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E-Book

Die hämmernde Front

Heldenkämpfe vor Verdun

AutorGeorg Queri
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl110 Seiten
ISBN9783745002010
Altersgruppe1 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Entgegen Schönrednern und Fabulierern der Tageszeitungen zeichnet Georg Queri als Kriegsberichterstatter ein realistisches Bild der Front. Er stemmt sich gegen wirklichkeitsferne Propaganda und übermittelt stattdessen den Kampf des 'einfachen' Soldaten. Dafür wird Georg Queri einer von ihnen und ist fortan mit dabei. Ob vor Verdun, an der Somme oder vor Bouchavesnes. Eindrucksvoll beschreibt der Autor die harten Kämpfe.

Bayerischer Schriftsteller und Kriegsberichterstatter.

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Leseprobe

Soldaten im Walde


Westlich der Maas, Karsamstag 1916.

Ein ungefedertes serbisches Korbwägelchen, das ebenso zierlich wie gebrechlich aussieht, aber es hüpft über Pfützenlöcher, ohne zu bersten, und die beiden wunderschönen russischen Beutefüchse davor reißen es in scheuem Ausbrechen durch ein Granatloch, ohne dem Gefährt ein Rad abspenstig machen zu können. Ich halte mich hüben und drüben fest und kann nur dann und wann einen

Blick in die hübsche wellige Landschaft werfen; die Kolonnen, die da ziehen, interessieren mich mehr: Menschen und Gäule in fester Disziplin zusammengeschweißt. Nie dürfen diese Straßen einsam werden, solange da vorne gekämpft wird. Sie sind verbeult, verlöchert und verschlammt; jeden Tag muß der Schipper ihre Wunden heilen und jeder Tag bringt neue Schrammen. Und jeden Tag schleppen sich unendliche Lasten vor. Und jeden Tag trieft der Regen,

Der endlose Regen.

„In Serbien hintn,“ sagt mein Fahrer plötzlich zu mir, „in Serbien hintn is‘s viel schöner gewesn. Ahhh, der guate Schweinsbraten z‘Serbien hintn. Und an Wein hat‘s geben und Weintrauben. Dreck schon auch, aber net so vül, als wie z‘Malancourt hintn. Mei Liaber, weil da net wenig Dreck is!!“

Ein Prachtkerl, Bauernknecht aus dem Chiemseegebiet. Er horchte erfreut auf meinen bayerischen Dialekt, griff ins heimatliche Du hinüber und machte mir sein Herz weit auf. „Und so wild ham fein die Serbischen gwiß net gschossn als wie die Französischn. Gar koa Idee. Und grad lustig is‘s gwesn: wannst auf d‘Nacht nix z‘essn ghabt hast und koa Quartier net, dann ham ma halt gschwind a Dorf gstürmt, net wahr? — Und dann hat‘s an schön“ Schweinsbratn gebn, mei Liaber, und Gans und Antn grad gnua. Was halt das Herz begehrt, net wahr.“

Schon wieder denkt er nachschwelgend an die serbischen Genüsse; dann schimpft er: „Mei Liaber, aso a Dreck, als wia z‘Malancourt hintn! Ih muaß alleweil füri

fahrn, net wahr, und‘s Sach nachbringa. Und da heißt‘s fest neinhaun alls d‘Roß, wann ma über dassell Grundstück kimmt. Wia‘s da kracht und wettert und donnert! Da schiassn s wehleidig hin, die Spitzbuam . . . „

Klingt“s drollig? Vielleicht. Trockene Bauernart, Erzählung im Extrakt, Ausschaltung des tief innerlich Erlebten.

