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E-Book

Die Ardennen-Offensive 1944

Hitlers letzte Schlacht im Westen

AutorAntony Beevor
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783641169633
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
80 JAHRE KRIEGSENDE 44/45: Das letzte Aufbäumen Hitlers - die wohl brutalste Schlacht des Zweiten Weltkriegs
Im August 1944 schien das Ende des Zweiten Weltkrieges nah, das Deutsche Reich war in Auflösung begriffen. Doch Hitler beschloss, noch einmal alles auf eine Karte zu setzen. Am 16. Dezember 1944 startete die Ardennen-Offensive - es war der Beginn der wohl brutalsten Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Präzise und faktenreich beschreibt Antony Beevor, einer der renommiertesten Historiker zur Militärgeschichte, diese sechs Wochen im Winter 1944/45. Detailliert stellt er die Frontverläufe dar, dem einfachen Soldaten und der auf allen Seiten in die Kämpfe verwickelten Bevölkerung verleiht er eine Stimme. Auf diese Weise gelingt ihm ein eindrucksvoll lebendiges Geschichtspanorama.

Antony Beevor, Jahrgang 1946, ist mit seinen in zahlreiche Sprachen übersetzten Büchern weltweit der erfolgreichste Autor zu historischen Themen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Wolfson History Prize, dem Samuel-Johnson-Preis und dem Pritzker Literature Award, und 2017 für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben. Auf Deutsch sind von ihm die Bestseller erschienen: »Stalingrad« (1999), »Berlin 1945 - Das Ende« (2002), »Der Spanische Bürgerkrieg« (2006), »D-Day« (2010), »Der Zweite Weltkrieg« (2014), »Die Ardennen-Offensive 1944« (2016) und »Arnheim« (2019).

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Leseprobe

1. Kapitel

Im Siegesrausch

Am frühen Morgen des 27. August 1944 verließ General Dwight D. Eisenhower Chartres, um das gerade erst befreite Paris in Augenschein zu nehmen. »›Es ist Sonntag‹, sagte der Oberbefehlshaber der alliierten Truppen zu General Omar Bradley, der ihn begleiten sollte. ›Die Leute werden ausschlafen. Wir werden das ohne Aufsehen tun können.‹«1 Aber die beiden Generale waren kaum zu übersehen, als sie zu diesem »inoffiziellen Besuch« in Richtung der französischen Hauptstadt rollten. Der Cadillac des Oberbefehlshabers in tristem Olivgrün wurde von zwei Panzerwagen eskortiert, und ein Jeep mit einem Brigadegeneral fuhr voraus.2

Als sie die Porte d’Orléans erreichten, war dort eine noch größere Eskorte der 38. Mechanisierten Aufklärungskompanie unter Generalleutnant Gerow wie zur Parade aufgestellt. Leonard Gerow, ein alter Freund Eisenhowers, kochte noch vor Ärger, weil General Philippe Leclerc von der französischen 2. Panzerdivision während des Vormarsches auf Paris alle seine Befehle hartnäckig missachtet hatte. Am Tag zuvor hatte Gerow, der sich als Militärkommandant von Paris sah, Leclerc und dessen Division verboten, an General de Gaulles Siegesparade vom Arc de Triomphe bis nach Notre-Dame teilzunehmen. Stattdessen hatte er ihm befohlen, »Paris und Umgebung weiter vom Feind zu säubern«. Während der Befreiung der Hauptstadt hatte Leclerc Gerow ignoriert, aber an diesem Morgen einen Teil seiner Division aus der Stadt nach Norden gegen Stellungen der Deutschen um Saint-Denis in Marsch gesetzt.3

Die Straßen von Paris waren leer, denn die Deutschen hatten auf ihrem Rückzug fast jedes Fahrzeug requiriert, das sich noch bewegen ließ. Selbst auf die Metro war wegen der schlechten Stromversorgung kein Verlass mehr. Die »Lichterstadt« musste sich mit Kerzen behelfen, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurden. Ihre schönen Bauten wirkten alt und heruntergekommen, waren aber zum Glück noch intakt. Hitlers Befehl, sie in ein »Trümmerfeld« zu verwandeln4, war nicht befolgt worden. In der noch anhaltenden Freude über den Sieg brachen Gruppen von Franzosen auf den Straßen immer wieder in Jubel aus, wenn sie eines amerikanischen Soldaten oder Fahrzeuges ansichtig wurden. Aber es sollte nicht lange dauern, da hörte man die Pariser murren, die Amerikaner seien »pire que les boches«, »schlimmer als die Deutschen«.5

