Das Positive an der positiven Bestärkung
Vor zwölf Jahren hatte ich mich einmal bereit erklärt, für ein paar Wochen eine einjährige Border Collie Hündin bei mir aufzunehmen. Sie wurde spät abends gebracht. Als ich sie früh am nächsten Morgen mit den anderen Hunden zusammen hinausließ, jagten als Erstes alle gemeinsam hinter einem Eichhörnchen her den Hügel hinauf. Ich weiß nicht mehr was ich mir dabei dachte, als ich sie beim Namen rief, wie sie da so hinter den anderen Hunden herflitzte und sich ganz flach machte, um schneller zu sein. Jedenfalls drehte sie in der Luft um, als ich es tat, und kam in Höchstgeschwindigkeit zu mir gerannt. Schwupps, drehte sie ihren feinen kleinen Körper neben mich und setzte sich, ihre Schulter an mein Bein gedrückt, sah zu mir auf und grinste. Kein Wunder, dass ich beschloss, sie zu behalten – ein Hund, der ohne irgendwelches Training sofort auf Zuruf kommt? Wahnsinn. Ich taufte sie in Lassie um, was ja wohl auch passte. Sie schläft gerade zu meinen Füßen, während ich diese Zeilen schreibe und ist heute, mit schon dreizehn Jahren, immer noch eins der besten Dinge, die mir je im Leben passiert sind.
Trotzdem musste auch meine Lassie lernen, stubenrein zu werden, auf Hundespielsachen anstatt auf Pullovern herumzukauen und Besuchern an der Haustür nicht auf die Schultern zu springen. Als sie kam, hatte sie eine ganze Reihe von Zwangsstörungen, Angst vor fremden Männern und beherrschte eine ausgetüftelte Expertenversion von »Fang mich doch, wenn ich ein Geschirrtuch im Maul habe«.
So wunderbar sie auch war: Meine Lassie brauchte noch jede Menge Trainings- und Erziehungsarbeit, und dazu brauchte sie mich. Ohne Training hätte sie ihrer berühmten Namensvetterin aus dem Fernsehen wohl keine allzu große Ehre gemacht. Aber weil ich mit einer Trainingsmethode arbeitete, die uns beiden einen Heidenspaß machte, ist sie heute eine echte Musterbürgerin. Diese Art des Trainings heißt positive Bestärkung. Sie lehrt Hunde auf sanfte und freundliche Art, dass es sich lohnt, das vom Menschen Gewünschte zu tun. Das Grundprinzip ist simpel: Hunde lernen, dass gute Dinge geschehen, wenn sie sich auf Kommando hinsetzen oder auf Zuruf kommen. Folglich werden sie es wieder tun. Positive Bestärkungen – wie zum Beispiel Leckerchen, Bauchkraulen oder Fangenspielen – sind Dinge, die bei Ihrem Hund den Wunsch wecken, eine Aktion wiederholen zu wollen. Egal, ob diese Aktion bedeutet, angeleint neben Ihnen herzugehen oder sich ruhig hinzusetzen, wenn Gäste an der Haustür klingeln.
Positive Bestärkung hat viele Vorteile.1 Sie macht das Training für alle Beteiligten, den Trainer und den Trainierten, zu einer fröhlichen Angelegenheit. Dieser Vorteil ist bei weitem nicht trivial: Je mehr Spaß etwas macht, desto mehr werden Sie sich damit beschäftigen und desto besser wird Ihr Hund sich benehmen. Anstatt Ihrem Hund beizubringen, Angst vor Ihnen zu haben (wie das bei auf Zwang basierenden Erziehungsmethoden häufig passiert) wird er lernen, dass das Zusammensein mit Ihnen Spaß macht, dass Sie fair sind und dass man sich auf Sie verlassen kann – auch wenn Sie leider nur zwei Beine haben und den größten Teil Ihres Fells verloren haben. Positive Bestärkung ist ein toller Weg zu einem Hund, der verlässlich tut, was man ihm sagt anstatt verzogen nur das zu tun, was und wann er es möchte.
Positive Bestärkung ist die anwenderfreundlichste aller Trainingstechniken. Herausragendes Hundetraining braucht sehr viel Wissen und Fähigkeiten, aber für gutes Hundetraining reicht ein grundsätzliches Verständnis davon, wie man Bestärkungen einsetzt, ein wenig Wissen darüber, wie ein Hund die Welt sieht und der Wunsch, eine gute Beziehung zu Ihrem Hund aufzubauen. Wenn Sie diesen Wunsch haben, werden wir den Rest beisteuern. Am Ende unseres Lernprogrammes, in nur sechs kurzen Wochen, werden Sie auf dem allerbesten Weg sein, einen höflichen und glücklichen Hund zum besten Freund zu haben.
