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Die Legende der böhsen onkelz

AutorConrad Lerchenfeldt
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783864137389
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Kaum eine Band in Deutschland ist so umstritten wie die Böhsen Onkelz. Doch auch kaum eine Band hat so treue Anhänger. Nach Anfangsjahren, in denen die Band immer wieder in Verbindung mit der rechten Szene gebracht wurde, distanzierten sich die Onkelz im Lauf der Zeit von dieser politischen Richtung. Ihre Fans hielten immer zu ihnen und als im Jahr 2014, nach fast zehn Jahren der Bühnenabstinenz, zwei Comeback-Konzerte angekündigt wurden, waren die Tickets innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Conrad Lerchenfeldt beleuchtet das Phänomen Böhse Onkelz von allen Seiten. Worin besteht ihre Faszination? Was verbindet die Fans mit der Band? Wie weit rechts stehen sie tatsächlich? Ein Buch nicht nur für alle Onkelz-Fans, sondern auch für alle, die sich für das Phänomen Böhse Onkelz interessieren.

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Geschorene Köpfe:


Die ersten Schritte


Die Böhsen Onkelz begannen als Punkband, wurden aber kurz darauf zu Skinheads, was gleichbedeutend mit rechts oder gar Nazi ist – das war und ist immer noch Teil der öffentlichen Wahrnehmung der Gruppe. Auch weil es heute selbstverständlich ist, dass der Begriff Skinhead als Synonym für Randale und Neonazis steht.

Wie so oft ist die Wahrheit hinter solchen Zusammenfassungen und der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich komplexer. Das beginnt schon mit dem Begriff Skinhead. Zahllose Bücher sind über diese Bewegung beziehungsweise Gruppierung geschrieben worden, weil sie so einfach eben nicht zu erklären ist. Grundsätzlich sind die Skins aus der britischen Arbeiterklasse hervorgegangen. Im Lauf der Zeit haben sich dann diverse unterschiedliche Anschauungen aus diesem Ursprung entwickelt. Da gab es die traditionellen Skins, die sich über Herkunft und Äußerlichkeiten definierten, jedoch weit entfernt von jeglicher politischen Ideologie waren. Es gab linksextreme Skins, es gab rechtsextreme Skins und es gab sogar später eine ausgesprochen antirassistische Gruppierung innerhalb der vielschichtigen Skinhead-Bewegung.

Dass Skinheads gerade zu Beginn der Achtzigerjahre wieder ein Thema wurden, daran hatte auch der Punk seinen Anteil, der ja bis heute als tendenziell politisch eher links oder anarchistisch eingestuft wird. Dass Punk zunächst Jugendliche in aller Welt in seinen Bann zog, lag vor allem an der Tatsache, dass Punk so anders und so unangepasst war. Eben genau das, was einen pubertierenden und revoltierenden Jugendlichen anzieht. Punk lag jenseits von Kommerz und überkommenen Traditionen, die das Erwachsensein kennzeichneten. Es war etwas, das sozusagen der Jugend selbst gehörte, von ihr gelebt und entwickelt wurde. Nur wurde das Thema Punk nach einer Weile so groß, dass es auch Menschen auffiel, die so gar nichts mit der Grundidee des Anti-Seins oder der Revolte anfangen konnten. Punk wurde von Geschäftsleuten entdeckt, von Unternehmen und Managern. Auf die echten wütenden Punkbands folgten die daran nur oberflächlich angelehnten Produkte der großen Plattenlabels. Und war es zunächst noch eine Provokation, sich mit Nietenhalsbändern oder Sicherheitsnadeln zu schmücken, gab es solche Accessoires bald im Kaufhaus oder der Boutique um die Ecke für jedermann und für ein paar Cent aus industrieller Fertigung. War Punk anfangs noch schmutzig oder eine Kultivierung des Asozialen, entwickelte er sich zu einem Modetrend, der aus den Ghettos auf die Schulräume der Gymnasien überschwappte, der aus der Unterschicht und der provokanten Jugendkultur Einzug in den Mainstream hielt. Eine Entwicklung, die ein echter Punk verabscheute.

Aus dieser Situation heraus entstand etwas, das später unter dem Begriff Oi!-Punk zusammengefasst wurde und das schließlich recht unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen vereinte. Der Begriff Oi! ist grundsätzlich britischer Slang und steht für nichts anderes als Hey!. In der Realität der beginnenden Achtzigerjahre jedoch war Oi! zunächst einmal eine musikalische Richtung, die den Versuch wagte, den mittlerweile kommerzialisierten Punk zurück zu seinem einfachen und echten Ursprung zu bringen. Was daraus musikalisch entstand, zog auch einige Skinheads an. Im Grunde war Oi!-Punk eine einfache und laute Musik, die sich zum Mitgrölen eignete.

Schon im Jahr 1981 beschäftigte sich das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit dem Thema und ließ dabei auch den Musikjournalisten Garry Bushell zu Wort kommen, der in der Zeitschrift Sounds den Begriff Oi! für diese neue Musik und ihre Hörer überhaupt erst geprägt hatte. Zitiert wurde Bushell mit den Worten: »Das ist Musik für Fußball-Krawallmacher.«

Was wieder direkt zurückführt zu den Böhsen Onkelz und ihrem Umfeld. Die vier waren schließlich noch immer nicht hauptberuflich Musiker, sie waren junge Männer, die sich prügelten, wenn sich Gelegenheit dafür bot, die soffen, was das Zeug hielt, und die der einen oder anderen benebelnden Substanz ebenfalls nicht abgeneigt waren – außerdem waren sie begeisterte Fußballfans. Vor allem ihr Verein wurde angefeuert, die Eintracht Frankfurt.