Zwar hatte Eisenhower erklärt, »ohne Aufsehen« nach Paris fahren zu wollen, aber sein Besuch hatte einen bestimmten Grund. Er wollte General Charles de Gaulle treffen, den Chef der Provisorischen Regierung Frankreichs, die anzuerkennen Präsident Roosevelt sich weigerte. Der Pragmatiker Eisenhower war bereit, die strikte Weisung seines Präsidenten zu ignorieren, die US-Truppen seien nicht in Frankreich, um General de Gaulle an die Macht zu bringen. Der Oberbefehlshaber brauchte Stabilität hinter seinen Fronten, und da de Gaulle offenbar als Einziger in der Lage war, diese herzustellen, war er gewillt, ihn zu unterstützen.

Weder de Gaulle noch Eisenhower mochten riskieren, dass das gefährliche Chaos der Befreiung außer Kontrolle geriet, besonders zu einer Zeit, die von wilden Gerüchten, unerwarteten Panikausbrüchen, Verschwörungstheorien und der hässlichen Denunziation angeblicher Kollaborateure geprägt war. Der Schriftsteller J. D. Salinger, der bei der 4. US-Infanteriedivision als Oberfeldwebel der Spionageabwehr diente, hatte bei einer Aktion in der Nähe des Pariser Rathauses gemeinsam mit einem Kameraden einen Verdächtigen festgenommen. Doch sie konnten nicht verhindern, dass eine erregte Menge ihnen den Mann entriss und vor ihren Augen totschlug.

De Gaulles Siegesparade vom Arc de Triomphe nach Notre-Dame am Tag zuvor hatte mit einer wüsten Schießerei in der Kathedrale geendet. Dieser Zwischenfall überzeugte de Gaulle, dass er die Résistance entwaffnen und ihre Mitglieder in eine reguläre französische Armee eingliedern musste. Noch am selben Nachmittag ging beim Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Alliierten Expeditionstruppen (SHAEF) die Forderung nach 15000 Uniformen ein. Leider gab es sie nicht ausreichend in kleinen Größen, denn französische Männer waren im Durchschnitt nicht so groß wie die Amerikaner.

De Gaulles Begegnung mit den beiden US-Generalen fand im Kriegsministerium in der Rue Saint-Dominique statt. Hier hatte im tragischen Sommer 1940 seine kurze Regierungslaufbahn begonnen, und hierher war er nun zurückgekehrt, um den Eindruck von Kontinuität zu erwecken. Die Formel, mit der er die Schande des Vichy-Regimes zu tilgen suchte, war majestätisch einfach: »Die Republik hat nie aufgehört zu existieren.« De Gaulle bat Eisenhower, Leclercs Division in Paris zu belassen, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Da nun aber einige von Leclercs Einheiten bereits aus der Stadt abzogen, meinte er, die Amerikaner könnten die Bevölkerung vielleicht mit einer Demonstration der Stärke beeindrucken und ihr das Gefühl der Sicherheit geben, dass die Deutschen nicht mehr zurückkämen. Warum sollten nicht eine ganze Division oder gar zwei auf dem Weg an die Front durch Paris marschieren? Eisenhower, der es etwas merkwürdig fand, dass de Gaulle amerikanische Truppen anforderte, um seine Stellung zu festigen, fragte Bradley, was er davon halte. Der meinte, das könne in den nächsten Tagen durchaus organisiert werden. Eisenhower forderte also de Gaulle auf, in Begleitung von General Bradley den Vorbeimarsch der Truppen abzunehmen. Er selbst wollte dabei nicht in Erscheinung treten.6

