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Der Westen in der islamischen Falle

Von Jerusalem bis Teheran: Der neue Nahe Osten

AutorMarcel Pott
VerlagVerlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783462301014
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,49 EUR
Roadmap für die USA: Dialog statt Krieg, um der islamischen Falle zu entkommen Mit Krieg wollte Amerika einen neuen Nahen Osten schaffen. Die Eroberung des Irak sollte der Aufbruch in die »globale demokratische Revolution« sein. Doch der Nahe Osten ist heute noch instabiler und gefährlicher als vor dem Feldzug der USA. Statt Freiheit und Demokratie herrschen Autokraten und rückwärtsgewandte Stammesführer. Und die Ideologie militanter Islamisten ist auf dem Vormarsch.Mit der Entmachtung der Taliban und der planlosen Vernichtung des Saddam-Regimes hat Amerika den Iran von seinen gefährlichsten Feinden befreit. Das relative Gleichgewicht der Kräfte in der Region ist zerstört. Der Iran ist zur einflussreichsten Macht von der Levante bis zum Golf aufgestiegen. Die Aussicht auf eine Atommacht Iran alarmiert nicht nur Israel und die USA. Auch die arabischen Regime sind beunruhigt. Wo ist der Ausweg aus der verfahrenen Lage? Angesichts des militärischen Engagements im Irak und in Afghanistan ist Amerika nicht imstande, dem Nahen Osten eine neue Ordnung durch kriegerische Mittel aufzuzwingen. Stattdessen müssen die USA und Europa mit allen regionalen Mächten arbeiten, die bereit sind, ein »Gleichgewicht der Kräfte« in der Region wiederherzustellen. An einem Dialog mit dem Iran führt kein Weg vorbei. Ein Krieg gegen die Mullahs würde die Lage katastrophal verschlechtern, ohne auf Dauer dem Iran die Bombe verwehren zu können. Für alle einander berührenden Problemkreise - Iran, Irak, Israel/Palästina und Libanon/Syrien - gilt: Amerika muss einen neuen Politikansatz finden. Mehr ernsthafte Diplomatie, weniger Konfrontation. Einige Probleme können durch eine kluge Politik gemildert oder gelöst werden. Andere aber, wie die Islamisierung der Politik, werden die Krisenregion auf Jahre hinaus prägen - so sieht die Realität des neuen Nahen Ostens aus, an dessen Herausbildung der Westen mitgewirkt hat.

Marcel Pott, Jahrgang 1946, studierte Geschichte, Politik, und Rechtswissenschaft. Nach einem Praktikum beim UN-Generalsekretariat in New York praktizierte er als Anwalt in Paris und Köln. 1983-1992 war er Leiter des ARD-Hörfunkstudios in Beirut und Amman, 1992-1997 leitender Redakteur im ARD-Fernsehstudio Bonn. Neben seiner Berichterstattung für Hörfunk und Fernsehen schrieb er regelmäßig für Die Zeit, Die Weltwoche sowie für eine Reihe von deutschen und Schweizer Tageszeitungen.Buchveröffentlichungen: Beirut - Zwischen Kreuz und Koran, 1985. Allahs falsche Propheten, 1999. Der Nahost-Konflikt. Schuld und Sühne im gelobten Land - Israels Sonderrolle im Schutz der westlichen Welt, 2002/2004.

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Leseprobe

Die Wiederkehr der Golfstaaten

Das irakische Dilemma steht für das Scheitern des amerikanischen Abenteuers am Persischen Golf. Es ist eine folgenschwere politische Niederlage. Ansehen und Glaubwürdigkeit Amerikas sind auf einem historischen Tiefpunkt. Und der Respekt für »amerikanische Werte« ist ausgehöhlt. Die Kriegs- und Konfrontationspolitik in der Bush-Ära hat darüber hinaus zu einem erheblichen Verlust an Einfluss in der Region geführt.

