3. Eines erbitte ich
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil,
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
Wenn die Übeltäter an mich wollen,
um mich zu verschlingen,
meine Widersacher und Feinde,
sollen sie selber straucheln und fallen.
Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert,
so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht;
wenn sich Krieg wider mich erhebt,
so verlasse ich mich auf ihn.
Eines erbitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:
dass ich im Hause des Herrn
bleiben könne mein Leben lang,
zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn.“
(Psalm 27,1-4)
Dieser herrliche Psalm wurde von Einem geschrieben, der den Thron von Israel erlangt hatte. Doch in Vers 4 sagt uns David, dass es nur Eines in der Welt gab, was er vom Herrn begehrte. Könige hatten zu dieser Zeit zwei Wünsche: Einer war, ihr Territorium auszuweiten und der andere war die Anhäufung von Reichtum. Israel war noch keine sehr große Nation, noch war David ein sehr reicher König. Doch sein Gebet zielte nicht auf die Ausdehnung dieser beiden Bereiche. Auch wenn die Feinde sich wider ihn lagern, erklärt er, besteht sein erstes Verlangen darin, in der Gegenwart des Herrn zu wohnen und seine Schönheit zu betrachten (V. 3-4). Und er fügt hinzu, dass er ein Leben lang danach begehren würde. Es ist das Bild einer Geliebten, die in der Gegenwart ihres Liebhabers sitzt, seine Schönheit betrachtet und nichts anderes in der Welt begehrt. Es gibt nicht einmal einen Bedarf für Gespräche – so groß ist ihre Liebe füreinander. Menschen, die eine solche Liebe erfahren haben, werden wissen, wie treffend dieses Bild ist.
Ich glaube, dass wir hier einen Grund haben, warum David in der Bibel ein Mann nach Gottes Herzen genannt wird. Er war kein vollkommener Mann. Er fiel zu einer bestimmten Zeit in seinem Leben tief in Sünde, indem er sowohl Ehebruch als auch Mord beging. Doch als er Buße tat, vergab ihm Gott, reinigte ihn, zog ihn aus den Tiefen des Versagens heraus und bezeichnete ihn dennoch als Mann nach Gottes Herzen (Apg 13,22). Ein Grund dafür war, wie wir gerade gesehen haben, eine intensive Liebe für seinen Herrn tief im Herzen Davids. In 1. Samuel 16,7 sagt Gott deutlich, dass er auf das Herz des Menschen schaut, und es ist nicht ohne Bedeutung, dass diese Worte tatsächlich in Bezug auf David gesprochen wurden. Liebe für den Herrn ist somit eine weitere, höchste Priorität im christlichen Leben.
Daher ist die Liebe unser Thema und wir werden es unter drei Überschriften betrachten. Erstens werden wir sehen, dass die Liebe die Grundlage für Gottes gesamtes Handeln mit dem Menschen ist. Dann werden wir sehen, dass Liebe das Motiv unserer Hingabe sein soll. Schließlich werden wir uns die Liebe als den wahren Test unserer Geistlichkeit anschauen.
Liebe – die Grundlage von Gottes gesamtem Handeln mit dem Menschen
Genauso wie wir im ersten Kapitel damit begannen, die Grundlage unseres Glaubens zu betrachten, so muss es auch hier klar sein, dass wir ein solides Fundament für unsere Liebe zum Herrn brauchen. Diese Grundlage ist und kann nichts anderes als seine unveränderliche Liebe zu uns sein. „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1Joh 4,19). Viele Christen machen später in ihrem Leben Schwierigkeiten durch, weil sie von Anbeginn an in diesem Punkt nie Klarheit hatten. Bereits am Anfang unseres christlichen Lebens müssen wir diese Grundlage stark verankern. Nur dann können wir weiter voranschreiten.
Als Gott diese Erde und den Menschen darauf erschuf, war es seine Absicht, dass alles, was in der Welt war, in einer Atmosphäre der Liebe leben und sich bewegen sollte. Sogar der Gehorsam, den er vom Menschen begehrte, war nicht der Gehorsam von Knechtschaft, sondern von Liebe. Da es im wahrsten Sinne des Wortes keine Liebe ohne Entscheidungsfreiheit geben kann, stattete Gott Adam mit einem Willen aus, der frei entscheiden konnte, auch wenn es das große Risiko einer falschen Entscheidung – dass der Mensch ihm den Gehorsam verweigert – beinhaltete. Gott wollte mit dem Menschen eine Beziehung haben, die auf freier Entscheidung basierte, koste es was es wolle. Er wollte vom Menschen niemals einen sklavischen Dienst. Er wollte es damals nicht und er will es heute nicht.
