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Die Idee der Demokratie von 1848

Studien zu Heinrich Deinhardts frühem Leben und Werk (1821-1851)

AutorChristian Stöger
VerlagVerlag Julius Klinkhardt
Erscheinungsjahr2017
ReihePerspektiven sonderpädagogischer Forschung im Namen der Sektion Sonderpädagogik der DGfE 
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783781555969
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,90 EUR
Heinrich Deinhardt (1821-1880) gehört zu den vergessenen Intellektuellen und Revolutionären von 1848.
Vorliegende Studien skizzieren Deinhardt deshalb erst biographisch als Oppositionellen des Vormärz und zeichnen sein revolutionäres Engagement auf dem linken Flügel der 1848er-Demokratie nach.
Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt jedoch auf seinen demokratietheoretischen Schriften: Anhand von ca. 150 anonymen bzw. pseudonymen Publikationen wird Deinhardts Idee der Demokratie entfaltet, d.h. sein in Hegels Geschichtsphilosophie verankerter und gesellschaftstheoretisch, politisch, ökonomisch und pädagogisch reflektierter Entwurf einer demokratischen Gesellschaft rekonstruiert.
Die Studien verstehen sich als Vorbereitung zur historiographischen Erschließung des Erziehungsexperiments der Levana (1856 1866), an dem Deinhardt ein Jahrzehnt nach der Revolution beteiligt war.
Die Deinhardt-Studien ermöglichen die Klärung der alten sonderpädagogischen Streitfrage, wer die Theorieschriften der Levana, allen voran die grundlegende Heilpädagogik (1861/63), verfasst hat: Deinhardt allein – und nicht der zum „Nestor der deutschen Heilpädagogik“ erklärte Anstaltsgründer Georgens – zeichnet für das komplexe gesellschaftliche und pädagogische Reflexionsniveau der Schriften verantwortlich.

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Leseprobe
Erstes Kapitel Bildungsweg und Politisierung (S. 95-96)

1. Die frühen Jahre von 1821–1840

a.) Beginn der Schullaufbahn

Nachrufe seiner Wiener Freunde setzen überwiegend so ein: „Heinrich Marianus Deinhardt ist geboren im Jahre 1821. Seine Wiege stand in einem Bauernhause zu Niederzimmern, einem Dorfe etwa 3 Stunden von Weimar entfernt. “ Die in der Erinnerungsliteratur zu findende Hervorhebung von Deinhardts bäuerlicher Herkunft ist einer literarischen Inszenierungsabsicht geschuldet, die den Topos des armen, sein Herkunftsmilieu durch hervorstechende Begabung hinter sich lassenden Bauernjungen bemüht. Was ihm die Möglichkeit zu gymnasialer und universitärer Bildung geebnet hat, bleibt so offen. Dazu gibt Deinhardt selbst in einer kurzen handschriftlichen Autobiographie Auskunft. Mit seinen Hinweisen können dem bäuerlichen Hintergrund der Kindheitsjahre ein bildungsbürgerliches Milieu für die Jugendzeit an die Seite gestellt und daran anknüpfend zwei, für Deinhardt prägende Einflüsse identifiziert werden: Die Philosophie Hegels und der deutsche Nationalismus, was im Lauf der weiteren Ausführungen gezeigt wird.