Das ist erkennbar an der neuen politischen Rolle, die die arabischen Golfstaaten – geführt von Saudi-Arabien und Katar – übernommen haben. Im Blick auf alle wichtigen regionalen Probleme versuchen sie eine eigenständige Politik umzusetzen – und dies, obwohl Saudi-Arabien auf amerikanischen Schutz angewiesen bleibt und Katar, Bahrain wie auch Kuwait amerikanische Militärstützpunkte beherbergen. Man will am Golf die alte Verbundenheit mit den USA zwar nicht durch eine feindselige Haltung ersetzen, aber doch deutlich machen, dass die bisherige amerikanische Politik abgelehnt wird. Die Golfanrainer halten sie für kontraproduktiv, weil sie mit ihrem manichäischen Handlungsmuster nicht zu Lösungen geführt, sondern die Spannungen in der Region erhöht hat. Deshalb verfolgen sie eine Politik, die an ihren Interessen ausgerichtet ist, unabhängig davon, ob die USA dem zustimmen. Dies ist auch im Umgang mit dem Iran nicht zu übersehen.

Die Aussicht auf eine Hegemonialstellung des Iran im Nahen Osten alarmiert nicht nur die USA und Israel. Auch die arabischen Nachbarn der Perser sind darüber sehr besorgt. Besonders der Verdacht, Teheran gehe es nicht nur um die friedliche Nutzung der Kernenergie, sondern um die Fähigkeit, eigene Atomwaffen herzustellen, beunruhigt die sunnitischen Regimes. Doch trotz ihrer unübersehbaren Furcht vor dem Iran haben sich die arabischen Golfstaaten bisher standhaft geweigert, mit den USA eine antiiranische Allianz einzugehen.

Einer solchen Formation lagen geopolitische Gedankenspiele in Washington und in Israel zugrunde, die darauf gerichtet waren, den Iran zu isolieren und möglichst in die Enge zu treiben. Es ging um eine Koalition gemäßigter arabischer Staaten mit Saudi-Arabien an der Spitze, die gemeinsam mit den USA die regionale Eindämmung des Iran betreiben sollten. Anfang 2007 gab es auf Drängen des US-Außenministeriums in Kuwait zwar ein Treffen des Golfkooperationsrats (GCC) mit Ägypten und Jordanien. Aber dabei wurde nur eine sehr allgemein gehaltene Erklärung verabschiedet, in der lediglich die Rede davon war, dass sich die Teilnehmer zu »Sicherheit und Frieden in der Region« verpflichtet fühlten.

Danach verliefen die weiteren amerikanischen Bemühungen im Sande. Auf taktische Manöver, die dazu dienten, eine antiiranische Allianz mit den sunnitischen Arabern zu schmieden, ohne eine Neuordnung in der Region durch die Lösung der Palästinafrage zu bewirken, wollten sich die Golfaraber auf keinen Fall einlassen. Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass die Schwäche der Araber gegenüber dem offensiv agierenden Iran nur durch ein geeintes, glaubwürdiges und konsequentes Eintreten für die Palästinenser kompensiert werden kann. Denn die arabischen Völker fühlen sich trotz der konfessionellen Unterschiede mit dem schiitischen Iran verbunden, weil er sich aktiv gegen die israelische Besatzung wendet.

Die Golfstaaten wissen, dass sie an der »arabischen Friedensinitiative« nicht nur festhalten, sondern sie offensiv gegenüber den USA vertreten müssen. Diese Initiative basiert auf dem Prinzip Land gegen Frieden und stammt aus der Feder von König Abdallah von Saudi-Arabien. Noch als Kronprinz hatte Abdallah den Plan formuliert, der schon 2002 auf der Gipfelkonferenz der Arabischen Liga in Beirut verabschiedet und im März 2007 von den arabischen Staatschefs bestätigt wurde. Der Plan verspricht Israel Frieden mit den Arabern, wenn es das 1967 eroberte arabische Land zurückgibt, einen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt zulässt und das von den Vereinten Nationen völkerrechtlich verbriefte Rückkehrrecht der 1947/48 geflohenen oder vertriebenen Palästinenser grundsätzlich anerkennt.

Die Botschaft an die USA und Israel ist klar: Wenn ihr ernsthaft an einer Regelung in Palästina interessiert seid, wollen wir substanziell verhandeln.

