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Die Geschichte von William Spavens

Ruheständler aus Chatham, von ihm selbst erzählt

AutorWilliam Spavens
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl148 Seiten
ISBN9783744881395
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
1796 aus der Not geboren, gehört William Spavens' autobiographische Skizze zu den überaus seltenen Zeugnissen einfacher Seeleute, die sich zu tausenden und nicht immer freiwillig in den Dienst Großbritanniens stellten und für die 'Beherrschung der Wogen' Leib und Leben riskiert haben. Geschrieben, um eine schmale Invalidenrente aufzubessern, liefert das Buch eine eher unromantische Beschreibung des Lebens auf einer Nussschale in den Kabbelungen der Geschichte: Schon bald, nachdem der junge Autor sich als neugieriger und wacher Lehrling auf einem Handelsschiff verdingt, gerät er in die Hände eines Presskommandos. Als Rädchen der britischen Seestreitmacht nimmt er am Siebenjährigen Krieg in Nordamerika teil, sagt irgendwann in Fernost der Marine Lebewohl und findet sich in den Fängen der niederländischen Ostindiengesellschaft auf Java wieder. Verzweifelt rettet er sich zurück auf ein Schiff der britischen Marine, aber die Freude dauert nur kurz. Fast genau zehn Jahre nach dem Beginn einer hoffnungsvollen Karriere - seine Beobachtungsgabe und nautischen Kenntnisse lassen darauf schließen - zwingt ihn ein Unfall zu einem ungewollten Leben an Land. Der bemerkenswerte Bericht über den ebenso gewöhnlichen wie abenteuerlichen Alltag auf See gibt Einblicke in eines von so vielen Schicksalen eines einfachen Matrosen im 18. Jahrhundert.

Von William Spavens ist nicht mehr bekannt, als das, was er in dieser kurzen Lebensgeschichte hinterlassen hat: 1735 In der Nähe von Louth in Lincolnshire geboren und aus einfachen Verhältnissen stammend, treibt es ihn mit 21 Jahren auf See, wo er früh gezwungen wird, sich der britischen Marine anzuschließen, aus der er sich entfernt, um Frondienste in Batavia zu leisten. 1764 kehrt er, nach erneuter Flucht, verletzt und seeuntauglich in die Heimat zurück, wo er als Pensionär der Marinekasse eine ganz andere Laufbahn und ein neues Leben beginnt.

