Graf Armand, Parlamentspräsident (Tenor)
Constanze, seine Gemahlin (Sopran)
Micheli, ein Savoyarde, Wasserträger (Baß)
Daniel, sein Vater (Baß)
Antonio, sein Sohn (Tenor)
Marzellina, seine Tochter (Sopran)
Semos, ein reicher Pächter in Gonesse (Tenor)
Rosette, dessen Tochter, Antonios Braut (Sopran)
Hauptmann,
Lieutenant,
Sergeant,
Korporal,
Erster Soldat,
Zweiter Soldat,
Eine Schildwache, von den italienischen Truppen im Solde Mazarins (Tenor und Baß)
Ein Mädchen von Gonesse (Sopran)
Ein französischer Gardeoffizier. Vier französische Gardesoldaten. Italienische Soldaten. Hochzeitsgäste. Bewohner von Paris und Gonesse. Bauern. Bäuerinnen. Bauernbursche und Mädchen. Kinder
Ort der Handlung: Paris und das nahe gelegene Gonesse.
Zeit: 1617.
Ouverture.
Das Innere der Wohnung des Savoyarden und Wasserträgers Micheli in einfacher Ausstattung.
Mitte rechts ein Himmelbett mit zugezogenen Vorhängen. Mitte links die mit einem Riegel versehene Eingangsthür, welche unmittelbar auf die Straße führt. Eine Seitenthür rechts führt in eine Kammer. Links ein Fenster, mit einem Holzstuhl daneben. Zur Rechten ein viereckiger Tisch mit einer brennenden Lampe; hinter dem Tisch ein Lehnstuhl, zu beiden Seiten Holzstühle. Zwischen dem Himmelbett und der Eingangsthür ein Tischchen mit zwei Holzstühlen, worauf eine Handlaterne, eine große Krücke, ein paar Pantoffeln und alte Männerkleider liegen.
Rechts und links vom Darsteller.
Erster Auftritt.
Marzellina. Daniel. Antonio.
Alle drei sitzen um den Tisch rechts.
Daniel nimmt den Lehnstuhl in der Mitte ein; er hat eine Brille auf und liest in einem alten Folianten; neben ihm steht eine kleine Krücke.
Marzellina sitzt zu seiner Rechten.
Antonio ebenso zu seiner Linken; beide sind beschäftigt, Blumenkränze zu winden.
ANTONIO spricht. Nun, Schwester, hast du deinen Kranz bald fertig?
MARZELLINA hebt den ihrigen in die Höhe. I, mein Kranz wird immer größer, wie du siehst. Ach, wie freue ich mich auf die Hochzeit! Nicht wahr, ich setze deiner Braut doch den Kranz auf?
ANTONIO. Ganz gewiß, liebe Schwester! Niemand anders als du.
MARZELLINA. Und morgen früh gehen wir doch gleich, sowie der Tag anbricht, nach Gonesse?
ANTONIO. O so früh du willst! Weißt du wohl, daß ich nun schon zwei ganze Tage von meiner Rosette weg bin? Ja, wenn ich dich nicht hätte hinausholen wollen, wäre ich gewiß nicht nach Paris gekommen.
MARZELLINA. Ei, das wäre schön gewesen, wenn du mich nicht hättest zu deiner Hochzeit holen wollen? O wie fröhlich werden wir sein! Wir tanzen doch auch?
ANTONIO. Ei freilich, und singen auch dazu?
DANIEL nimmt seine Brille ab. Und du wirst doch dabei dein Savoyardenlied nicht vergessen?
ANTONIO. O das hab ich viel zu lieb! Das vergesse ich in meinem ganzen Leben nicht.
MARZELLINA. Sing es uns doch noch einmal vor: da vergeht auch die Zeit desto besser.
DANIEL. Ja, sing, lieber Antonio! Das Lied erinnert mich immer an meine Jugendjahre und rührt mich jedesmal aufs neue!
Antonio legt seine Blumenarbeit auf den Tisch.
Nr. 1. Romanze.
ANTONIO.
Einst fiel ein kleiner Savoyard
Erblaßt dahin von Frost und Schmerzen.
