Vorgeschichte
Die Koalitionskriege
Die Voraussetzungen für das Zusammentreten des Kongresses, für die politische Neuordnung Europas, wurden auf den Schlachtfeldern und an vielen Konferenztischen geschaffen.
Frankreich begann den Ersten Koalitionskrieg mit der Kriegserklärung vom 20. April 1792. Die gegnerischen Verbündeten, Österreich und Preußen, denen sich nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. (1754–1793) und seiner Gattin Marie Antoinette (1755–1793) Großbritannien, Piemont-Sardinien, Spanien und Neapel anschlossen, bemühten sich vergeblich, die Französische Revolution und ihre Auswirkungen aufzuhalten oder sogar rückgängig zu machen. Der Frieden von Campo Formio zwischen Frankreich und dem militärisch geschlagenen Österreich beendete am 17. Oktober 1797 den Krieg für Österreich. Das linke Rheinufer wurde von Frankreich annektiert, Österreich trat die Österreichischen Niederlande (das heutige Belgien) zugunsten Frankreichs ab. Es kam außerdem zu einer Neuordnung in Italien, wobei Venedig, Istrien und Dalmatien an Österreich fielen.
Napoleon Bonaparte (1769–1821) als Kaiser der Franzosen.
Die zweite Koalition gegen Frankreich 1799 bestand aus Großbritannien, Österreich, Russland, dem Osmanischen Reich, Portugal, Neapel und dem Kirchenstaat, Preußen blieb neutral. Sie scheiterte ebenso, denn inzwischen hatte Napoleon Bonaparte (1769–1821) die Macht in Frankreich übernommen. Seinem militärischen Genie hatten die Verbündeten nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Am 9. Februar 1801 wurde der Friede von Lunéville zwischen Frankreich und Österreich sowie dem Heiligen Römischen Reich geschlossen. Der Friede von Campo Formio wurde bestätigt, das Großherzogtum Toskana und das Herzogtum Modena fielen an Frankreich. Napoleon krönte sich am 2. Dezember 1804 in der Kirche Notre-Dame de Paris zum Kaiser der Franzosen. Sein Außenminister Talleyrand riet ihm vergeblich, sich damit und mit den Ergebnissen des mit Großbritannien 1802 geschlossenen Friedens von Amiens zufriedenzugeben, doch Napoleon war nicht aufzuhalten.
Kaiser Franz I. (1768–1835) von Öster-reich.
Napoleons Aufstieg
Die Eroberung Deutschlands
Die dritte Koalition gegen Frankreich, bestehend aus Österreich, Großbritannien, Russland und Schweden, formte sich im Jahre 1805. Preußen blieb neutral, da mochte Metternich, der österreichische Botschafter in Berlin, noch so sehr um Unterstützung bitten. Vom ursprünglichen Ziel der Koalitionskriege, die Revolution aufzuhalten, war nun keine Rede mehr: Jetzt musste Napoleons Vormarsch in ganz Europa gestoppt werden. Der selbsternannte neue Kaiser der Franzosen verlangte von Franz II. von Österreich (1768–1835), die österreichischen Garnisonen aus Tirol und Venetien abzuziehen, was dieser am 27. August ablehnte. Napoleon schloss mit Spanien und den Herrschern von Bayern, Baden und Württemberg Verträge ab, und nach der Kriegserklärung an Österreich am 25. September überquerte die französische Armee den Rhein. Die Schlacht von Austerlitz (heute Slavkov, Tschechische Republik) am 2. Dezember 1805 endete mit einer schweren Niederlage für die vereinigte russische und österreichische Armee. Danach, bei den Waffenstillstandsverhandlungen im dortigen Schloss, einem Familienbesitz des Fürsten Kaunitz1, trafen der französische und der österreichische Kaiser einander zum ersten Mal, was Franz mit den Worten »jetzt kann ich ihn [Napoleon] erst recht nicht leiden« kommentierte. Preußen blieb weiterhin untätig.
Einmarsch in Wien und Berlin
Da es den Österreichern nicht gelang, die Franzosen in Bayern aufzuhalten, rückte Napoleon bis Wien vor, eroberte die Stadt und bezog Quartier in Schloss Schönbrunn. Der Preßburger Frieden wurde am 26. Dezember 1805 von Talleyrand für Frankreich unterzeichnet und am nächsten Tag von Napoleon ratifiziert.