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Leseprobe

Die Geschichte des Seemanns


Ich wurde in Stewton, einem kleinen Dorf in der Nähe von Louth, in Lincolnshire geboren. Ich war noch jung, als meine Eltern starben, und ohne Aufsicht, weshalb mich Mr. Gwillam, ein geschätzter Bauer im Ort, in seine Familie aufnahm, wo ich an die drei Jahre lebte und die gütigste Behandlung erfuhr. Einige Jahre später wohnte ich bei einem Bauern in Clee Thorps2. Dort sah ich häufig die Schiffe auf dem Humber vorbeisegeln und dachte, was für glückliche Leute doch Matrosen sein müssen, die solche Gelegenheit haben, fremde Länder zu sehen und die wundervollen Werke des Schöpfers in den entlegenen Gegenden der Welt zu Gesicht bekommen. Ich wußte nichts von den Gefahren und Entbehrungen, denen sie bisweilen ausgesetzt sind. Meine Gedanken richteten sich einzig an die angenehmen Winde und die reichen Reisen, ganz der Neugier ergeben, die meiner innersten Natur zueigen schien. – Solcherart waren meine Gedanken über das Leben der Seefahrt, wobei ich nicht gedachte, es sofort auszuprobieren. Als aber die Zeit um war, für die ich mich bei meinem Herrn verpflichtet hatte, verdingte ich mich bei einem Anderen, über dessen Eigenschaften ich dann so Unvorteilhaftes erfuhr, daß ich mich entschloß, anstatt ihm zu dienen, mein Glück auf dem nassen Element zu versuchen. Ich machte mich daher auf nach Hull, wo mich der Anblick der Schiffe im Hafen entzückte. Und während ich sie so anstarrte, trat ein Gentleman an mich heran und fragte, ob ich Lust hätte, zur See zu fahren. Ich sagte ihm, ich hätte nichts dagegen, sofern ich nur einen Kapitän fände, der mich einstellen wollte. Er nahm mich mit zu ihm nach Hause und wies seinen Sohn an, mir das Schiff zu zeigen, um zu sehen, wie es mir gefalle. Ich ging wirklich mit ihm, aber die Schiffe erschienen mir alle gleich. Es war der Beruf des Matrosen, der mein Interesse geweckt hatte, und es war mir gleichgültig, auf welchem Schiff ich fahren würde. Wir kehrten rasch zurück, und ich nahm die Bedingungen, welche man mir unterbreitete, bereitwillig an, obwohl der Gentleman mir riet, eine Reise probeweise zu machen. Ich sagte ihm, das sei nicht nötig, ich hätte meine Entscheidung schon getroffen und nur den Wunsch, der Lehrbrief möge so schnell wie möglich ausgefertigt werden, was dann auch geschah. So wurde ich am 19. Mai 1754 Lehrling bei Mr. Charles Wood, Schiffsführer und Haupteigner der Schnau3 Elizabeth and Mary, Heimathafen Hull. Zwei oder drei Tage später setzten wir Segel nach Narva in Rußland. Ich schätzte mich nunmehr glücklich, meine Wünsche soweit verwirklicht zu haben, daß ich unterwegs war; aber ich stellte schnell fest, daß über die geschönten Aussichten meines eingebildeten Glücks dunkle Wolken aufzogen, denn den folgenden Tag wurde ich krank, dachte aber, daß es nur die Seekrankheit wäre. Tatsächlich zeigte sich, daß es sich bei meinem Unwohlsein um die Blattern handelte, allerdings in einer so leichten Form, daß ich mich binnen fünfzehn Tagen, als wir unseren Bestimmungshafen erreichten, in einem Zustand befand, der es mir erlaubte, die zugewiesenen Pflichten zu erfüllen, und ich wurde weitgehend zum Kochen herangezogen. Weil aber der Zimmermann das Schiff kalfatern wollte, befahl man mir, den Pechkessel anzuheizen – etwas, das man nicht an Bord tun durfte, denn wir lagen am Kai mit Lagerhäusern aus Holz, die brennbare Güter enthielten. Daher stieg ich auf einen Hügel in der Nähe, auf dessen Anhöhe sich eine mit Wasser gefüllte Senke befand. Weil das Pech in Brand geriet, lief ich zum Gipfel hinauf und füllte meinen Hut mit Wasser, das ich auf den brennenden Kessel schüttete, der jetzt noch wütender brodelte, sodaß jemand von der Besatzung kam, um das Feuer zu löschen, denn wenn es von den Fitzhookern, einer Art Zollbeamte, gesehen worden wäre, wäre ich von ihnen möglicherweise streng bestraft worden. – Narva ist ein großer Ort am Finnischen Meerbusen. Die hauptsächlichen Güter, die von hier ausgeführt werden, sind Flachs, Holz und Getreide. In einiger Entfernung oberhalb der Stadt befindet sich ein außergewöhnlicher Wasserfall an einer Stelle, wo der über hundert Fuß breite Fluß an die zwölf Fuß senkrecht abfällt. Man hört seinen Lärm noch in einigen Meilen Entfernung. Oberhalb des Wasserfalls liegt eine Sägemühle, bei der das den Fluß heruntergeflößte Holz festgehalten, zu Balken, Planken und Bohlen gesägt und zum Fluß unterhalb des Wasserfalls befördert wird, von wo man es zum Meer hinausschleppt, wo es die Schiffe auf der Reede an Bord nehmen.

Da dies meine erste Reise war und in einem so frühen Stadium meines Lebens, kann man nicht erwarten, daß ich viel über diesen Ort erfuhr, noch daß ich mich mit den Umgangsformen und Gewohnheiten seiner Einwohner vertraut machte. Ich werde mir daher dergleiche Dinge für einen zweiten Teil meines Berichts aufsparen, in dem meine Leser sie kurz abgehandelt finden, sei es nach meinen eigenen Eindrücken oder aufgrund von Mitteilungen jener, auf deren Glaubwürdigkeit ich meinte, vertrauen zu können. An dieser Stelle beschränke ich mich aber auf die Ereignisse an Bord oder jene Abenteuer an Land, die meinem jungen und unerfahrenen Geist begegneten.