Ihn hört jammernd ein Franke dort,
Naht sich mit mitleidvollem Herzen. –
Bald kehrt Leben zum Knaben zurück,
Ihm half der Edle brav und bieder.
Ja, dir vergelt ein Gott es wieder,
Jede Wohlthat find't ihren Lohn.
ALLE DREI.
Ja, dir vergelt ein Gott es wieder,
Jede Wohlthat find't ihren Lohn.
ANTONIO steht auf und nimmt die linke Seite.
Ach, jetzt ward unser heimisch Land
Des Krieges Schrecken preisgegeben!
Auch der Franke, der Biedre, fiel
In Feindes Hand, mit ihm sein Leben. –
Ihn verurteilt des Feindes Gericht,
Blutend das Leben zu verlieren.
Freunde! Euch wird sein Schicksal rühren,
Doch die Wohlthat find't ihren Lohn.
ALLE DREI.
Freunde! Euch wird sein Schicksal rühren,
Doch die Wohlthat find't ihren Lohn.
ANTONIO.
Schnell gab der Kleine sich auch nun
Gefangen, trotzte den Gefahren,
Ihn belebet des Danks Gefühl,
Er täuscht voll Mut der Wache Scharen. –
Es gelinget, sein Freund wird frei,
Staunend, dem Kerker schnell entrissen.
Ja, Freunde, ja, ihr sollt es wissen:
Jede Wohlthat find't ihren Lohn!
ALLE DREI.
Ja, Freunde, ja, ihr sollt es wissen:
Jede Wohlthat find't ihren Lohn!
DANIEL spricht. Es ist wahr, mein guter Junge, das Lieb ist allerliebst.
ANTONIO setzt sich wieder zu seiner Arbeit an seinen vorigen Platz. Weil es eine wahre Geschichte ist, die mir selbst vor zehn Jahren in Bern begegnete. Ihr wißt es, Großvater, ich war damals zwölf Jahre alt.
MARZELLINA. Ja, du lagst mit deinem Murmeltierchen an einer Ecke in der Straße. Du weintest, weil du den ganzen Tag nichts verdient hattest und starbst fast vor Hunger.
ANTONIO rasch einfallend. Und da hält mit einem Male eine Kutsche vor mir still, ein Fremder steigt heraus. Er fragt mich, was mir fehle, ich klage ihm meine Not. Er hebt mich auf und schenkt mir fünf Goldstücke, wovon ich das letzte noch immer aufgehoben habe. Ihr wißt, ich trage es beständig hier. Er zieht es an einem Bande um den Hals hervor. Ja, in meinem ganzen Leben lasse ich das Geld nicht von mir.
MARZELLINA. Laß mich's noch einmal besehen, ich betrachte es gar zu gern.
DANIEL. Guter dankbarer Junge!
MARZELLINA. Und du hast nicht erfahren können, wer der gute Fremde war?
ANTONIO. Niemals, aber an seiner Kleidung und besonders an seiner Sprache merkte ich wohl, daß er ein Franzose war.
MARZELLINA. Unser Vater bleibt auch heute recht lange aus! Er hat mir doch versprochen, bei guter Zeit nach Hause zu kommen und mir das Ding – wie heißt es doch gleich – daß man zum Thore hinaus kann?
ANTONIO. Den Paß.
MARZELLINA. Ja, den Paß –
ANTONIO. Ach ja, ohne den darf man jetzt weder hinaus noch herein; und sie beschreiben einen so genau, daß nicht das geringste fehlen darf.
DANIEL. Das war sonst nicht so – nur seitdem die italienischen Soldaten in die Stadt gekommen sind.
MARZELLINA. Aber sagt mir doch, warum geschieht denn das?
DANIEL. Um die Herren vom Parlamente anzuhalten, die sich vor dem Minister geflüchtet haben.
ANTONIO. Ach, was thut dieser Mazarin doch Böses in unserm Frankreich!
DANIEL. Noch erst neulich ließ er ein Edikt ergehen, daß das arme Volk von Paris ganz zu Boden drückte. Das Parlament wollte seine Zustimmung nicht dazu geben, da ließ er die vornehmsten Parlamentsmitglieder arretieren; der Präsident, der am...