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Die Entschlüsselung des Alterns

Der Telomer-Effekt - Von der Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn

AutorElissa Epel, Elizabeth Blackburn
VerlagMosaik bei Goldmann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783641112059
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen und damit direkt mit der Zellalterung sowie dem Entstehen vieler Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkreislaufbeschwerden verbunden. Nobelpreisträgerin Dr. Elizabeth Blackburn und ihre Kollegin Dr. Elissa Epel haben in jahrelanger Forschung herausgefunden, woraus unsere Telomere bestehen und wie wir sie erhalten können.

Wissenschaftlich fundiert und praktisch erklärt: In diesem Buch finden Sie die Anleitung für einen vitalen Körper. Bleiben Sie jung und gesund - ein Leben lang.

Dr. Elizabeth Blackburn, geboren 1948, ist eine australisch-amerikanische Molekularbiologin. Seit 1990 lehrt und forscht sie als Professorin für Biologie und Physiologie an der Universität von San Francisco zu Telomeren und Telomerase. 2007 wurde sie vom Time-Magazin unter die »100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt« gewählt und erhielt 2009 den Nobelpreis für Medizin für ihre Ergebnisse aus der Telomerforschung. Elizabeth Blackburn lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, USA.

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Leseprobe

Abbildung 3: Alter und Krankheiten. Alter ist der bei Weitem wichtigste Bestimmungsfaktor chronischer Krankheiten. Dieses Diagramm zeigt die Anzahl der Todesfälle in Abhängigkeit vom Alter bis zum 65. Lebensjahr und darüber hinaus, für die vier häufigsten krankheitsbedingten Todesursachen (Herzerkrankungen, Krebs, Atemwegserkrankungen und Schlaganfall sowie andere zerebrovaskuläre Erkrankungen). Die Sterblichkeit aufgrund chronischer Erkrankungen nimmt ab dem vierzigsten Lebensjahr zu und steigt nach dem sechzigsten Lebensjahr drastisch an. Das entnehmen wir einer Veröffentlichung des Zentrums für Krankheitskontrolle und Prävention des US-Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste über die zehn Hauptursachen für Tod und gesundheitliche Schädigung, http//www.cdc.gov/injury/wisqars/leadingCauses.html

Das chronologische Alter ist der wichtigste Bestimmungsfaktor des Risikos für chronische Erkrankungen, und darin spiegelt sich das biologische Alter unseres Körpers wider.

Am Anfang dieses Kapitels stellten wir die Frage: Warum altern Menschen unterschiedlich? Eine Ursache ist das Altern der Zellen. Jetzt lautet die Frage: Was führt dazu, dass Zellen vorzeitig altern?

Stellen wir uns Schnürsenkel vor. An ihnen lässt sich veranschaulichen, was bei vorzeitiger Zellalterung geschieht.

Ob wir uns jung und fit oder alt fühlen, hängt von den Telomeren ab

Erinnern Sie sich an die Schutzkappen aus Plastik an den Enden der Schnürsenkel? Diese werden »Stifte« (auch Nadeln, Pinken) genannt. Diese Stifte sollen verhindern, dass die Enden der Schnürsenkel ausfransen. Stellen wir uns jetzt vor, die Schnürsenkel wären unsere Chromosomen, die Strukturen innerhalb unserer Zellen, die unsere Erbinformationen enthalten. Telomere, deren Länge in DNS-Einheiten, den sogenannten Basenpaaren, gemessen werden kann, gleichen solchen Stiften; sie bilden kleine Kappen an den Enden der Chromosomen und verhindern, dass das Erbmaterial zerfasert. Sie sind die »Stifte« des Alterns. Allerdings verkürzen sich Telomere im Lauf der Zeit.