Meine nächste Reise führte nach Göteborg in Schweden, wo wir eine Ladung Eisen und Bohlen übernahmen. Hier fanden wir einen ausgezeichneten Hafen vor, der sich außerhalb des Sunds liegend gut für den Überseehandel eignet. In dem Land gibt es viele Silber-, Kupfer- und Eisenminen. Der Export umfaßt Bretter, Schießpulver, Leder, Eisen, Kupfer, Talg, u.dgl. Der Fischfang erfreut sich so großer Mengen an Hering, daß wir zwei für einen Stüber4 kauften.

Auf unserer Heimreise hatten wir starken Sturm, der acht Tage anhielt, sodaß unser Schiff oft eine schwere See übernahm; alles, was nicht fest war, wurde von Deck gespült. Wir konnten die ganze Zeit über kein Feuer machen und ernährten uns von rohem Fleisch, weshalb der Schiffer ausrief, ein Mann wäre besser ein Fisch als ein Matrose, außer wenn er einmal an Land ist. Wenn ein so der See verbundener Mann derartige Gedanken hegte, was mußte dann ich, der nie zuvor solche Entbehrungen gelitten hatte, unter solchen Umständen denken? Die Gefahren, denen die armen Seeleute oft ausgesetzt sind, sind wirklich fürchterlich! Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Mr. Herveys Beschreibung eines Sturms anzuführen, denn so oft ich die rauhe Behandlung durch brüllende Winde und wütende Wogen erfahren mußte – ich vermag dennoch die Bedrängnis, in welche sie Einen bringen, nicht in solch starke Worte zu fassen. „Schiffe“, so sagt er, „werden von ihren Ankern losgerissen und samt ihrer Ladung geschwind wie Pfeile, wild wie die Winde, in den weiten Schlund gewirbelt. – Einmal steigen sie den rollenden Berg hinan, sie durchpflügen den schrecklichen Kamm und scheinen über den Himmel zu streichen. Dann wiederum stürzen sie hinab in den sich öffnenden Abgrund. Weder sehen sie das Tageslicht, noch werden sie selbst von irgendjemand gesehen. Wie vergeblich sind die Künste des Lotsen! Wie machtlos die Kraft des Seemanns! Sie werden hin und her geworfen und taumeln in den scheppernden Laderaum oder klammern sich an das Tauwerk, während Brecher über das Deck stürzen. Verzweiflung steht in jedem Gesicht, und der Tod hockt bedrohlich auf jeder Flut.“ Folglich ermahnt er sie, den Allmächtigen um Schutz anzuflehen, dessen Macht allein sie retten kann – es ist ihre einzige Zuflucht – , ihr letzter Versuch, ewiges Heil zu erlangen, gleicht aber der Reue auf dem Todeslager; wie ernst es ihnen dabei ist, vermag nur der zu beurteilen, der die Herzen erforscht5.

Ich hatte Gelegenheit zu beobachten, daß Matrosen, wenn sie sich in solcher Not befinden, kaum hoffen, ihr Leben zu retten. Sie verfluchen die Elemente, beginnen zu beten und leisten die ernsthaftesten Schwüre der Besserung, die in der Regel vergessen sind, sobald das Unwetter vorbei ist. Aber zur Ehre meiner Brüder Teerjacken muß ich wahrhaftig feststellen, daß ich im Dienst vielen menschenwürdigen und ehrenwerten Persönlichkeiten begegnet bin, von denen ich jeden Grund zur Annahme habe, daß sie es weder an ihrer Pflicht gegenüber Gott noch ihren Mitmenschen haben fehlen lassen.

Meine nächste Reise brachte mich nach Havre de Grace6 mit einer Ladung Blei. Während unseres Aufenthalts dort verbreitete sich die Nachricht, ein Bruch zwischen England und Frankreich stehe bevor, woraufhin ein Franzose bemerkte, seine Landsleute seien so zuvorkommend zu den Engländern, daß sie ihnen ihr Blei abkauften, um es ihnen umsonst zurückzugeben, worauf die Antwort lautete, die Engländer seien ein so großzügiges Volk, daß sie diese Gefälligkeit ohne Zweifel mit Zinsen zurückerstatten würden.

Bei unserer Rückkehr kamen wir nicht durch die Downs7 und trachteten, die Reede von Yarmouth zu meiden, um der Presse8 zu entgehen. Weil sich der...

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