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Die Flexibilisierung des Erwerbsverlaufs

Eine Analyse von Einstiegs- und Ausstiegsprozessen in Ost- und Westdeutschland

AutorSandra Buchholz
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl190 Seiten
ISBN9783531910499
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,99 EUR
Wie flexibel ist heute der Arbeitnehmer in Deutschland? Wer erfährt die größten Nachteile auf dem zunehmend flexibilisierten Arbeitsmarkt? Wie entwickeln sich soziale Ungleichheiten im Flexibilisierungsprozess? Sandra Buchholz geht diesen Fragen mit modernen Methoden der Längsschnittanalyse nach.

Dr. Sandra Buchholz promovierte bei Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld an der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Sie ist dort als Wissenschaftliche Angestellte beschäftigt.

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Leseprobe
Teil 3: Die Flexibilisierung des Erwerbsausstiegs in der Bundesrepublik Deutschland (S. 99-100)

3.1 Vorbemerkungen

Im dritten Teil dieser Arbeit steht der Prozess des Erwerbsaustiegs älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland im Mittelpunkt des Interesses. Aus verschiedenen Gründen ist anzunehmen, dass sich die Situation älterer Erwerbstätiger am Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren grundlegend verändert hat. Ältere verfügen über eine anerkannte und in Deutschland in hohem Maße sozial abgesicherte Alternativrolle außerhalb des Arbeitsmarktes, nämlich die Rolle des Rentners. Die Alternativrolle des Rentners wurde in den vergangenen Jahrzehnten und mit den steigenden Arbeitslosenquoten in Deutschland zunehmend gestärkt, indem der Gesetzgeber umfassende Frühverrentungsprogramme eingeführt hat (vgl. Kapitel 3.2.1).

Die (Früh-) Verrentung älterer und vergleichsweise teurer Arbeitnehmer kann damit als sozial verträgliches Instrument gesehen werden, um Rationalisierungen in Unternehmen zu realisieren, den zunehmend angespannten Arbeitsmarkt zu entlasten und Erwerbsrisiken für die anderen, jüngeren Arbeitskräfte zu reduzieren. Hinzu kommt, dass zu erwarten ist, dass ältere Arbeitnehmer besonders stark von wirtschaftlichem Strukturwandel getroffen wurden und werden. Ihr Anteil in rückläufigen und besonders stark unter Druck geratenen Industrien sowie in „veralteten" Berufen ist sehr hoch (vgl. Kapitel 3.2.2). Die fehlende Infrastruktur für lebenslanges Lernen in Deutschland macht es für ältere Menschen quasi unmöglich, sich an neue Qualifikationsanforderungen anzupassen (Blossfeld und Stockmann 1999, DiPrete et al. 1997).

Ihre Frühverrentung ist deshalb in Deutschland als Instrument zu bewerten, mit dem eine Anpassung an beschleunigten wirtschaftlichen und technologischen Wandel bewerkstelligt wird. Ziel ist es, empirisch zu überprüfen, ob und inwiefern der Erwerbsaustritt von älteren Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und ihr Übergang in die Rente in jüngerer Vergangenheit zunehmend durch personalpolitische und arbeitsmarktpolitische Interessen beeinflusst wurde.

Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Im ersten Schritt soll untersucht werden, ob in Deutschland ein zunehmender Trend zu Frühverrentung und zur beschleunigten Ausgliederung Älterer aus dem Erwerbsleben zu finden ist. Zwar ist bereits durch Ergebnisse aus Querschnittsstudien ersichtlich, dass die Erwerbsbeteiligung Älterer in Deutschland stark zurückgegangen ist (siehe Kapitel 3.2.1, Abbildung 20), jedoch wird durch die Betrachtung von Bestandsgrößen nicht deutlich, ob es zu einem immer früheren Ausscheiden Älterer aus dem Erwerbsleben gekommen ist. Um diese Frage zu klären, wurde hier eine Längsschnittperspektive gewählt (für nähere Erläuterungen siehe Forschungsbeitrag unten).

So soll geklärt werden, ob mit zunehmenden Arbeitsmarktproblemen und verstärktem wirtschaftlichen Wettbewerbsdruck der Erwerbsaustritt älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr flexibilisiert, das heißt nach vorne verlagert wurde. Im zweiten Schritt steht folgende Frage im Vordergrund: Sind bestimmte Gruppen von älteren Erwerbstätigen stärker von Frühverrentung betroffen? Hängt der Zeitpunkt des Erwerbsaustritts davon ab, in welchem Beruf, in welchem Betrieb oder in welcher Branche eine Person beschäftigt ist? Zeigen sich also deutliche Unterschiede zwischen Beschäftigten in Arbeitsmarktsegmenten, die starker Restrukturierung und Rationalisierung unterliegen, und Beschäftigten in Segmenten, die vergleichsweise wenig unter wirtschaftlichem Druck stehen.

Durch die Beantwortung dieser Fragen soll geklärt werden, ob Unternehmen in Deutschland das Frühverrentungsgeschehen immer mehr mitbestimmen und Frühverrentungssysteme zunehmend zu Arbeitsmarktprogrammen umfunktioniert wurden. In der derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion gibt es zwei nebeneinander existierende Erklärungsansätze für zunehmende Frühverrentung, von denen der eine Unternehmen eine zentrale Rolle zuschreibt, während der andere Ansatz betrieblichen Interessen keinerlei Einfluss einräumt (zur genaueren Erläuterung siehe Forschungsbeitrag unten).
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhalt9
Einleitung11
Teil 1: Beschäftigungsflexibilisierung in der Bundesrepublik Deutschland15
1.1 Vorbemerkungen15
1.2 Die Verlagerung von Marktrisiken im Globalisierungsprozess16
1.3 Regulierungen und Deregulierungen am deutschen Arbeitsmarkt21
1.4 Das Ende stabiler Beschäftigung in Deutschland?27
1.5 Entwicklung des Forschungsansatzes: Flexibilisierung an den Rändern des Arbeitsmarktes37
Teil 2: Die Flexibilisierung des Erwerbseinstiegs in der Bundesrepublik Deutschland41
2.1 Vorbemerkungen41
2.2 Erwerbseinstiege und Etablierungsprozesse seit Mitte der 1980er Jahre47
2.3 Exkurs: Beschäftigungsunsicherheit und Geburtenrückgang92
Teil 3: Die Flexibilisierung des Erwerbsausstiegs in der Bundesrepublik Deutschland99
3.1 Vorbemerkungen99
3.2 Erwerbsausstiege in Westdeutschland seit Mitte der 1970er Jahre104
3.3 Erwerbsausstiege in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung133
3.4 Exkurs: Chancen einer erfolgreichen Umkehr des Frühverrentungstrends160
Teil 4: Zusammenfassung und Diskussion172
Anhang182
Literatur186

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