Das IASB stellt den von ihm erlassenen Rechnungslegungsstandards ein so genanntes Framework voran, in welchem u.a. die Grundsätze, Zielsetzungen und Methoden der Rechnungslegung nach IFRS begründet werden. Nach diesem Framework besteht das Hauptziel von IFRS-Abschlüssen in der Vermittlung von Informationen über die finanzielle Lage und deren Veränderung sowie über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens im abgelaufenen Geschäftsjahr.[55] Aktuelle und potentielle Investoren sollen darüber informiert werden, ob ein Unternehmen langfristig ausreichende Mengen an Zahlungsmitteln oder zahlungsmitteläquivalenten Vermögenspositionen und somit die gewünschte Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaften kann.[56] Dieser Beurteilung dienen in erster Linie Informationen über das periodengerecht ermittelte Ergebnis mit Bezug auf die wirtschaftliche Leistung des Unternehmens in der abgerechneten Periode.
Die starke Betonung dieses periodengerechten Erfolgsausweises führt in der IFRS-Rechnungslegung somit zwangsläufig zu einer Präferenz für eine vorzeitige Gewinnrealisierung bei langfristiger Auftragsfertigung.[57] Denn die Leistung eines Unternehmens ist nach IFRS nicht aufgrund einer wirtschaftlich irrelevanten Realisationsbedingung ohne eigenes Handeln zu verstehen, sondern soll vielmehr als Ausdruck eigener unternehmerischer Aktivitäten aufgefasst werden.[58]
IAS 11 ist grundsätzlich auf jeden einzelnen Fertigungsauftrag anzuwenden.[59] Objekt der Bilanzierung sind daher die dem Fertigungsauftrag vertraglich zugrunde liegenden Rechte und Pflichten des Auftragnehmers.[60] Unter bestimmten Umständen ist es jedoch denkbar, dass die Zusammenfassung einzelner Aufträge zu einer Gruppe von Aufträgen und deren bilanzielle Behandlung als ein Fertigungsauftrag bzw. die Segmentierung eines Kontraktes in separate Bestandteile und deren bilanzielle Behandlung wie mehrere Fertigungsaufträge zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenderen Bild führen kann.[61] Um allerdings eine willkürliche Abgrenzung zu vermeiden, werden in IAS 11.8 und IAS 11.9 bestimmte Voraussetzungen für die Zusammenfassung bzw. Segmentierung von Fertigungsaufträgen definiert.[62]
Für bilanzielle Zwecke ist eine Gruppe von Verträgen demnach als ein Fertigungsauftrag zu behandeln,[63] wenn die Verträge so eng miteinander verbunden sind,[64] dass die einzelnen Aufträge jeweils einen Teil des Projekts darstellen, welches mit einer gemeinsamen Gewinnmarge verhandelt wird.[65] Außerdem müssen die Fertigungsaufträge als ein Paket verhandelt worden sein und unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten eine Einheit bilden,[66] wobei die einzelnen Verträge entweder gleichzeitig oder aber unmittelbar aufeinander folgend unter Aufsicht desselben Projektmanagements abgewickelt werden müssen.[67]
Umfasst ein Fertigungsauftrag dagegen mehrere Einzelleistungen, nennt das IASB in IAS 11.8 bestimmte Kriterien, bei deren kumulativer Erfüllung die Teilung eines Auftrags in mehrere Projekte zwingend vorzunehmen ist. Demnach müssen neben dem Angebot für den Gesamtauftrag für jede Einzelleistung des Auftrags getrennte Angebote seitens des Auftragnehmers unterbreitet worden sein, wobei der Hersteller und der Kunde das Recht haben, jedes getrennt abgegebene Angebot separat zu akzeptieren oder abzulehnen. Des Weiteren müssen die Kosten und Erlöse für jede einzelne Teilleistung getrennt ermittelt werden können und ihre Summe muss den Kosten und Erlösen des Gesamtauftrages entsprechen.[68]
Sind die genannten Voraussetzungen für eine Zusammenfassung oder Segmentierung von Fertigungsaufträgen nicht erfüllt, ist dementsprechend von eigenständigen Fertigungsaufträgen auszugehen.
