Der erste Abend im Hotel
Am frühen Abend, oder wenn man Neil Aspinalls Tourreport mehr Glauben schenken möchte, zwischen 23.00 und 2.00 Uhr, machten die Beatles eine Generalprobe auf ihrem Zimmer. In den Wochen vor der Tournee waren sie jeden Tag bis zum 21. Juni 1966 mit Aufnahmen zur LP Revolver beschäftigt. Somit blieb für eine Probe in England keine Zeit oder besser gesagt - es fehlte die Lust dazu. Brian Epstein hatte die Beatles gedrängt, doch nicht unvorbereitet in ein solches Konzert zu gehen und auch Paul und George überredeten die anderen dann doch noch zu einer „Last Minute“-Session. Schließlich lag ihr letzter Kurzauftritt am 1. Mai 1966 doch schon eine Weile zurück. Die letzte richtige Tournee war sogar schon im Dezember 1965! Man probte nach Neils Tourreport das komplette Set, besonders Paperback Writer und überlegte sich deutsche Ansagen. Die Münchner Abendzeitung wird später berichten, dass man diese Probe über die Luftschächte auf den Damentoiletten hören konnte. Die BRAVO behauptete in Heft 27, dass die Beatles an diesem Tag eine Einladung bei Thomas Beyl annehmen würden, dessen „Försterhaus“ außerhalb Münchens anzuschauen. Das halte ich ebenfalls für Wunschdenken, da der Abend der Beatles im Bayerischen Hof sogar im Tourplan geplant war. Dieser Besuch fand also nicht statt.
Für 21.15 Uhr war das Schwimmbad, das auf dem Dach des Hotels liegt, für die Beatles reserviert worden. Der Tourplan schrieb: „Ein zwangloses Badnutzen ist vereinbart.“ Extra für die Beatles hatte man das 16-Meter-Becken mit neuem Wasser gefüllt. Für 22.15 Uhr war der neben dem Schwimmbad gelegene Grill-Room für ein Abendessen reserviert. Gegen 21.30 Uhr betraten die Beatles das Schwimmbad. Die beiden Barkeeper, Fritz Engel und Dieter Schreiner, hatten extra Überstunden für die Beatles gemacht und waren sich gar nicht sicher, ob sie überhaupt kommen würden. Paul war wohl der einzige, der sich mit „geliehener Badehose und ohne Badekappe“ ins Becken zum Schwimmen begab. Die Kollegen machten es sich lieber in den Korbstühlen bequem. Insgesamt wurden im Laufe des Abends 23 Whiskey mit Seven Up verzehrt. Paul ließ sich dann noch eine halbe Stunde massieren. Klatschreporter Michael Graeter berichtete später in der Zeitung Mittag und in der Münchner Abendzeitung, dass er sich als Gehilfe des Masseurs verkleidet hatte und mit dem eigentlichen Masseur Hans Wissmann dabei war, als sich Paul eine halbe Stunde lang hat massieren lassen. Angeblich hat Herr Graeter ja schon am Mittag einen Plattenspieler für das Zimmer der Beatles besorgt… Ein Foto von Paul im Wasser und den Kollegen in Korbstühlen lieferte er dazu.
Der Schwimmbadbesuch wird auch in Neils Tourreport erwähnt. Dort beschreibt er, wie belustigt die Beatles waren, als sie in der Abendausgabe einer (mir unbekannten) Zeitung von ihrem Speiseplan und ihren abendlichen Plänen lasen, von denen sie selbst noch nichts wussten (obwohl es im Tourplan notiert war). Neil vermutete deshalb spaßeshalber versteckte Tonbandgeräte in den Zimmern.
In den Zeitungen wird berichtet, dass die Telefonistinnen des Hotels schwer zu tun hatten. Hunderte von Anrufern bzw. Anruferinnen, die sich als die Ehefrauen der Beatles oder Epsteins (!) ausgaben, mussten abgewiesen werden! Bei dieser Gelegenheit sollte auch noch die folgende Pressemeldung erwähnt werden: „Beim Personalschef des exklusiven Hotels gehen seit Tagen schon erstaunlich viele Bewerbungen junger Leute ein, die als Liftboys, Zimmermädchen, Etagenkellner oder Hausbursche zu arbeiten wünschen. Doch keiner dieser Bewerber, hinter denen man Beatle-Fans und verkappte Reporter vermutet hat Glück. Das Personal wird nicht verstärkt.“ Anfragen nach in Flaschen abgefüllten Badewasser oder benutzter Bettwäsche der Beatles gab es natürlich auch!
Sex and the city
Die deutschen Zeitschriften Pop und Penthouse haben bereits in den 70er Jahren bzw. in den 90er Jahren ausführlich über den ersten Abend im Hotel berichtet, wobei auch andere Berichte die Ereignisse auf den Abend nach den Konzerten legten. Thomas Beyl, der mit seiner späteren Ehefrau Christa „Chrystal“ dabei war, hat dort wiederholt eine „Sex & Drugs“- Geschichte verbreitet, deren Wahrheitsgehalt aber in etwa stimmen dürfte, da sie von verschiedenen Seiten ähnlich geschildert wurde. Andere, eher harmlose oder diskrete Versionen, wurden in der Fernsehsendung History des ZDF und von Michael Graeter in seiner Biographie Extrablatt erzählt. Sogar die Bild am Sonntag vom 26. Juni 1966 berichtete kurz von den „fünf bildhübschen Mädchen aus den Beatle-Zimmern“, die von der Direktion verscheucht wurden.
