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E-Book

Die Gitarre in Österreich

Von Abate Costa bis Zykan

AutorStefan Hackl
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783706557061
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Gemessen an der Rolle der mediterranen und lateinamerikanischen Länder für die Entwicklung der klassischen Gitarre scheint jene Österreichs relativ unbedeutend. Bei näherer Betrachtung der Geschichte finden sich allerdings doch einige wesentliche Beiträge: in der Lautenmusik des 16.-18. Jahrhunderts (von Newsidler bis Losy), in der ersten Blütezeit der sechssaitigen Gitarre im 19. Jahrhundert (von Diabelli bis Mertz), bei der Renaissance des Gitarrenspiels im beginnenden 20. Jahrhundert (Götz und Ortner) bis zu den bedeutenden Persönlichkeiten der jüngeren Vergangenheit (Scheit, Walker). Schwerpunkt des Buches ist die Ära der klassischen Gitarre von ihrer ersten Hochblüte um 1800 bis zur Nachkriegszeit, von den Auftritten des Abate Costa bis zum Gitarristenbund um Otto Zykan. Nachdem die Aneignung des Repertoires historischer Zupfinstrumente gerade in Österreich eine wichtige Rolle spielte, wird auch die Geschichte der Laute, Barockgitarre und Mandora kurz dokumentiert. Ebenso werden die Randgebiete der klassischen Gitarre, ihre Verwendung in Volks- und Popularmusik einbezogen.

Dr. Stefan Hackl, geb. 1954, hauptberuflich Gitarrenlehrer am Tiroler Landeskonservatorium, Lehrbeauftragter an der Universität Mozarteum Salzburg/Standort Innsbruck, gehört als Autor zahlreicher Fachartikel und Notenausgaben bei bedeutenden internationalen Musikverlagen zu den wichtigsten Experten auf dem Gebiet der klassischen Gitarre.

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Leseprobe

Österreichische Lautenisten im 16. Jahrhundert


Die ersten in Österreich gedruckten Lautenbücher stammen von Hans Judenkunig:

Utilis et compendiaria introductio, qua ut fundamento iacto quam facillime musicum exercitium, instrumentorum et lutine, et quod vulgo Geygen nominant, addiscitur, Wien ca. 1515/1519, und

Ain schone kunstliche Underweisung in disem Büechlein, leychtlich zu begreyffen den rechten Grund zu lernen auff der Lautten und Geygen, Wien 1523.

Judenkunig wurde vor 1450 in Schwäbisch Gmünd geboren und verbrachte wohl die letzten Jahrzehnte seines Lebens in Wien, wo er 1526 „in hohem Greisenalter“ starb. 1518 wurde sein Name erstmals im Gedenkbuch der Fronleichnam-Bruderschaft bei der Wiener Domkirche angeführt: „Hans Judenkünig lutenist“. Er lebte inmitten einer Kolonie von deutschen Kaufleuten im „Köllnerhof “, in unmittelbarer Nähe der alten Universität. In diesem Umfeld hatte er wohl seine Schüler und Kunden, wie der lateinische Titel seines ersten Buches vermuten lässt. Die introductio – eine Einführung in die Anfangsgründe der Musik und der instrumentalen Kunst – ist ganz vom humanistischen Geist der damals in Wien vorherrschenden Schule Konrad Celtis’ getragen.

Die musikalischen Beispiele bestehen aus „wohlbekannten deutschen Liedlein“, Tänzen (darunter auch Anleihen beim italienischen Lautenisten Joan Ambrosio Dalza, Rom 1508) und präludienartigen Instrumentalstücken („priameln“) in aufsteigender Schwierigkeit, erläutert durch ein ausgeklügeltes System des Lagenspiels („rechte kunstliche Applikatz“).

Der zweite Teil der Underweisung enthält eine allgemeine Musiklehre mit Anweisungen und Regeln für den Lautensatz und ist damit eines der wichtigsten frühen Dokumente für die Intavolierung von Vokalmusik.