Ein weiteres Abgrenzungsproblem entsteht, wenn ein Fertigungsauftrag für den Auftraggeber eine Option für einen Folgeauftrag vorsieht. Eine solche Option ist als separater Fertigungsauftrag zu behandeln, wenn er sich nach IAS 11.10 hinsichtlich Design, Technologie oder Funktion von dem ursprünglichen Vertrag unterscheidet oder wenn die Preisverhandlungen unabhängig von den ursprünglichen Verhandlungen geführt werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ergibt sich folglich eine Zusammenfassung mit dem entsprechenden Grundvertrag. In diesem Fall müssen wiederum die Voraussetzungen des IAS 11.9 erfüllt sein.[69]
Die zentrale Problematik bei der Bilanzierung eines Fertigungsauftrags besteht, aufgrund seines in der Regel periodenübergreifenden Charakters, darin, die gesamten mit dem Fertigungsauftrag verbundenen Erlöse und Kosten den Perioden der Auftragsabwicklung in Form von Erträgen und Aufwendungen zuzuordnen.[70] Nach IAS 11 kommen hierfür die folgenden unterschiedlichen Abrechnungsmethoden in Betracht:
Die Auftragserlöse und Auftragskosten sind für Fertigungsaufträge, deren Ergebnis verlässlich schätzbar ist, nach dem Leistungsfortschritt bzw. dem Fertigstellungsgrad zu erfassen (Percentage-of-Completion-Methode).[71] Dabei wird unterstellt, dass der Gewinn nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in Form eines Wertsprungs realisiert wird, sondern im Sinne einer kontinuierlichen Entwicklung im Laufe des Herstellungsprozesses entsteht.[72]
Ist eine der Voraussetzungen[73] für die Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode nicht gegeben, aber kann zukünftig mit einer Deckung der Kosten des Fertigungsauftrags gerechnet werden, so dürfen die Umsatzerlöse lediglich in Höhe der entstandenen erstattungsfähigen Auftragskosten und somit ohne Gewinnanteil vereinnahmt werden (Zero-Profit-Margin-Methode).[74] Dadurch soll die Leistung einer Periode noch zutreffender dargestellt werden als bei der Completed-Contract-Methode.[75]
Ist es dagegen wahrscheinlich, dass die gesamten Auftragskosten nicht durch die gesamten Auftragserlöse gedeckt werden und somit ein Verlust entsteht, ist dieser unabhängig von der Abrechnungsmethode, d.h. sowohl für die Percentage-of-Completion-Methode als auch für die Zero-Profit-Margin-Methode, sofort als Aufwand zu berücksichtigen.[76]
Bevor in den folgenden Gliederungspunkten näher auf die nach IFRS möglichen Abrechnungsmethoden eingegangen wird, soll die folgende Abbildung diese kurz graphisch strukturieren:
Abbildung 3: Bilanzierungsmethoden für Fertigungsaufträge nach IAS 11
(Quelle: in Anlehnung an Petersen, K.; Bansbach, F.; Dornbach, E. [2005], S. 162; Pellens, B.; Fülbier, R.U.; Gassen, J. [2004], S. 356)
3.3.1.1 Anwendungsvoraussetzungen der Percentage-of-Completion-Methode
Um die Leistung eines Unternehmens und den Fortschritt der Auftragsarbeiten periodisch wiederzugeben, verlangt IAS 11.22 für alle Fertigungsaufträge, bei denen eine verlässliche Ermittlung von Auftragserlösen, Auftragskosten[77] und Fertigstellungsgrad möglich ist, eine Teilgewinnrealisierung entsprechend dem Leistungsfortschritt (Percentage-of-Completion-Methode).[78] Zur Beurteilung der Verlässlichkeit[79] dieser Schätzung[80] als Voraussetzung der Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode unterscheidet IAS 11 für die verschiedenen Vertragsgestaltungen[81] unterschiedliche Voraussetzungen, die jeweils kumulativ erfüllt sein müssen. Allerdings sollten diese nicht zu restriktiv interpretiert werden, sodass die Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode nicht von vornherein ausgeschlossen wird.[82]
Im Fall von Festpreisverträgen müssen die nachfolgenden Bedingungen gemäß IAS 11.23 vollständig erfüllt sein:[83]
Die gesamten Erträge aus dem Auftrag können zuverlässig ermittelt werden.
Es ist wahrscheinlich, dass der wirtschaftliche Nutzen aus dem Vertrag dem Unternehmen zufließt.
Sowohl die noch anfallenden Kosten zur Vertragserfüllung als auch der erreichte Fertigstellungsgrad können zum Bilanzstichtag verlässlich gemessen werden.
Die dem Fertigungsauftrag zurechenbaren Kosten können eindeutig bestimmt und zuverlässig ermittelt werden, sodass die bislang entstandenen Kosten (Ist-Kosten) mit den geplanten Kosten (Soll-Kosten) verglichen werden können.
Für eine zuverlässige Ermittlung des...