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E-Book

Die Frau ohne Schatten

Die Opern der Welt

AutorHugo von Hofmannsthal, Richard Strauß
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl165 Seiten
ISBN9783849601706
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
Dies ist das Libretto zur Oper Die Frau ohne Schatten. Genießen Sie zum Klang Ihrer Lieblingsoper die Original-Texte auf Ihrem Bildschirm. Einzelne Akte und, falls mehrsprachig, Sprachen lassen sich über das Inhaltsverzeichnis auswählen.

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Leseprobe

Erster Aufzug.


 

 

Auf einem flachen Dach über den kaiserlichen Gärten. Seitlich der Eingang in Gemächer, matt erleuchtet.

 

DIE AMME kauernd im Dunkel.

Licht überm See –

ein fließender Glanz –

schnell wie ein Vogel! –

Die Wipfel der Nacht

von oben erhellt –

eine Feuerhand

will fassen nach mir –

bist du es, Herr?

Siehe, ich wache

bei deinem Kinde

nächtlich in Sorge und Pein!

DER BOTE tritt aus der Finsternis hervor, geharnischt, von blauem Licht umflossen.

Nicht der Gebieter,

Keikobad nicht,

aber sein Bote!

Ihrer elf

haben dich heimgesucht,

ein neuer mit jedem schwindenden Mond.

Der zwölfte Mond ist hinab:

der zwölfte Bote steht vor dir.

DIE AMME beklommen.

Dich hab ich nie gesehn.

DER BOTE streng.

Genug: ich kam

und frage dich:

Wirft sie einen Schatten?

Dann wehe dir!

Weh uns allen!

DIE AMME triumphierend, aber gedämpft.

Keinen! Bei den gewaltgen Namen!

Keinen! Keinen!

Durch ihren Leib

wandelt das Licht,

als wäre sie gläsern.

DER BOTE finster.

Einsamkeit um dich,

das Kind zu schützen.

Vom schwarzen Wasser

die Insel umflossen,

Mondberge sieben

gelagert um den See –

und du ließest, du Hündin,

das Kleinod dir stehlen!

DIE AMME.

Von der Mutter her

war ihr ein Trieb

übermächtig

zu Menschen hin!

Wehe, daß der Vater

dem Kinde die Kraft gab,

sich zu verwandeln!

Konnt ich einem Vogel

nach in die Luft?

Sollt ich die Gazelle

mit Händen halten?

DER BOTE.

Laß mich sie sehn!

DIE AMME leise.

Sie ist nicht allein:

Er ist bei ihr.

Die Nacht war nicht

in zwölf Monden,

daß er ihrer nicht hätte begehrt!

Er ist ein Jäger

und ein Verliebter,

sonst ist er nichts!

Im ersten Dämmer

schleicht er von ihr,

wenn Sterne einfallen

ist er wieder da!

Seine Nächte sind ihr Tag,

seine Tage sind ihre Nacht. –

DER BOTE sehr bestimmt.

Zwölf lange Monde

war sie sein!

Jetzt hat er sie noch

drei kurze Tage!

Sind die vorbei: –

sie kehrt zurück

in Vaters Arm.

DIE AMME mit gedämpftem Jubel.

Und ich mit ihr!

O gesegneter Tag!

Doch er?

DER BOTE.

Er wird zu Stein!

DIE AMME.

Er wird zu Stein!

Daran erkenn ich Keikobad

und neige mich!

DER BOTE verschwindend.

Wahre sie du!

Drei Tage! Gedenk!

DER KAISER tritt in die Tür des Gemaches.

Amme! Wachst du?

DIE AMME.

Wache und liege

der Hündin gleich

auf deiner Schwelle!

DER KAISER tritt hervor, schön, jung, im Jagdharnisch; es dämmert schwach.

Bleib und wache,

bis sie dich ruft!

Die Herrin schläft.

Ich geh zur Jagd.

Heute streif ich

bis an die Mondberge

und schicke meine Hunde

über das schwarze Wasser,

wo ich meine Herrin fand,

und sie hatte den Leib

einer weißen Gazelle

und warf keinen Schatten,

und entzündete mir das Herz.

Wollte Gott, daß ich heute

meinen roten Falken wiederfände,

der mir damals

meine Liebste fing!

Denn als sie mir floh

und war wie der Wind

und höhnte meiner –

und zusammenbrechen

wollte mein Roß –,

da flog er

der weißen Gazelle

zwischen die Lichter –,

und schlug mit den Schwingen

ihre süßen Augen!

Da stürzte sie hin

und ich auf sie

mit gezücktem Speer –

da riß sichs in Ängsten

aus dem Tierleib,

und in meinen Armen

rankte ein Weib! –

Oh, daß ich ihn wiederfände!

Wie wollt ich ihn ehren! –

Den roten Falken!

Denn ich habe mich versündigt gegen ihn

in der Trunkenheit der ersten Stunde:

denn als sie mein Weib geworden war,

da stieg Zorn in mir auf

gegen den Falken,

daß er es gewagt hatte,

auf ihrer Stirn zu sitzen

und zu schlagen

ihre süßen Lichter!

Und in der Wut

warf ich den Dolch

gegen den Vogel

und streifte ihn,

und sein Blut tropfte nieder. –

DIE AMME lauernd.

Herr, wenn du anstellst

ein solches Jagen –

leicht bleibst du dann fern über Nacht?

DER KAISER.

Kann sein, drei Tage

komm ich nicht heim!

Hüte du mir die Herrin

und sag ihr: wenn ich jage –

es ist um sie

und aber um sie!

Und was ich erjage

mit Falke und Hund,

und was mir fällt

von Pfeil und Speer:

es ist anstatt ihrer!

Denn meiner Seele

und meinen Augen

und meinen Händen

und meinem Herzen

ist sie die Beute

aller Beuten

ohn Ende!

 

Schnell ab.

Morgendämmerung stärker, man hört Vogelstimmen.

 

DIE AMME zu einigen Dienern, die sich allmählich um den Kaiser versammelt hatten.

Fort mit euch!

Ich höre die Herrin!

Ihr Blick darf euch nicht sehn!

 

Die Diener auf und hinab, lautlos.

 

DIE KAISERIN tritt aus dem Gemach.

Ist mein Liebster dahin,

was weckst du mich früh?

...
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