Im Endeffekt waren die Onkelz jener Jahre Typen, die alles mochten, was irgendwie härter, anders oder einfach extremer war als das, was andere taten. Sie soffen mehr, sie schlugen vielleicht auch eine Spur härter, und sie machten Lieder, die extremer sein sollten als die anderer Bands. Da kann man es fast schon eine zwangsläufige Folge nennen, dass Gonzo laut Biograf Hartsch von einem Berlin-Besuch mit geschorenem Kopf zurückkehrte, weil er dort die sich entwickelnde Skinhead-Szene erlebt hatte. Stephan Weidner und Kevin Russell taten es ihm wenig später nach.

Spätestens seit dieser Zeit geschah etwas in den Köpfen der Onkelz. Etwas, das den Wunsch des reinen Provozierens und des Härterseins überstieg. Es verstärkten sich Meinungen und Überzeugungen – Ansichten, die im weitesten Sinne des Wortes auch als politisch einzustufen sein dürften. Diese Ansichten ließen sich durchaus als rechtslastig werten, es wäre aber zu kurz gedacht, dahinter das Bewusstsein von wirklichen Neonazis zu vermuten. Was in den Köpfen vorging, war gleichzeitig wesentlich einfacher und doch auch vielschichtiger, als es die Verbindung mit dem Begriff Skinhead glauben macht.

Was über diese Zeit bekannt ist, stammt in erster Linie aus späteren Erzählungen der Onkelz selber oder aus dem, was eben der Biograf Hartsch niederschrieb. Doch es existieren auch noch einige wenige unverfälschte Dokumente, die das Denken jener Zeit ungeschönt und nicht vom Nebel der Zeit geglättet darstellen. Eines der wohl interessantesten und wichtigsten hat Klaus Farin ausgegraben. Farin ist Autor des erstmals im Jahr 2000 erschienenen und zuletzt 2014 ergänzt wieder veröffentlichten Buch der Erinnerungen – die Fans der Böhsen Onkelz. Vor allem ist er gänzlich unverdächtig, mit einem Buch über die Onkelz wie auch immer geartete rechte Ideologien transportieren zu wollen. Als Gründungsmitglied des Archivs der Jugendkulturen hat er es sich vielmehr zur Aufgabe gemacht, Jugendkulturen zu erforschen und auch darüber zu berichten. Was ihn unter anderem auf die Böhsen Onkelz brachte. In seinem Buch der Erinnerungen veröffentlichte er unter anderem ein lange verschollenes und vergessenes Interview aus dem Jahr 1983. Geführt wurde es laut Farin von einem Sozialpädagogik-Studenten im Rahmen einer Diplomarbeit zum Thema »Fußballfanclubs und Rechtsradikalismus«. Interviewpartner war in erster Linie Stephan Weidner als Onkelz-Boss und inzwischen wohl auch eine Art Leitfigur der Frankfurter Skinhead-Szene. Ebenfalls anwesend: Kevin Russell und einige weitere Skins.

Farin hat das Gespräch nur wenig gekürzt und zudem im Wesentlichen unkommentiert wiedergegeben. Wer es liest, wird sich im Lauf des sehr langen Interviews, das sich über ein Dutzend Seiten erstreckt, gleich mehrmals wundern – weil Weidner einerseits Sätze sagt, die eine eindeutig ausländerfeindliche Gesinnung vermuten lassen, andererseits auch ebenso glaubhaft Dinge von sich gibt, die vieles wieder relativieren.

Was jedoch als sicher gelten darf: Die Onkelz – genauer gesagt Stephan Weidner – standen in jener Zeit tatsächlich für einen Hass auf Ausländer. Konnte »Türken raus« zur Zeit seiner Entstehung noch als dumme Jugendsünde abgetan werden, war der Inhalt nun definitiv Überzeugung. Was auch die späteren Auslassungen relativiert, dass der Titel sich nur gegen bestimmte Jugendgangs richtete. Daran ist nicht zu rütteln, und dass es 1983 so war, das muss auch der treueste Fan einfach akzeptieren.

So verbindet das Interview an einer Stelle eine Frage mit einem Rückblick auf ein im Fußballstadion geführtes Vorgespräch, in dem es unter anderem um Ideologie, eine Abgrenzung gegenüber Neonazis und darum ging, »dass ihr euch als Rassisten bezeichnet«. Gefolgt von der Frage, was die Gesprächspartner unter Rassisten verstehen würden. Weidner antwortete, dass ihm Ausländer egal seien, wenn sie in ihrem eigenen Land lebten. Dass es ihm aber nicht passe, wenn sie nach Deutschland kämen, sich jedoch nicht anpassten, sondern ihre eigene Kultur mitbrächten. Genau das lehne er ab und dagegen kämpfe er. Auf die Frage, auf welche Ausländer sich seine Kritik denn vor allem beziehe, antwortete Weidner klipp und klar »Türken«. Italiener seien zwar »genauso beschissen«, doch gerade Türken lebten noch wie vor tausend Jahren. So weit, so unschön. Vieles, was Weidner in dem Gespräch von sich gab, war eine Bestätigung für diejenigen, die später die Onkelz in die tiefbraune, rechte und ausländerfeindliche Ecke rücken wollten.

Nur, wie gesagt: So einfach ist die Sache dann doch nicht. Denn wenn das Thema der politischen Einstellung zur Sprache kam, waren die von Klaus Farin veröffentlichten Antworten ebenfalls eindeutig – allerdings in einer...

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