch zugleich.“[81] Cano vertritt nach Petzel eine Theologie, die sich selbst begründet und zugleich in sich begründet ist.[82]

 

Nach Max Seckler sind alle von Cano benannten Loci, Loci Theologici. Die Loci werden innerhalb des Zehnerschemas in zwei Klassen unterteilt, die eigentlichen Loci Theologici (Loci Theologici Proprii) und die beigeordneten Loci (Loci Theologici Adscriptii),[83]die auch als Loci Alieni bezeichnet werden. „In der Fachliteratur werden häufig nur die ersten sieben als Loci Theologici bezeichnet (oder stillschweigend so aufgefaßt), die restlichen drei dagegen als Loci Alieni, was aber dem Denken Canos nicht gerecht wird.“[84] Dennoch wird im Folgenden die Unterscheidung der einzelnen Orte nach Proprii und Alieni gemacht, dadurch soll die Unterscheidung von der Theologie Eigenem und Fremden besser verdeutlicht werden, ohne den Loci Theologici Charakter der Loci Alieni dabei abwerten zu wollen. Die Loci Proprii und Alieni bezeichnen Orte, aus denen für die Theologie Eigene (Propria) oder Fremde (Aliena) Argumente gewonnen werden können. Eine weitere Unterscheidung bilden die konstituierenden und interpretierenden Loci, die von der Autorität der Offenbarung abgeleitet sind.[85] Die Autorität[86] der Loci gründet auf der Offenbarung Gottes. Die der Loci Proprii ist offensichtlich, aber auch die der Loci Alieni ist nicht an Gott vorbei denkbar.[87]

 

Das Modell der Loci als Orte der Theologie, an denen geschichtlich verfasste Argumente gefunden werden können, die zugleich selber konstitutiv für die Argumente sind, die der spekulativen Theologie als Grundlage dienen, war damals eine Neuerung. Da es allerdings seine Schwächen[88] hatte und nicht allseits übernommen wurde, geriet das System Cano´s bisweilen sogar in Vergessenheit.[89] Nach dem Vaticanum II. wurde die Locilehre wieder aufgenommen. Die moderne Locilehre[90] wird im Folgenden vorgestellt.

 

2.2 Aspekte einer modernen Lehre von den Loci Theologici

 

Im Rahmen einer modernen Prinzipien- und Erkenntnislehre stellt Peter Hünermann eine Neukonzeption der Locilehre nach Cano auf und erweitert diese um neue, unserer Zeit geschuldete weitere Orte. Die Loci Proprii sind nach Hünermann: Schrift und apostolische Tradition, die Gemeinschaft der Glaubenden (congregatio fidelium), die Liturgie (als pragmatischer Topos), das Magisterium der Bischöfe, insbesondere der Konzilien und das Magisterium des römischen Bischofs, die Kirchenväter (sapientia christiana), die Theologen und die Theologie sowie die Glaubensüberlieferung in den anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften.[91] Die Loci Alieni sind die Philosophie, der Kosmos der Wissenschaften, die Kultur, die Gesellschaft, die Religionen und  die Geschichte.[92]

 

Nach Peter Hünermann werden die Zuordnung der einzelnen Loci zueinander und ihr Gebrauch von der internen Sachlogik des Glaubens bestimmt.[93] „Diese Sachlogik des Glaubens aber erschließt sich in geschichtlicher Weise. Sie ist ein Ergebnis der Aufhellung des intellectus fidei.“ [94] „Damit unterliegen Bestimmung, Zuordnung und Gebrauch der Loci auch dem geschichtlich sich entfaltenden Glaubensversverständnis der Kirche, wie dem Theologiebegriff“[95] Die Loci resultieren aus der Offenbarung aber nur, insofern sie von der Glaubensgemeinschaft kontinuierlich im Vollzug des Glaubens hervorgebracht werden. Sie sind nicht einfach vorhanden, sondern sind, als in der Geschichte verwurzelte Instanzen der Offenbarung, immer auf die sie hervorbringende, sichtbar machende Gemeinschaft der Glaubenden angewiesen.[96] Nach Hünermann bedeutet dies: „Es gibt sie nicht ohne ständige Affirmation. In dieser Affirmation aber liegt zugleich die Notwendigkeit, sie je neu ,aufzuarbeiten´, zu ,kultivieren´.“ Durch die Arbeit an ihnen verändern sich die Loci. Sie bekommen ein „verändertes Aussehen“, in der Änderung erneuern sie sich.[97]

 

 Nur in der Anerkennung der Loci als Autoritäten des Glaubens kann der von Gott kommende und auf ihn zielende Glaube geschichtlich affirmiert werden. Nur durch die Anerkennung dieser Sprachgestalten als Autoritäten des Glaubens kann der gemeinsame Glaube als von Gott her zukommender und auf ihn zielender geschichtlich affirmiert werden. Die Zuordnung und der Gebrauch der Loci Theologici kann nicht partikulär von irgendeinem Ausgangspunkt her bestimmt werden, sondern ist immer auf die anderen Loci verwiesen.[98]

 

Die Loci können nur als wesentliche Referenzpunkte theologischer Arbeit genutzt werden, wenn sie als Basis, von der die Argumente der Theologie entfaltet werden, eine Neubestimmung ihres Gebrauchs in der heutigen Welt erfahren.[99] Sie sind, wie oben beschrieben, ständig auf eine Neuaffirmation und eine Neubestimmung in Bezug auf ihre geschichtlichen Verfasstheit angewiesen.[100] 

 

Im Rahmen der Religion als Locus Alienus werden der Islam[101] und das Judentum als Zwischenbereich von Loci Alieni und Loci Proprii gehandelt. Sie existieren in einem Zwischenbereich von ökumenischer und interreligiöser Fragestellung.[102] Im Folgenden wird diesem Zwischenbereich nachgegangen und „das Judentum als Locus theologicus ,semi-proprius´“[103] behandelt. Danach folgt eine Spurensuche nach jüdischen Elementen in einigen ausgewählten klassischen Loci nach Cano.

 

2.3 Das Judentum als Locus theologicus „semi-proprius“ nach Peter Hünermann

 

Der Locus Judaicus wird nun anhand des Hünermann´schen Diktums vom Locus Theologicus „semi-proprius“ untersucht. Es stellen sich folgende Fragen: Welche Bedeutung hat dieser Locus für das Christentum? Was am Judentum, als andere Religion, ist für die christliche Erkenntnislehre interessant? Wo können Probleme liegen?

 

Nach Hünermann ist bei der Ortsbegehung des Locus Judaicus das Konstitutivum der christlichen Theologie, das Christusgeschehen, wichtig:[104] „Jesus selbst war Jude.“[105] Er erklärt, dass die Botschaft Jesu vom nahe gekommenen Reich Gottes in der Geschichte Israels mit seinem Gott verwurzelt ist und nahtlos an die johannäischen Gerichtsreden anschließt. Die Kritik an den Autoritäten seiner Zeit und dem Unglauben seiner Hörer gehört ebenso zu seiner Botschaft wie das Festhalten an der...

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