Vom Grunde her ging es in der Geschichte darum, dass die Beatles „weibliche Gesellschaft“ suchten. Als die Fans draußen vor dem Hotel warteten, versuchte man schon Fans auf das Zimmer zu holen. Das Hotelpersonal hatte dies jedoch mit dem Hinweis auf den damals noch geltenden „Kuppelei-Paragraphen“ unterbunden. Gleichzeitig wollte man aber verhindern, dass die Beatles selbst in Schwabing auf die Pirsch gehen würden. Am späten Abend bat man dann Michael Graeter um Hilfe und der ging um die Ecke in den Nachtclub “Wiener P.B.” und fragte einige Frauen aus der Upperclass, ob sie Lust auf eine Party mit den Beatles hätten. Keine lehnte ab. Diese vier Frauen waren nach Angaben von Thomas Beyl die Schauspielerin Christine Schuberth, „Madelaine S.“, Hannelore von W.“ und eine weitere Adlige. Vermutlich wurde Christa von der Presse ebenfalls mitgezählt. Je nach Version der Geschichte, war es entweder kein Problem, die dem Hotel-Personal von anderen Anlässen bekannten Frauen ins Hotel zu bekommen oder Graeter musste versuchen, die vier Frauen auf verschiedenste Weise auf das Zimmer zu schmuggeln um aber immer an der Hausdame Frau Flossmann zu scheitern.
Am Ende gelang es ihm anscheinend in dieser Version der Geschichte in der Verkleidung als Zimmermädchen und man brachte die Frauen über den Hintereingang in das Zimmer, wo die Beatles sich ausruhten und „Kräuter-Zigarretten“ rauchten. Das ganze wurde jedoch ziemlich schnell wieder von Frau Flossmann unterbunden und die Frauen, die gar nicht „vor Unzucht gerettet“ werden wollten, mussten das Hotel verlassen. Madeleine Sommer, eine der Frauen, die mit den Beatles in Zimmer 522 waren, erzählte in History: „Es war eine Party für eine Nacht und jeder wusste das. Es war so, wie es zu der Zeit war – den Sechzigern…“
Schenkt man Thomas Beyls Geschichte Glauben, vergnügten sich die Beatles dann nacheinander mit einer Journalistin namens Shirley A. vom Disc and Music Echo-Magazin. (Ob es die Dame tatsächlich gab, ließ sich leider nicht abschließend herausfinden.)
Die Konzerte in München
Bis zum Erscheinen meiner früheren Publikationen wurde in den Büchern geschrieben, dass das ZDF nur das Abendkonzert aufgezeichnet und später ausgestrahlt hat. Während meiner Recherchen und der Auswertung aller vorhandenen Bild- und Filmaufnahmen musste ich jedoch feststellen, dass der im ZDF ausgestrahlte Beatles-Auftritt ein Zusammenschnitt aus Nachmittags- und Abendkonzert ist! Warum das so ist, führe ich ausfühlich im Kapitel über die Filmaufnahmen aus. Somit kann man belegen, dass Baby`s In Black, I Feel Fine und Yesterday vom Nachmittag stammen, genauso wie die Wochenschauaufnahmen von I Wanna Be Your Man und I`m Down. Vom Abend stammen nur Rock And Roll Music, Nowhere Man und I`m Down. Somit hat das ZDF beide Shows komplett aufgezeichnet und am Schneidetisch sind entsprechend wesentlich mehr Songs unter den Tisch gefallen, als bislang angenommen. Es mag sein, dass der Cutterin Katrin Körnig die Auftritte der Beatles nicht besonders überzeugt haben…
© Bayerisches Staatsarchiv
Die Aufzeichnung lief unter dem Titel Die Beatles und Ausschnitte aus dem Rahmenprogramm ihrer Deutschlandtournee am 5. Juli 1966 von 20.00 bis 20.45 Uhr im ZDF. Wie der Titel schon verrät: inklusive der Vorbands, gekürzt auf insgesamt 45 Minuten. Das ZDF ließ sich diese Exklusivität nach Zeitungsberichten damals 40.000,00 DM kosten, wobei nicht 100 % gesichert ist, ob das Geld beim BRAVO-Verlag blieb, an die Beatles weitergereicht wurde, oder Bestandteil der regulären Gage war. Auskünfte des ZDF waren nicht zu bekommen. Die Vorgruppen bekamen kein separates Honorar dafür, wie ich erfahren konnte. Einige Meldungen berichteten, dass angeblich die Beatles erst nach Überzeugungsarbeit zu dieser Aufzeichnung bereit waren, was aber nicht stimmen dürfte - ein paar Tage später wurde in Tokio ebenfalls für das Fernsehen gefilmt. Diese Aufnahme ist die beste Quelle, die man für die Beschreibung der Deutschland-Konzerte finden kann. Man erkennt den übervollen Circus-Krone-Bau und jubelnde Fans, die jedoch im Gegensatz zu britischen und amerikanischen Fans nicht in das typische Gekreische...