Auf dieser Tradition fußen auch die Lautenbücher von Hans Newsidler:

Hans Newsidler wurde nach eigenen Angaben (am Ende seines ersten Lautenbuchs) in Pressburg (heute Bratislava) geboren, wahrscheinlich 1508 oder 1509. Der Familienname deutet auf deutsche Kolonisten im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet beim Neusiedler See. Im Jahre 1530 kam Hans Newsidler nach Nürnberg, wo er ein Jahr später den Bürgereid ablegte. Seine Biographie zeugt von wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die schließlich mit der Veräußerung seines Anwesens endeten. Die große Kinderzahl – dreizehn aus der Ehe mit Margarethe Regenfus und vier aus der Ehe mit Walpurg Wittig – mag ihren Teil dazu beigetragen haben. Der Erfolg seiner insgesamt acht Lautenbücher, die in den Jahren 1536 bis 1549 in Nürnberg erschienen und in mehreren europäischen Städten nachgedruckt wurden, reichte für ein unabhängiges Dasein offenbar nicht aus. Hans Newsidler starb 1563 in Nürnberg.

Hans Newsidlers Lautenbücher sind wie jene Judenkunigs für das Selbststudium konzipiert und enthalten Intavolierungen von Vokalmusik aus dem Umkreis der Innsbrucker Hofkapelle (Senfl, Isaac, Hofhaymer) ebenso wie französische Chansons und italienische Madrigale, daneben Preambeln und Tänze deutscher und italienischer Provenienz.

Ein Gassenhauer aus dem ersten Lautenbuch, in geschlagenem Stil wie auf der Gitarre üblich („mit durchstraichen“), taucht 1913 in Eduard Kremsers Album Wiener Lieder und Tänze auf mit dem Vermerk, dass er noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Wiener Gegend getanzt wurde. So machte Newsidler die Volksmusik seiner Heimat in Deutschland bekannt.

Sein Lautenstil zeugt von profunder Technik und hohem satztechnischen Standard.

Von Hans Newsidlers Kindern wurden zumindest zwei Berufsmusiker, die Lautenisten Conrad Newsidler (1541– bis nach 1604) und Melchior Newsidler (ca. 1531–1591).

Von Conrad, der seit 1562 in Augsburg wirkte, sind nur handschriftlich überlieferte Stücke erhalten, Melchior veröffentlichte zwei Bücher im Druck:

Intabolatura di Liuto, 2 Bände, Venedig 1566

Teutsch Lautenbuch, Strassburg 1574.

Melchior Newsidlers Stücke sind technisch noch anspruchsvoller als jene seines Vaters und musikalisch mehr von italienischem Einfluss geprägt.

Melchior Newsidlers Gastspiel an der Innsbrucker Hofkapelle war nur kurz und kurios: 1580 lehnte er das Angebot wegen zu geringen Lohns und Kostgelds ab („da ich nun uber ein Malzeit mehrers nit dan ein halbe Maß Weins zu tringen begerte…“)4 und trat erst ein halbes Jahr später den Dienst an. 1581 wurde er wegen eines Verstoßes gegen die Fastengebote bestraft und (wohl deshalb) kurz darauf entlassen. Ein Kurzaufenthalt in Innsbruck ist auch aus dem Jahre 1551 belegt.

Simon Gintzler (ca. 1490–1550) stammte wahrscheinlich aus Südtirol und war Hoflautenist des Kardinal-Fürstbischofs von Brixen, Christoforo di Madruzzo. Von ihm ist ein Band in italienischer Tabulatur Intabulatura di Lauto (Venedig 1547) überliefert, vier Stücke Gintzlers wurden von Hans Gerle übernommen (Eyn Newes sehr kunstlichs Lautenbuch, Nürnberg 1552, Reprint Tree Edition, München 1989). Gintzlers Werk umfasst sechs Ricercari und eine Reihe von Intavolationen vokaler Werke u.a. von Arcadelt, Josquin, Senfl, Verdelot und Willaert. Stilistisch steht Gintzler für eine Verbindung von deutscher und italienischer Lautenmusik.