Wie Metternichs Memoiren zu entnehmen ist, war dieser Friedensschluss eher ein Diktat. Napoleon ließ in Wien ein fingiertes Verhandlungsprotokoll der Friedenskonferenz, die in Altenburg stattgefunden hatte, aufsetzen. Es enthielt Beschlüsse, die so gar nicht gefasst worden waren. Als sich Metternich weigerte, dieses zu unterzeichnen, ließ Napoleon die Glocken des Stephansdoms zum Zeichen des Friedensschlusses läuten, obwohl Kaiser Franz diesem noch gar nicht zugestimmt hatte. Die Friedensurkunde trug daher weder die Unterschrift des Kaisers noch diejenige Metternichs, aber eine Fortsetzung des Krieges wäre für Österreich undenkbar gewesen. Es war gezwungen, sich dem französischen Handelsembargo gegen England anzuschließen, seine Armee auf 150 000 Mann zu verkleinern und enorme Kriegsentschädigungen zu leisten. Darüber hinaus musste es große Gebiete im Westen an Bayern, Baden und Württemberg sowie im Süden an das napoleonische Königreich Italien abtreten und verlor damit den direkten Zugang zum Mittelmeer. Als Ausgleich erhielt es das vormalige Fürsterzbistum Salzburg, das 1803 säkularisiert und zu einem Kurfürstentum gemacht worden war, sowie die Fürstpropstei Berchtesgaden. Außerdem musste Kaiser Franz Napoleons Kaiserwürde, die Rangerhöhung der bisherigen Kurfürsten von Bayern und Württemberg zu Königen und deren volle Souveränität sowie die des Kurfürsten von Baden anerkennen. Schließlich musste er schon im Voraus dem geplanten Bündnis Napoleons mit deutschen Fürsten (dem späteren Rheinbund) zustimmen.
1806 wurde Metternich nicht wie erwartet als Botschafter nach Petersburg, sondern nach Paris entsandt, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch Napoleons. Als Metternich im September 1806 als neuernannter österreichischer Ambassadeur in St. Cloud vor dem Kaiser stand, meinte dieser: »Sie sind noch sehr jung, um Europas älteste Dynastie zu vertreten.« Metternich antwortete: »So alt, wie Eure Majestät am Tage von Austerlitz war!«
Diplomatische Erfolge hatte Metternich in Paris nicht aufzuweisen, er verbrachte seine Zeit mit den schöneren Seiten des Lebens. Er lernte die tonangebenden Leute kennen, hielt die Augen offen und spitzte die Ohren. Er wollte alles, selbst die geringste Kleinigkeit, über Napoleon erfahren. Ihm war völlig klar, dass dieser zielstrebig große Reiche zerstörte, um mittelgroße, von ihm abhängige Staaten zu schaffen und dort zum Teil sogar Familienmitglieder als Herrscher einzusetzen. Napoleon diskutierte mit ihm selbst die Aufteilung des Osmanischen Reiches. Metternich konnte sich gut vorstellen, dass Österreich Napoleons nächstes Opfer sein und dieser sich dann gegen Russland wenden würde.
Im Juli 1806 gründeten 16 deutsche Staaten auf Initiative Napoleons den Rheinbund, was deren Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich und eine Konföderation mit Frankreich zur Folge hatte. Das Reich, realpolitisch längst bedeutungslos, war nach über 800 Jahren seines Bestehens am Ende angelangt. Sein Oberhaupt, Kaiser Franz II., legte nach einem französischen Ultimatum die römische Kaiserkrone zurück und löste es formell am 6. August 1806 auf. Von nun an führte er den Titel Kaiser Franz I. von Österreich, den er bereits 1804 angenommen hatte.
Preußen stellte Napoleon das Ultimatum, seine Truppen hinter den Rhein zurückzuziehen, am 9. Oktober 1806 folgte die Kriegserklärung und damit der Beginn des Vierten Koalitionskrieges, obwohl das verbündete Russland noch nicht kriegsbereit war. Die Schlacht bei Jena und Auerstädt am 14. Oktober 1806 endete für Preußen und dessen Bündnispartner Sachsen als schwere Niederlage. König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) musste nach Memel in Ostpreußen fliehen, und Napoleon zog am 27. Oktober in Berlin ein.
Die Besetzung von Sachsen und Polen
In einer äußerst schwierigen Lage befand sich der Wettiner Kurfürst Friedrich August III. »der Gerechte« (1750–1827), der ein guter Mensch und den Sachsen ein guter Herrscher war. Sein Bruder und späterer Nachfolger Anton (1755–1836) war mit Maria Theresia (1767–1827), einer Schwester von Kaiser Franz I., verheiratet. Die Franzosen besetzten Sachsen und zwangen Friedrich August zu Friedensschluss und Beitritt zum Rheinbund. Weder Österreich noch Russland dachten daran, ihm beizustehen, es blieb ihm gar keine andere Wahl, als sich an Napoleon zu halten, der ihn 1806 zum König von Sachsen erhob. Er kämpfte daher zusammen mit Sachsen-Weimar im Frühjahr 1807 auf Napoleons Seite gegen Preußen. In Polen hatte sich im November 1806 unter Napoleons Schutz das Herzogtum Warschau gebildet, das 1807 ebenfalls in die Kämpfe gegen Preußen eingriff. Am 26. April 1807 schlossen Preußen und Russland einen Vertrag ab mit der Verpflichtung, auf Gedeih und Verderb bis zum Sieg über Napoleon...