Im Übrigen vermeidet König Abdallah von Saudi-Arabien die offene Konfrontation mit dem Iran und weiß sich dabei der Unterstützung der anderen Golfstaaten sicher. Um der Gefahr eines immer einflussreicheren und bedrohlicheren Iran zu begegnen, versucht Abdallah das Regime in Teheran bei der Bewältigung regionaler Probleme mit einzubeziehen. Nicht Konfrontation, sondern Kooperation ist der Grundgedanke dieser neuen arabischen Diplomatie. Sichtbar wurden diese Bemühungen nach Ende des Sommerkrieges 2006 zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon. Sie waren darauf gerichtet, mit Hilfe des Iran die mehr als unsichere Lage im Lande zu stabilisieren, um die von Saudi-Arabien unterstützten libanesischen Sunniten nicht vollends der schiitischen Hisbollah auszuliefern. Später veranlasste König Abdallah ein Treffen zwischen Ali Laridschani, dem Abgesandten von Ajatollah Khamenei, dem allmächtigen Führer des Iran, und seinem eigenen Sicherheitsberater Prinz Bandar bin Sultan. Abdallah empfing sogar den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Riad. Schließlich umfasste der saudisch-iranische Dialog auch die Nuklearfrage. König Abdallah machte dem Iran und den anderen Golfstaaten den Vorschlag, eine gemeinsam betriebene Anlage zur Herstellung nuklearen Brennstoffs in einem neutralen Land wie der Schweiz zu errichten. Abdallah war von vorneherein klar, dass Teheran darauf nicht eingehen würde. Aber ihm kam es vor allem darauf an, zu signalisieren, dass die Länder der Region Fragen, die sie selbst betreffen, untereinander auf der Basis eigener Erwägungen klären sollen und nicht zu den Bedingungen der USA.

Die Golfstaaten haben sich entschieden, den Iran als integralen Bestandteil der Region zu behandeln, anstatt ihn zu isolieren oder konfrontativ mit ihm umzugehen. Sie trauen es den USA allein nicht mehr zu, die sich zuspitzenden Krisen in der Region einzudämmen. Sie hoffen auf eine Minderung der unmittelbaren Bedrohung durch die Einbindung Teherans. Und deshalb hat der saudische König den iranischen Präsidenten sogar persönlich zur Wallfahrt nach Mekka eingeladen.

Die neue Unabhängigkeit von den USA zeigte sich auch in der Palästinafrage. König Abdallah ignorierte Washingtons Bemühen, die militant-islamistische Hamas nach ihrem überraschenden Wahlsieg 2006 in den besetzten Gebieten zu isolieren und durch Wirtschaftssanktionen, die von der EU mitgetragen wurden, in die Knie zu zwingen. Ziel dieser Maßnahmen war es offensichtlich, dem palästinensischen Volk eine Lektion zu erteilen. Die Palästinenser sollten einsehen, dass eine Hamas-Regierung, die Israel nicht anerkennt, nicht regierungsfähig ist. Außerdem sollten sie spüren, dass sie ihre Stimme einer Bewegung gegeben hatten, die von den USA und den Europäern als Terrorbande betrachtet wurde. Zwar war die Hamas in der freiesten Wahl, die jemals in den palästinensischen Gebieten stattgefunden hatte, mit großer Mehrheit zum Sieger gekürt worden. Aber entscheidend für die Ablehnung der Hamas durch den Westen war die Weigerung der Islamisten, den Staat Israel formal anzuerkennen. Das ließ die demokratische Wahlentscheidung der Palästinenser in der westlichen Bewertung als irrelevant erscheinen. Auch die meisten arabischen Regimes waren nicht sehr glücklich über den Wahlsieg der Hamas. Schließlich handelt es sich um eine militante islamistische Organisation, die aus der ursprünglich in Ägypten entstandenen Muslimbruderschaft hervorgegangen ist. Also um genau jene politischen Kräfte, die sie in ihren eigenen Ländern unterdrücken.

Andererseits repräsentierte die teilweise in der Bevölkerung tief verwurzelte Hamas den...

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