Valentin (Greff) Bakfark5 zählt zweifellos zu den bedeutendsten Lautenisten des 16. Jahrhunderts. Er wurde 1507 (manche Quellen sprechen von 1527) in Kronburg (Siebenbürgen) geboren und erhielt seine Ausbildung am Hofe des ebenfalls aus Siebenbürgen stammenden Adeligen und späteren ungarischen Königs Johann Zápolaya. Adolf Koczirz vermutet, dass Bakfark Schüler des italienischen Lautenisten Antonio Rotta in Padua gewesen sein könnte6. 1549 wurde er Lautenist des polnischen Königs Sigismund August II.. Nach mehreren Reisen über Deutschland nach Italien und Frankreich (1552 erschien sein erstes Lautenbuch in Lyon) wirkte er von 1554 bis 1565 wieder in Polen (Königsberg, Wilna). Ab 1566 war er kaiserlicher Lautenist in Wien, 1570 kehrte er nach Siebenbürgen zurück und übernahm die Stelle seines Bruders Mihál als Hoflautenist. 1576 starb er in Padua an den Folgen der Pest.

Seine Werke gehören zu den anspruchsvollsten Kompositionen für die Laute: zehn Fantasien, acht Chansons, sieben Madrigale und vierzehn Motetten (u.a. von Orlando di Lasso, Nicolas Gombert, Thomas Crequillon) – alle in konsequenter Polyphonie und vollgriffigem Satz. Dass nur relativ wenig von Bakfark gedruckt wurde, liegt vermutlich an den enormen technischen Anforderungen seiner Werke. Die Erstausgaben (Intabulatura Valentini Bacfarc Transilvani Coronensis, Lyon 1552 und Valentini Greffi Bakfarci Pannoni Harmoniarum Musicarum in Usum Testudinis, Krakau 1565) wurden mehrmals an verschiedenen Orten nachgedruckt. Einzelne Stücke erschienen in den Lautenbüchern wichtiger Zeitgenossen wie Matthäus Waissel, Jean Baptiste Besarde, Adrien Le Roy, Pierre Phalese, Giulio Cesare Barbetta und Benedikt Drusina.

Neben diesen Werken prominenter Lautenkomponisten aus dem Gebiet der Donaumonarchie verzeichnet RISM7 weitere 75 Lautentabulaturen in österreichischen Archiven – von Bedeutung sind vor allem jene der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, der „Grafen Goëss’schen Primogenitur-Fideikommiss-Bibliothek“ in Ebenthal sowie der Stiftsbibliotheken von Kremsmünster und Göttweig. Es sind größtenteils Sammlungen von Stücken verschiedener, meist unbekannter Autoren. Die wichtigsten davon sind die Tabulaturhandschriften von Stephan Crauß aus Ebenfurt bei Wiener Neustadt, die Handschrift aus Wolkenstein-Rodenegg, die Lautenbücher des Jakob Thurner (um 1520), Jörg und Octavianus Fugger und das „Linzer Lautenbuch“.

Galliarda von Graff vom Schwartzenburg und der Beginn von John Dowlands Fortune, Abschrift aus einem Lautenbuch aus Aurolzmünster (ca. 1620) von Sepp Bacher (mit freundl. Genehmigung von Johannes Bacher)

Lautenspiel im 17. und 18. Jahrhundert


Bis zum zweiten Lautenbuch Bakfarks 1565, in dem erstmals sieben Saitenchöre vorgesehen sind, kennen wir ausschließlich Tabulaturen für die sechschörige Laute und finden nur selten den „Abzug“, wie man die Skordatur des tiefsten Chores nannte. Um 1600 wurde der Tonumfang sukzessive erweitert, und speziell für die Begleitpraxis entwickelten sich zahlreiche Varianten. Hippolyt Guarinoni, ein Universalgelehrter, Arzt und Schriftsteller aus Hall bei Innsbruck beschreibt schon 1610 das Spiel auf der Theorbe, das damals gerade in Mode kam und das er auch selbst beherrschte8.

Die Hochkultur der Laute spielte sich nach wie vor im...

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