Aber die Einzelheiten dieser Waldkämpfe sind ernsthafter, bedrückend. „Dasselbige Grundstück“ — ein Straßenteil, auf dem die Menschen um ihr Leben rennen, das sie in den Kampf tragen wollen oder das sie als Heimkehrende gerettet haben; man peitscht hier die Gäule zum Galopp; die Verwundetenautos rasen. Aber wenn die trommelnden Granaten es wollen, dann liegen tote Fahrer neben toten Rossen. Die Bahn frei! Und furchtlose Menschen greifen zu und Pickel und Schaufel hacken und scharren und flicken den Nerv, ohne den die Armee nicht leben kann.

Vom „wehleidigen Schießen“ sprach der Chiemgauer. Ein Sperrfeuer, ein prasselnder Trommelwirbel der Siebeneinhalbzentimetergeschütze, dröhnender, mächtiger und brutaler wie Donnerschlag. Dann sprechen wieder die langen Rimailhos und lassen weithin die Ackererde zusammenschrecken.

Der Karfreitag gestern ging so schrecklich wie er kam.

Es tobte aus breiter Front. Von den Argonnen her über bis zur Maas wütete ein Feuer, das unsere Artilleristen auch in der Champagne nicht erlebt hatten. Es gab kaum Pausen, kaum Abschwellungen; aber Steigerungen, die eine Unzahl von Geschützen plötzlich zu Maschinengewehren umzuwandeln schienen. Nein,

manchmal war das Hämmern viel, viel rascher, wahnwitzig. Ich war in einer Baracke mit einer Gruppe von Offizieren, die Flandern und Rußland und Serbien miterlebt hatten; sie lauschten staunend auf. Wir gingen hinaus und horchten in den Lärm hinein, der alles andere schweigen machte.

Nah im Süden die Front, die Dörfer und Wege dahinter im tollen Feuer. Ein Langgeschütz drängte näher und warf einige schwere Kaliber auf das Zufahrtsgelände. Die Granaten winselten höhnisch, schlüpften in den Schlamm und wirbelten ein Ackerstück auf.

Und der Regen troff.

Abgelöste Soldaten kamen vom Malancourtwalde her. Gelb von den Stiefeln bis zur Mütze. Lehm und Lehm und Lehm. Heut war die Kruste über den Kleidern und an den Händen dünner als sonst, sie hatten sich wieder durch tiefes Wasser schleppen müssen. Es löste auf langen Wegen einen Teil der Last, die immer schwerer in den grundlosen Laufgraben zog.

Starr siehst du diese Menschen an. Der Krieg war mit dem Helden nicht zufrieden, er verlangte den Dulder dazu.

Ein Leben und Kämpfen in Schlamm und Wasser hüben wie drüben. Ein neutraler Norweger vom Stavanger „Astenblad“ war im vordersten Graben vor Verdun. So behauptet er nämlich. Einladung der französischen Regierung. Begleiter: ein Generalstabshauptmann. Es gibt französische Hauptleute mit wunderschön glänzenden Lackstiefeln. Fragt unsere Leute in den Wäldern von Malancourt und Avocourt! Unsere Offiziere schämten sich sehr — sie starrten vor Schmutz, als sie diese glänzenden Leute aus den Unterständen herausfingen. Sie begriffen diese Salonsauberkeit nicht.

Norweger, Norweger, wie sahen deine Stiefel damals aus? Oder dein vorderster Graben? ——

*

Der Oberstleutnant Perrier hatte seinem 111. Regiment eine Gabe an die Front gebracht. Eine Kiste voll des hübschen Croix de fer am grünroten Bande. Auf dem Mittelstück des Kreuzes sieht man die Göttin der Republik, kehrseits die Inschrift 1914 - 1916.

Bis 1916.

Poincare ist also doch der Ansicht, daß es genug sei, reichlich genug. Und die Südländer, aus denen das 111. Regiment besteht, sind bestimmt dieser Ansicht. Die von Nizza freuen sich auf ihr blaues Meer, die Marseiller zunächst auf den Augenblick, da kein Engländer mehr seine Uniform in ihrer Stadt und in ihren Familienwohnungen spazierenträgt. Ich kann das ruhig behaupten, weil das 111. Regiment gefangen ist und weil die Nizoisen wie die Marseiller recht offenherzige Dinge erzählen.