Der Hund weiß es am besten
Für den richtigen Einsatz von positiver Bestärkung gibt es ein paar Schlüsselfaktoren. Einer davon ist: Ihr Hund definiert, was ihn bestärkt – nicht Sie. Auf der Packung des Hundekuchens aus dem Supermarkt mag zwar stehen, dass alle Hunde ihn lieben, aber möglicherweise hat Ihr Hund dieses Etikett gerade nicht gelesen. Vielleicht glauben Sie auch, dass Ihr Hund es mag, wenn Sie ihn auf den Kopf tätscheln, aber die meisten Hunde sind nicht gerade vernarrt in diese Art des Streichelns. Aber keine Sorge: Sie können sich darauf verlassen, dass Ihr Hund Ihnen sagt, was er wirklich gerne mag – Sie müssen nur hinsehen und genau auf seine Reaktionen achten. Das klingt banal, aber Anfänger in Sachen Hundetraining machen oft den Fehler, die lustlosen Reaktionen ihrer Hunde nicht zu bemerken. Schauen Sie also genau hin, wenn Sie Ihren Hund belohnen. Wenn er seinen Kopf wegdreht oder sogar weggeht, ist er vermutlich nicht gerade begeistert von dem, was Sie gerade tun. Wenn er aber nah bei Ihnen bleibt und nach mehr bettelt, dann Bingo! Sie haben etwas gefunden, für das er in Zukunft gerne arbeiten wird.
Ein Schlüsselfaktor für den richtigen Einsatz von positiver Bestärkung ist: Ihr Hund definiert, was ihn bestärkt – nicht Sie.
Timing ist alles
Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Einsatz positiver Bestärkung ist das Timing. Die Bestärkung muss unmittelbar nach der Aktion kommen, die Ihr Hund wunschgemäß ausgeführt hat. Wenn Sie »Sitz« verlangt haben und er sich hinsetzt, muss er innerhalb einer halben Sekunde nach der Bewegung etwas be – kommen, das ihn glücklich macht. Wenn Hunde etwas auf Aufforderung hin richtig gemacht haben, neigen wir Menschen gerne dazu, sie anschließend erst einmal zwei oder drei Sekunden lang anzuschauen. Ich bin ziemlich sicher: Wenn Hunde sprechen könnten, würden sie sich beklagen, dass genau das sie wahnsinnig macht. »Warum starren die mich so an? Hätte ich etwas anderes tun sollen? Sollte ich mich etwa nicht hinsetzen?« Denken Sie daran: Ihr Hund sucht bei Ihnen immer nach Antworten. Es liegt an Ihnen, ihm klare Rückmeldungen innerhalb angemessener Zeit zu geben. Erziehen Sie sich selbst dazu, sofort nach einer richtigen Reaktion Ihres Hundes ein Leckerchen zu geben und Sie werden erstaunt sein, wie schnell Ihr Hund etwas Neues lernen kann.
Sekundäre und primäre Bestärkung
An dieser Stelle lohnt es sich, eine Minute lang innezuhalten und kurz über zwei verschiedene Arten der Bestärkung zu sprechen. Dinge wie Futter oder Fangenspielen nennt man »primäre Bestärker«, weil sie dem Hund von sich aus ein gutes Gefühl verschaffen. Pavlov musste seine Hunde nicht erst auf das Absondern von Speichel konditionieren, wenn er mit Fleisch ins Labor kam und Sie müssen Ihrem Hund nicht beibringen, sich zu freuen, wenn er von Ihnen ein Stückchen Huhn bekommt.
Wenn etwas, das wir für unsere Hunde tun, aber erst mit etwas anderem in Verbindung gebracht werden muss, um als Bestärkung wirksam zu sein, dann nennt man das einen »sekundären Bestärker«. Stimmlob ist ein gutes Beispiel für einen sekundären Bestärker, denn viele Hunde müssen erst lernen, sich gut zu fühlen, wenn wir etwas Nettes zu ihnen sagen. Das ist eigentlich logisch, wenn man einmal darüber nachdenkt. Warum sollten zufällig aus unserem Mund kommende Laute unsere Hunde automatisch glücklich machen? Sie mögen sich ja vielleicht gut dabei fühlen, wenn Sie »Gutes Mädchen!« sagen, Ihr Hund aber nicht unbedingt. Klar hätten wir es alle gerne, dass unsere Hunde zu unseren Füßen nur so dahinschmelzen, aber schöne Worte alleine sind oft noch nicht genug, damit das passiert.
Benutzen Sie zum Loben immer das gleiche Wort.
Dafür ist es aber einfach, einen Hund auf ein Wohlgefühl zu konditionieren, wenn wir ihn loben. Denken Sie sich als Erstes ein Lobwort aus, das Sie in Zukunft konsequent gebrauchen werden. Sie können »Gut!« oder »Brav!« oder »Ja!« sagen, das ist egal – benutzen Sie nur jedes Mal das gleiche Wort und sprechen Sie es auch immer gleich aus. (In diesem Buch heißt es immer »Gut!«, aber das ist nur ein Beispiel. Suchen Sie für sich dasjenige Wort aus, das Sie am meisten mögen). Sagen Sie Ihr Lobwort mehrmals am Tag und stecken dem Hund sofort ein Leckerchen ins Maul. Versuchen Sie, das einige Tage lang jeweils zwei- bis dreimal täglich in kurzen Übungseinheiten fünf- bis zehnmal hintereinander zu wiederholen. Sie können Ihr Lobwort auch dann sagen, wenn Sie Ihrem Hund den Bauch kraulen, wenn er sein Abendessen frisst oder überhaupt immer dann, wenn Sie sicher sind, dass er momentan gerade ein sehr glücklicher Hund ist. Schon in ein paar Tagen wird er es sehr mögen, das Wort »Gut!« aus Ihrem Mund zu...