Die Telomer-Länge entwickelt sich im Lauf eines Lebens typischerweise folgendermaßen:

Alter

Telomer-Länge (in Basenpaaren)

Neugeborenes

10 000 Basenpaare

35 Jahre

7500 Basenpaare

65 Jahre

4800 Basenpaare

Wenn die Schnürsenkelenden zu weit ausfransen, werden d ie Schnürsenkel unbrauchbar. Dann kann man sie auch wegwerfen. Das Gleiche geschieht mit Zellen. Wenn Telomere zu kurz werden, hören Zellen auf, sich zu teilen. Telomere sind nicht die einzige Ursache für die Vergreisung von Zellen. Normale Zellen sind weiteren Stressfaktoren ausgesetzt, die wir noch nicht besonders gut verstehen. Aber kurze Telomere sind eine der Hauptursachen der menschlichen Zellalterung, und sie sind ein Mechanismus, der die »Hayflick-Grenze« kontrolliert.

Unsere Gene beeinflussen unsere Telomere, sowohl ihre Länge bei unserer Geburt als auch die Schnelligkeit, mit der sie sich verkürzen. Aber die wunderbare Nachricht ist, dass unsere Forschungsergebnisse sowie die Erkenntnisse anderer Forschergruppen weltweit gezeigt haben, dass wir eingreifen und bis zu einem gewissen Grad beeinflussen können, wie kurz oder lang – wie robust – unsere Telomere sind.

Zum Beispiel:

Einige von uns fühlen sich in sozialen Stresssituationen bedroht – und diese Reaktion ist mit einer Verkürzung von Telomeren assoziiert. Wir können uns bemühen, solche Situationen positiver wahrzunehmen und zu interpretieren.

Mehrere Mind-Body-Techniken wie Meditation und Qigong bauen nachweislich Stress ab und erhöhen die Konzentration des Enzyms Telomerase, das Telomere regeneriert.

Körperliche Aktivität, die die kardiovaskuläre Fitness fördert, ist gut für Telomere. Wir beschreiben zwei einfache Trainingsprogramme, die nachweislich die Telomer-Instandhaltung verbessern. Diese Programme können auf alle Fitnessniveaus zugeschnitten werden.

Telomere hassen industriell verarbeitete Fleischprodukte wie etwa Würstchen, während frische, gesunde Nahrungsmittel gut für sie sind.

Wohngegenden mit geringem sozialem Zusammenhalt – das heißt Gegenden, in denen die Menschen einander nicht kennen und sich gegenseitig nicht vertrauen – sind schlecht für Telomere. Dies gilt unabhängig vom Einkommensniveau.

Kinder, die unter schweren, womöglich traumatisierenden Entbehrungen leiden, haben kürzere Telomere. Wenn man Kinder aus Situationen starker Vernachlässigung herausholt (wie etwa den berüchtigten rumänischen Waisenhäusern), können die Schäden teilweise rückgängig gemacht werden.

Telomere an den elterlichen Chromosomen in der Ei- und Samenzelle werden direkt auf den Embryo übertragen. Bemerkenswerterweise bedeutet dies, dass Eltern, die aufgrund schwieriger Lebensumstände verkürzte Telomere haben, diese womöglich an ihre Kinder weitergeben. Wenn Sie glauben, dies könnte auch bei Ihnen der Fall sein, sollten Sie nicht in Panik verfallen. Telomere können nicht nur kürzer, sondern auch länger werden. Sie können noch immer etwas unternehmen, um Ihre Telomere stabil zu halten. Und das bedeutet auch, dass Ihre Lebensführung der nächsten Generation ein positives zelluläres Vermächtnis hinterlassen kann.

Den »Telomer-Effekt« bedenken

Bei dem Gedanken an eine gesündere Lebensweise seufzen Sie vielleicht über die vielen Dinge, die Sie hierfür ändern müssten. Doch Menschen, die den Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und ihren Telomeren erkannt haben, sind durchaus zu dauerhaften Verhaltensänderungen in der Lage. Wenn ich (Liz) ins Büro gehe, werde ich manchmal von Fremden angehalten, die mir sagen: »Wie Sie sehen, fahre ich mit dem Rad zur Arbeit – Ich halte meine Telomere lang!« Oder: »Ich trinke keine zuckerhaltigen Getränke mehr. Ich konnte die Vorstellung, was sie meinen Telomeren antun, nicht länger ertragen.«

Wie geht es weiter?

