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Die Beschuldigtenvernehmung

Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik/Kriminologie, Band 5

AutorFranz Schimpel, Michaela Mohr, Norbert Schröer
VerlagVerlag Deutsche Polizeiliteratur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl106 Seiten
ISBN9783801106874
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
In polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen hat der Vernehmer eine prekäre Aufgabe zu bewältigen: Er muss einen Gesprächsrahmen schaffen, der es ihm ermöglicht, mit Unterstützung des Beschuldigten erfolgreich gegen ihn zu ermitteln. Gleichzeitig muss er gewährleisten, dass der Beschuldigte seine Verfahrensrechte wahrnehmen kann. Der vorliegende Studienbrief geht von dem sich so andeutenden Kernproblem polizeilichen Vernehmens aus. Zuerst werden die Stellung der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungs- und Strafverfahren und der verfahrensrechtliche Rahmen polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen erörtert. Anschließend wird das Handlungsproblem, das sich für den Vernehmer aus dem ihm vorgegebenen Verfahrensrahmen ergibt, beschrieben und der Ansatz zur Bewältigung dieses Problems umrissen. Die Überlegungen der Autoren sind von der Überzeugung getragen, dass es dem Vernehmer in den Beschuldigtenvernehmungen zuerst immer um die Einbindung des Beschuldigten in eine kooperative Beziehung gehen muss. Die im Zentrum dieses Studienbriefes stehende These lautet dann auch: Vernehmungsarbeit ist Beziehungsarbeit. Diese These wird - angelehnt an tatsächliche Fälle zu vier verschiedenen Delikttypen - in ausführlicheren Darstellungen plausibilisiert. Danach kann in einem Exkurs geklärt werden, welcher Stellenwert der Beziehungsarbeit im kriminalistischen (Anleitungs-)Diskurs zukommt. Abschließend lässt sich dann das Verständnis für die 'Beziehungsarbeit in polizeilichen Vernehmungen vertiefen und systematisieren. In einem Phasenmodell werden die Prinzipien der von einem Vernehmer in Beschuldigtenvernehmungen zu leistenden Beziehungsarbeit allgemein beschrieben.

Michaela Mohr, Kriminaldirektorin Geboren 1955 in Bonn. Eintritt in den Kriminalpolizeidienst 1975. Dozentin für Kriminalistik und Landesfachkoordinatorin für Kriminalistik und Kriminaltechnik an der FHöV NRW. Schwerpunkte: Sachbearbeiterin bei Rauschgiftkriminalität und bei der Aufklärung von Sexualdelikten. Einsatz in Sonderkormmissionen bei Tötungsdelikten, Entführungen und Erpressungen. Als Führungskraft in den Bereichen Staatsschutz bei der Bezirksregierung Köln, Fahndung und Erkennungsdienst sowie der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Rauschgiftkriminalität im Polizeipräsidium Aachen und als Leiterin der Abteilung Verwaltung und Logistik beim Landrat Euskirchen tätig. Franz Schimpel, Kriminaldirektor Geboren 1958 in Großberghausen. Eintritt in den Polizeidienst 1974. Aufstiegsbeamter vom mittleren Polizeivollzugsdienst. Fachhochschullehrer und Leiter des Fachgebiets 4 - Kriminalwissenschaften - der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege Bayern - Fachbereich Polizei. Schwerpunkte: Kriminalpolizeilicher Sachbearbeiter in den Bereichen Rauschgift und Eigentumskriminalität sowie Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsguter. Führungsfunktionen im Schutz- und der Kriminalpolizeidienst. u. a, bei der Innenstadtinspektion in Nürnberg sowie der Polizeidirektion Ansbach, langjährige Leitung des Dezernates 1 der Kriminalpolizeidirektion Nürnberg. Leiter von kriminalpolizeilichen Sonderkommissionen. Alle Bücher von Franz Schimpel Dr. rer. soc. Norbert Schröer Geboren 1953 in Essen. Privatdozent für Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen; Dozent für Qualitative Verfahren der Sozialwissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien; Dozent im Masterstudiengang 'Kriminologie und Polizeiwissenschaft' an der Universität Bochum Seit 1985: Durchführung mehrerer strafrechtssoziologischer Forschungsprojekte; Arbeitsschwerpunkte: Empirische Strafrechtssoziologie. insbes. Polizeisoziologie; Interkulturelle Kommunikation; Methodologie und Methoden in der Qualitativen Sozialforschung