Wir sehen, dass sich dieses Bild der Liebe, das Gottes Handeln mit der Menschheit bestimmt, durch die ganze Bibel zieht. In diesem Zusammenhang wollen wir uns zuerst zwei Hinweise auf das Wort „Liebe“ in der Bibel anschauen. Die erstmalige Erwähnung eines Themas in der Bibel ist immer eine große Hilfe beim Studium dieser Thematik und daher können wir großen Nutzen davon erwarten, wenn wir uns diese Abschnitte anschauen.
Die erste Erwähnung von Liebe finden wir in 1. Mose 22,2, wo Isaak Abrahams einziger Sohn genannt wird, den er liebt. Die Opferung Isaaks auf dem Altar, die später in diesem Kapitel folgt, ist ein klares Bild von Golgatha, wo Gott, der Vater, seinen einzigen Sohn als Opfer für unsere Sünden hingab. Folglich ist die Liebe, auf die in Vers 2 Bezug genommen wird, ein Bild von der Liebe Gottvaters für Christus. Die zweite Erwähnung des Wortes Liebe in der Bibel finden wir in 1. Mose 24,67, wo Isaaks Liebe für Rebekka beschrieben wird – die Liebe eines Ehemannes für seine Frau. Hier haben wir ein klares Bild von der Liebe Christi für seine Gemeinde, wie auch der Rest des Kapitels zeigt. Im Neuen Testament werden diese beiden Konzepte vom Herrn in Johannes 15,9 zusammengeführt: „Wie mich mein Vater liebt (mit der Liebe eines Vaters für einen Sohn wie in 1. Mose 22,2 dargestellt), so liebe ich euch auch“ (mit der Liebe Christi für den Sünder, die ihre Parallele in der Liebe eines Bräutigams für eine Braut hat, wie in 1. Mose 24,67 dargestellt). Somit wird dieser Gedanke von Gottes intensiver Liebe für den Menschen sogar in der Typologie des Alten Testaments widergespiegelt.
Schauen wir uns daher 1. Mose 24 an. In diesem dezenten Bild, das uns die Beziehung zwischen Isaak und Rebekka bietet, sehen wir einige der Eigenschaften von Gottes großer Liebe für uns. Wenn Gott uns zeigen möchte, wie sehr er uns liebt, ist es sehr bezeichnend, dass er die Mann-Frau-Beziehung als Beispiel benutzt. Die Einheit zwischen Mann und Frau ist die intimste aller irdischen Beziehungen. Wenngleich es unklug wäre, die Parallele zu überspitzen, dient die göttliche Auswahl dieses Bildes, das durch neutestamentliche Stellen wie Epheser 5,21-23 bekräftigt wird, klar dazu, die sehr persönliche Intimität zu unterstreichen, die der Herr mit jedem von uns haben möchte und die wir nach seinem Wunsch mit ihm haben sollten. In 1. Mose 24 können wir eine Art von göttlicher Allegorie für die Suche Gottes nach einer solchen Beziehung mit dem Menschen sehen. Dort kann Abraham als eine Figur oder ein Typ von Gott-Vater, Abrahams Knecht als ein Typ für den Heiligen Geist, und Isaak als ein Typ für Gott, den Sohn, gesehen werden, während Rebekka ihren Platz als einen fremden, nicht erlösten Menschen in einem fernen Lande einnimmt, den der Heilige Geist für Christus zu gewinnen sucht. In der Einstellung von Abrahams Knecht (der auf dieser Mission sowohl Abraham als auch Isaak repräsentierte) und der Einstellung von Isaak gegenüber Rebekka können wir Eigenschaften der Liebe Christi für uns erkennen.
Als Erstes sehen wir in den Versen 22 und 53, dass Abrahams Knecht Rebekka Geschenke von den Reichtümern seines Herrn gibt. Dies gibt uns einen Einblick in das Herz Gottes. Wenn er zu uns kommt, kommt er nicht mit Forderungen, sondern mit Gaben. So wie ein guter Ehemann alles, was er hat, mit seiner Frau teilen möchte, so hat der Herr das Verlangen, alles, was er hat, mit uns zu teilen. Viele von uns haben die Vorstellung: „Wenn wir uns völlig dem Herrn hingeben, wird er so viele Anforderungen an uns stellen, dass...