Zeigen unsere Forschungen, dass Sie hundert Jahre alt werden, mit 94 noch Marathon laufen können oder faltenfrei bleiben, wenn Sie Ihre Telomere pflegen? Nein. Die Zellen jedes Menschen altern, und eines Tages sterben wir. Stellen wir uns vor, wir fahren auf einer Schnellstraße. Es gibt die Überholspuren, die Kriechspuren und die Spuren dazwischen. Wir können auf der Überholspur fahren und auf die Krankheitsspanne zurasen. Oder wir fahren auf einer langsameren Spur und nehmen uns mehr Zeit, um das Wetter, die Musik und die Gesellschaft der Person auf dem Beifahrersitz zu genießen. Und selbstverständlich werden wir unsere Gesundheit genießen.

Selbst wenn Sie gegenwärtig auf der Überholspur der vorzeitigen Zellalterung unterwegs sind, können Sie die Spur wechseln. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, wie Sie das schaffen können. Im ersten Teil des Buches erläutern wir ausführlich die Gefahren der vorzeitigen Zellalterung – und warum gesunde Telomere eine Geheimwaffe gegen diesen Feind sind. Wir erzählen Ihnen auch von der Entdeckung der Telomerase, eines Enzyms in unseren Zellen, das die Schutzkappen um Telomere instand hält.

Der restliche Teil des Buches zeigt Ihnen, wie Sie mit Hilfe der Erkenntnisse aus der Telomer-Forschung Ihre Zellen fit halten können. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre mentalen Gewohnheiten und Ihre Lebensführung ändern können – welche Fitnessübungen, welche Ernährung und welche Schlafrhythmen am besten für Telomere sind. Dann stecken wir den Rahmen weiter und werden uns fragen, ob Ihr soziales und physisches Umfeld der Gesundheit Ihrer Telomere zuträglich ist. Sie werden in diesem Buch immer wieder Abschnitte mit der Überschrift »Verjüngungskur« finden, wo wir Ihnen konkrete Ratschläge geben, die Ihnen helfen sollen, vorzeitiger Zellalterung vorzubeugen, und Ihnen die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Empfehlungen erklären.

Der heilige Gral?

Telomere sind ein ganzheitlicher Indikator vieler lebenslanger Einflüsse, sowohl der positiven, regenerativen wie etwa gute Fitness und ausreichend Schlaf, als auch der negativen wie schädlicher Stress, schlechte Ernährung oder Schicksalsschläge. Auch bei Vögeln, Fischen und Mäusen lässt sich ein Zusammenhang zwischen Stress und Telomer-Länge nachweisen. Und so wurde behauptet, die Telomer-Länge sei vielleicht der »Heilige Gral des lebenslangen Wohlergehens« und könne daher als ein globaler Marker der lebenslangen Erfahrungen von Tieren genutzt werden.[7] Wie bei Tieren gibt es auch beim Menschen nicht den einen biologischen Indikator der gesamten lebenslangen Erfahrungen, aber Telomere sind einer der nützlichsten Indikatoren, die wir gegenwärtig kennen.

Durch gezielte Pflege Ihrer Telomere können Sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Leben zu leben, das nicht nur länger, sondern erfüllender ist. Und das ist der eigentliche Grund, warum wir dieses Buch geschrieben haben. Im Verlauf unserer Arbeit über Telomere haben wir zu viele Karas gesehen – zu viele Männer und Frauen, deren Telomere sich zu schnell abnutzten, die in die Krankheitsspanne eintraten, obwohl sie sich eigentlich noch jung und dynamisch fühlen sollten. Zahlreiche exzellente Forschungsarbeiten,...

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