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Leseprobe
1 Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungs- und Strafverfahren: Der strafverfahrensrechtliche Rahmen
1.1 Der Beschuldigte und die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung
Eine polizeiliche Vernehmung ist eine an in der StPO festgelegte formale Regeln gebundene Befragung durch einen Ermittler zu einem strafrechtlich relevanten Sachverhalt.
Ihre Durchführung ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden, sondern sie kann zu jeder Zeit, in jeder Situation an jedem Ort erfolgen. So ist auch die Befragung eines Unfallverursachers bereits am Tatort eine Vernehmung im strafrechtlichen Sinn!
Die Strafprozessordnung nennt als Adressaten für Vernehmungen im § 163a StPO den Zeugen und den Beschuldigten. Die Rechtsvoraussetzungen für die Vernehmung eines Verdächtigen sind in der StPO allerdings nicht gesondert aufgeführt. Verschiedene BGH-Urteile kompensieren diesen Mangel und stellen den Verdächtigen zunächst dem Zeugen gleich.
Von einem Zeugen spricht man bei einer Person, die - ohne (zumindest zunächst) ernsthaft als Täter in Verdacht zu stehen - mithelfen kann aufzuklären, ob eine Straftat vorliegt, und die ggf. mit ihren Kenntnissen vom Tatgeschehen zur Aufklärung einer strafrechtlich relevanten Tat beitragen kann. Der Zeuge kann einen eigenen "Tatbeitrag" geleistet haben, so zum Beispiel das Opfer, das die Tatgelegenheit
schafft: Mit dem offen gelassenen Fenster hat eine Person dem Täter die Gelegenheit gegeben, in Abwesenheit des Wohnungsinhabers in dessen Wohnung einzubrechen. Er kann aber auch an der Tat völlig unbeteiligt sein: eine Person, die aufklärungsrelevante Beobachtungen vom Tatgeschehen macht, also den Einstieg des Täters in das offen stehende Fenster beobachtet hat.
Der Status eines Zeugen kann auch dann noch gegeben sein, wenn die Person nicht über jeden Tatverdacht erhaben ist, wie etwa der Verursacher von Anwesenheitsspuren an für ihn allgemein zugänglichen Orten (z. B. Zigarettenkippe im Arbeitsappartement einer ermordeten Prostituierten, Fingerspur außen an einem aufgebrochenen Zigarettenautomaten). Entscheidend ist die Stärke des gegen die Person gerichteten Verdachts im Verhältnis zu den entlastenden Ermittlungsergebnissen.
Von Bedeutung ist auch die Frage, ob das Ermittlungsverfahren bereits zielgerichtet gegen diese Person geführt wird. Trennscharfe fallübergreifende Kriterien bestehen nicht.
Verdichtet sich im Verlaufe der Ermittlungen ein Verdacht gegen eine bestimmte Person so weit, dass bei pflichtgemäßer Beurteilung im Rahmen eines bestehenden Ermessensspielraumes durch die Ermittlungsbehörde mehr für die Täterschaft der Person spricht als dagegen, so werden die Ermittlungen auf jeden Fall zielgerichtet gegen diese Person geführt und sie muss dann zwingend als Beschuldigter behandelt werden. Dabei ist nicht entscheidend, ob bereits ein schriftlicher Vorgang über diese Entscheidung besteht, sondern ausschlaggebend kann bereits die subjektive Überzeugung des ermittelnden Beamten sein. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes wurde hierzu festgelegt, dass es nicht rechtswidrig ist, einen verdächtigen Zeugen frühzeitig als Beschuldigten einzustufen, dass es aber nicht zulässig ist, eine Person wie einen Zeugen zu behandeln, gegen die bereits nach pflichtgemäßem Ermessen bei der Beurteilung der vorhandenen Beweislage ein konkreter Tatverdacht vorliegt.
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