In Chartres zurück, forderte Eisenhower General Sir Bernard Montgomery auf, sich de Gaulle und Bradley bei der Parade anzuschließen, doch der lehnte ab, nach Paris zu kommen. Dieses unbedeutende, aber bezeichnende Detail wurde von gewissen britischen Zeitungen zum Anlass genommen, den Amerikanern vorzuwerfen, sie beanspruchten den ganzen Ruhm der Befreiung von Paris für sich allein. Die zwanghafte Neigung der Fleet Street, in nahezu jeder Entscheidung des SHAEF eine Herabsetzung Montgomerys und damit der Briten zu sehen, sollte den Beziehungen zwischen den Alliierten noch schweren Schaden zufügen. Sie war jedoch ein Ausdruck des verbreiteten Unmuts darüber, dass Großbritannien zunehmend an den Rand des Geschehens geriet. Jetzt waren die Amerikaner am Zug und würden den Sieg für sich vereinnahmen. Luftmarschall Sir Arthur Tedder, Eisenhowers britischem Stellvertreter, bereitete dieses Vorurteil der britischen Presse Sorge: »Nach dem, was ich im SHAEF zu hören bekam, musste ich befürchten, dass dieses Verhalten geeignet war, einen tiefen Riss zwischen den Alliierten zu erzeugen.«7

Am nächsten Abend begab sich die 28. US-Infanteriedivision unter ihrem Kommandeur Generalleutnant Norman D. Cota bei dichtem Regen von Versailles nach Paris. »Dutch« Cota, der bei Omaha Beach durch außerordentlichen Mut und Führungsqualitäten aufgefallen war, hatte die Division erst zwei Wochen zuvor übernommen, als die Kugel eines deutschen Scharfschützen seinen Vorgänger getötet hatte. Die Kämpfe in der von dichten Hecken durchzogenen Normandie im Juni und Juli waren qualvoll und opferreich gewesen. Aber als unter Führung von General George C. Pattons 3. Armee Anfang August der Durchbruch gelang, war beim Vormarsch zur Seine und nach Paris wieder Optimismus aufgekommen.

Im Bois de Boulogne hatte man Duschen aufgestellt, wo Cotas Männer sich für die Parade säubern konnten. Am nächsten Morgen, dem 29. August, marschierte die Division die Avenue Foch bis zum Arc de Triomphe hinauf und dann den langen Boulevard der Champs-Elysées entlang. Infanterie im Stahlhelm mit umgehängtem Gewehr und aufgestecktem Bajonett paradierte vorbei. Die Männer im olivfarbenen Drillich, 24 in einer Reihe, füllten den breiten Boulevard. Auf der Schulter trugen sie als Divisionsabzeichen das rote »Keystone«-Emblem des Staates Pennsylvania, das die Deutschen wegen seiner Form »Bluteimer« genannt hatten.8

Die Franzosen staunten, wie lässig die Uniformen der Amerikaner wirkten und dass sie offenbar Technik im Überfluss zur Verfügung hatten. »Eine mechanisierte Armee«, notierte der Tagebuchschreiber Jean Galtier-Boissière.9 Die Menschenmenge, die sich an diesem Morgen an den Champs Elysées versammelt hatte, konnte einfach nicht glauben, dass eine einzige Infanteriedivision so viele Fahrzeuge mit sich führte: unzählige Jeeps, manche mit hinten aufmontiertem 12,7-mm-Fla-MG, Panzerspähwagen, die Artillerie mit ihren 155-mm-Feldhaubitzen »Long Tom«, die von Zugmaschinen geschleppt wurden, Pioniere, Serviceeinheiten mit kleinen und großen Lastkraftwagen, M4-Sherman-Panzer und Panzerjäger. Angesichts dieser Vorführung nahm sich die Wehrmacht, die bei der Eroberung Frankreichs im Jahr 1940 geradezu unbesiegbar erschienen war, mit ihren Pferdegespannen seltsam antiquiert aus.

Das Podium für die Generale hatte man auf der Place de la Concorde errichtet. Pioniere hatten zu diesem Zweck umgekippte Sturmboote aneinandergereiht und eine riesige Trikolore darübergebreitet. Zahlreiche Sternenbanner flatterten im Wind. Eine Militärkapelle von 56 Mann, die zunächst an der Spitze des Zuges marschiert war, spielte beim Defilee den Divisionsmarsch »Khaki Bill«. Was den französischen Zuschauern sicher verborgen blieb, was alle Soldaten der 28. Division aber wussten: Sie marschierten geradewegs zum Sturm auf die deutschen Stellungen am nördlichen Stadtrand von Paris. »Das war einer der bemerkenswertesten Angriffsbefehle, der...

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