Während Deinhardt den sozialen Standort seiner Familie in seiner Autographie unerwähnt lässt, stellt er sich dagegen als jemand vor, der in seinen Jugendjahren weit herumgekommen ist: Zum Zeitpunkt der Reifeprüfung lagen bereits mehrjährige Aufenthalte in drei Staaten des Deutschen Bundes hinter ihm. Zieht man die Zeiträume, die er selbst angibt, zur Datierung heran, ergibt sich für seine Kindheit und Schullaufbahn folgendes Bild: Die ersten 13 Lebensjahre verbringt er in Niederzimmern, besucht die Dorfschule, ehe er von Ostern 1834 an auf den Besuch des Gymnasiums vorbereitet wird. Ab Herbst des gleichen Jahres ist Deinhardt für zweieinhalb Jahre Schüler des Wittenberger Gymnasiums, wechselt zu Ostern 1837 aber für zwei Jahre an die Gelehrtenschule in Friedland im damaligen Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz. Nach zweijährigem Aufenthalt kehrt er mit Ostern 1839 nach Weimar zurück und schließt dort im Herbst 1840 seine Gymnasialzeit mit der Reifeprüfung ab. Der Weichensteller dieser erstaunlichen Bildungslaufbahn ist sein Onkel Johann Heinrich Deinhardt (1805–1867), der den Neffen 1834 zu sich nimmt und den Besuch des Wittenberger Gymnasiums ermöglicht. Auf ihn lässt sich die biographische Erzählfigur des sozialen Aufsteigers wohl überzeugender einsetzen als auf den Neffen: Johann Heinrich Deinhardt absolvierte – nach der Predigerschule und dem Gymnasium in Erfurt – von 1825–1828 das Studium der Schulwissenschaften an der Berliner Universität, studierte neben Mathematik, Naturwissenschaften (u. a. bei Ohm), Philologie und besonders: Philosophie bei Hegel. Und als wichtigen Vertreter hegelianischer Pädagogik nahmen ihn die Nachschlagewerke des 19. Jahrhunderts auf5, wie er seinen Zeitgenossen überhaupt als „einer der bedeutendsten deutschen Schulmänner“ galt. Im Jahr 1834, als Deinhardt bei seinem Onkel einzieht, ist dieser allerdings noch unbekannt und unterrichtet als Oberlehrer Mathematik und Physik am Wittenberger Gymnasium. Johann Heinrich Deinhardts Karriere nimmt einen rasanten Aufschwung, als er sich mit seinem Werk „Der Gymnasialunterricht nach den wissenschaftlichen Anforderungen der jetzigen Zeit“ in die zeitgenössische Schuldiskussion, besonders in die sogenannte Lorinser-Debatte einbringt. Er antwortet auf den Vorwurf, der Gymnasialunterricht gefährde die körperliche wie geistige Gesundheit der Schüler, mit einer hegelianischen Neubegründung des preußischen Gymnasiums.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Christian Stöger: Die Idee der Demokratie von 18481
Titelei4
Impressum5
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort10
Einleitung12
1. Levana-Forschung20
2. Georgens-Forschung48
3. Deinhardt-Forschung77
Erstes Kapitel: Bildungsweg und Politisierung96
1. Die frühen Jahre von 1821–184096
2. Die Universitätsjahre (1840-1845)102
Zweites Kapitel: Der oppositionelle Journalist (1844–1847)130
1. Der Übergang vom Studenten zum oppositionellen Literaten130
2. Deinhardt als „Demokrat“ im Vormärz141
3. Die demokratische Tendenz der Gegenwart154
4. Deinhardts demokratischer Nationalismus167
Drittes Kapitel: Revolutionärer Aufbruch 1848182
1. Die „Basisrevolution“ vom März 1848182
2. Deinhardt und die Spaltung des bürgerlichen Lagers in Weimar191
3. Demokratische Volksversammlungen199
4. Die Septemberkrise und ihre Folgen208
Viertes Kapitel: Die Niederlage der Revolution 1849220
1. Nach der Haft bis zum Jahresende 1848220
2. Kommentare zur Entstehung der Reichsverfassung226
3. Die Reichsverfassungskampagne234
4. Die Bekämpfung des preußischen Unionsprojekts248
5. Beginnende Reaktion in Weimar255
Fünftes Kapitel: Die Verarbeitung der Revolutionsniederlage260
1. Deinhardts Resümee des Revolutionsverlaufs261
2. Zur dialektischen Deutung der Niederlage268
3. Selbstkritik der Demokratie275
Sechstes Kapitel: Geschichtsphilosophie und Demokratie286
1. Deinhardts Demokratiebegriff287
2. Freie Gemeinschaft und die Herausforderung des Individualismus297
Siebtes Kapitel: Das politische Ideal der Demokratie326
1. Volkssouveränität326
2. Deinhardts Repräsentativsystem336
3. Die Aufhebung der „Massenhaftigkeit“ des Volks344
Achtes Kapitel: Demokratie und Soziale Frage362
1. Deinhardt und die Pauperismusdiskussion362
2. Deinhardts Proletariatsbegriff377
Neuntes Kapitel: Wirtschaftliche Reform und Nationalismus392
1. Die demokratische Wirtschaftswende392
2. Deinhardts Wirtschaftsnationalismus401
Zehntes Kapitel: Zum „pädagogischen“ Deinhardt von 1848412
1. Demokratischer Entwurf und Erziehung412
2. Demokratische Schulpädagogik429
3. Bemerkungen zu den Jahren des Nachmärz443
Die Vermittlung einer Bekanntschaft446
Deinhardts Biographie446
Deinhardts Theorie der Demokratie456
Suchprofil für den Autor der Theoriebildung der Levana475
Deinhardt-Bibliographie von 1844–1851480
Archivalien487
Gedruckte Quellen und ältere Darstellungen489
Darstellungen492
Abkürzungen und Hinweise zur Zitation500
Anhang501
1. Heinrich Deinhardt: Handschriftliche Notate: „Aufgabe der Jetztzeit“501
2. Heinrich Deinhardt: Konstitution der Hallischen Burschenschaft501
3. Briefe Emil Anhalts an Heinrich Deinhardt (Sommer 1844–Feber 1845)504
4. Heinrich Deinhardt: Vorschlag zu einem Programm des demokratischen Vereins in Weimar512
Rückumschlag514

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