Aus den umfangreichen Ordensverleihungen konnte nichts werden. Am 20. März, in tiefster Nacht, erschien der Vizefeldwebel Michael Steiner, ein Pfälzer Zimmermann, im Unterstand des französischen Regimentsstabes und ließ seine Taschenlaterne aufleuchten.

Ein Hund fiel ihn an, ein Schäker, der den Browning nicht kannte und nicht die Handgranaten im Gürtel. Der Stab ergab sich mit seinen 29 Ordonnanzen. Weit schwieriger war die Aufgabe des Vizefeldwebels, zwei zäh weiterfeuernde Maschinengewehre im Wald zu erledigen. Eine Anzahl Infanteristen schoß noch mit und der deutsche Angreiferzug hatte nur sechs Gruppen. Sie schleppten alle Handgranaten und pürschten sich von Trichter zu Trichter vor.

Es gelang, es gelang.

Der Pfälzer erhielt vor ein paar Tagen das Eiserne Erster. Die Division hat sich in diesen schweren Tagen eine Anzahl von Auszeichnungen erworben, die der Deutsche Kronprinz eigenhändig verteilte. Aber mancher der Prachtmenschen fehlte beim Aufruf. Zwei Leutnants darunter, die nach dem atemlosen Sturmlauf eine Pause eingelegt hatten, als sie den Waldrand erreicht hatten und über Wiesen das Straßenbild von Avocourt nach Esnes vor sich sahen. Froh zündeten sie sich ihre Zigarren an — da kam der Tod aus den Büschen.

Es erzählen sich diese Kampfhandlungen wohl reichlich glatt; aber die Summe von Mut und Kraft und Können beschreibt sich nicht so leicht. Man mag sich einiges ausdenken: jäh bricht das Trommelfeuer ab — der Augenblick des Sturmes setzt ein. Die Flammenwerfer springen mit der schweren Last ihrer Bütten aus den Sappen, eilen über die offene Strecke und schütten Ströme von Feuer und Rauch in den ersten feindlichen Graben. Ihnen muß sich der Graben ergeben, denn

die erste Sturmwelle flutet an ihnen vorüber in die nächste Linie. Wieder eine Welle; der Feind hat sich etwas aus der Betäubung aufgerungen, in die ihn das

Trommelfeuer warf. Schon tacken seine Maschinengewehre und die Infanterie schießt dazwischen. Um jeden Preis müssen diese Maschinengewehre niedergekämpft werden. Sie werden umgangen, umstellt und aus Löchern und Pfützen mühen sich tapfere Kerle, ihnen mit Handgranaten beizukommen.

Im ganzen Wald ein Tosen, Schreien und Heulen.

Die feindliche Artillerie ist zu Hilfe gekommen und legt Sperrfeuer auf unsere hinteren Linien, um etwa notwendige Ersatztruppen abzuschneiden. Schon sind die Telephondrähte von Granatfetzen durchrissen und Stafettenläufer müssen durch Schlamm und Tod und Teufel die Verbindung aufrechterhalten. Fünfmal setzt ein Gefreiter im Schrapnellhagel über den Forgesbach, fünfmal kehrt er zurück. Jetzt bricht er zusammen. In völliger Erschöpfung stammelt er seine Meldung „Handgranaten über Sappe 5 vor . . .“

Mit den Patronenkisten war ein Paket in die Linien vorgekommen, das die Königin an die Front geschickt hatte. Eine 28-Zentimeter-Granate warf schwere Fetzen nach der Liebesgabe, als sie dicht hinter den östlichen Sappen landete. Ein Brief in dem Paket: „Der König denkt euer und eurer heißen Arbeit in siebzig Gefechten. Das Vaterland erwartet von euch Sieg . . . Sieg!

Und der Kampf beginnt.

Eine Minensprengung mit starker Ladung soll ihn am östlichen...

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