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E-Book

Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o

AutorMeng Zi
VerlagHenricus - Edition Deutsche Klassik
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl191 Seiten
ISBN9783847813897
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Aus dem Chinesischen übertragen und erläutert von Richard Wilhelm, Köln: Eugen Diederichs Verlag, 1982. Erschien 240 oder 239 v. Chr. Hier in der Übersetzung von Richard Wilhelm.

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Leseprobe

Buch I


Liang Hui Wang

Abschnitt A

1. Vom Schaden des Nützlichkeitsstandpunkts

Mong Dsï trat vor den König Hui von Liang1.

Der König sprach: »Alter Mann, tausend Meilen waren Euch nicht zu weit, um herzukommen, da habt Ihr wohl auch einen Rat für mich, um meinem Reich zu nützen.«

Mong Dsï erwiderte und sprach: »Warum wollt Ihr durchaus vom Nutzen reden, o König? Es gibt doch auch den Standpunkt, daß man einzig und allein nach Menschlichkeit und Recht fragt. Denn wenn der König spricht: Was dient meinem Reiche zum Nutzen? so sprechen die Adelsgeschlechter: Was dient unserm Hause zum Nutzen? und die Ritter und Leute des Volks sprechen: Was dient unserer Person zum Nutzen? Hoch und Niedrig sucht sich gegenseitig den Nutzen zu entwinden, und das Ergebnis ist, daß das Reich in Gefahr kommt. Wer in einem Reich von zehntausend Kriegswagen2 den Fürsten umzubringen wagt, der muß sicher selber über tausend Kriegswagen verfügen. Wer in einem Reich von tausend Kriegswagen den Fürsten umzubringen wagt, der muß sicher selber über hundert Kriegswagen verfügen. Von zehntausend Kriegswagen tausend zu besitzen, von tausend Kriegswagen hundert zu besitzen, das ist an sich schon keine geringe Macht. Aber so man das Recht hintansetzt und den Nutzen voranstellt, ist man nicht befriedigt, es sei denn, daß man den anderen das Ihre wegnehmen kann. Auf der anderen Seite ist es noch nie vorgekommen, daß ein liebevoller Sohn seine Eltern im Stich läßt, oder daß ein pflichttreuer Diener seinen Fürsten vernachlässigt. Darum wollet auch Ihr, o König, Euch auf den Standpunkt stellen: ›Einzig und allein Menschlichkeit und Recht!‹ Warum wollt Ihr durchaus vom Nutzen reden?«

2. Geteilte Freude ist doppelte Freude

Mong Dsï trat vor den König Hui von Liang. Der König stand an seinem Parkweiher und sah den Schwänen und Hirschen zu. Er sprach: »Hat der Weise auch eine Freude an solchen Dingen?« Mong Dsï erwiderte: »Der Weise erst vermag sich dieser Dinge ganz zu freuen. Ein Unweiser, selbst wenn er sie besitzt, wird ihrer nicht froh. Im Buch der Lieder3 heißt es:

 

›Als er den Wunderturm ersonnen,

Ersonnen und den Plan gemacht,

Hat alles Volk sich dran begeben;

Kein Tag – und alles war vollbracht.

Anhub er mit: »Nicht hastet euch!«

Doch alles Volk kam, Kindern gleich.

Im Wunderpark der König war,

Wo Hirsche ruhten Paar bei Paar,

Gar fette Hirsche, glatt von Haar,

Und weiße Vögel glänzten klar.

Der König war am Wunderteiche;

Wie wimmelte der Fische Schar!‹

 

So hat der König Wen durch die Arbeit seines Volks einen Turm und einen Teich gebaut, und das Volk war in heller Freude darüber und nannte seinen Turm den ›Wunderturm‹ und seinen Teich den ›Wunderteich‹ und freute sich dessen, daß er Hirsche und Rehe, Fische und Schildkröten hatte. Die Männer des Altertums freuten sich mit dem Volk gemeinsam; darum konnten sie sich wirklich freuen. Andererseits heißt es im Schwur des Tang4, (daß die Untertanen des Tyrannen Giä, der in seinem Hochmut sich der Sonne verglichen, von solchem Haß gegen ihn erfüllt waren, daß sie sprachen:) ›Wenn nur diese Sonne zugrunde geht. Und wenn wir auch mit ihr gemeinsam vernichtet werden‹. Das Volk (des Tyrannen Giä) wollte lieber noch, als daß er am Leben blieb, mit ihm zusammen vernichtet werden. Mochte er Türme und Teiche, Vögel und Tiere besitzen: er konnte ihrer einsam doch nimmermehr froh werden.«

3. Wie kann ein Fürst die Weltherrschaft erlangen?

König Hui von Liang sprach: »Ich gebe mir mit meinem Reiche doch wirklich alle Mühe. Wenn diesseits des gelben Flusses Mißwachs herrscht, so schaffe ich einen Teil der Leute nach der anderen Seite und schaffe Korn nach dieser Seite. Tritt Mißwachs ein in dem Gebiet jenseits des Flusses, handle ich entsprechend. Wenn man die Regierungsmaßregeln der Nachbarstaaten prüft, so findet man keinen Fürsten, der sich soviel Mühe gäbe wie ich. Und doch wird das Volk der Nachbarstaaten nicht weniger und mein Volk nicht mehr. Wie kommt das?«

Mong Dsï erwiderte: »Ihr, o König, liebt den Krieg. Darf ich ein Gleichnis vom Krieg gebrauchen? Wenn die Trommeln wirbeln5 und die Waffen sich kreuzen, und die Krieger werfen ihre Panzer weg, schleppen die Waffen hinter sich her und laufen davon, so läuft der eine vielleicht hundert Schritte weit und bleibt dann stehen, ein anderer läuft fünfzig Schritte weit und bleibt dann stehen. Wenn nun der, der fünfzig Schritte weit gelaufen ist, den anderen, der hundert Schritte gelaufen ist, verlachen wollte, wie wäre das?«

Der König sprach: »Das geht nicht an. Er lief nur eben nicht gerade hundert Schritte weit, aber weggelaufen ist er auch.«

Mong Dsï sprach: »Wenn Ihr, o König, das einseht, so werdet Ihr nicht mehr erwarten, daß Euer Volk zahlreicher werde als das der Nachbarstaaten. Wenn man die Leute6, während sie auf dem Acker zu tun haben, nicht zu anderen Zwecken beansprucht, so gibt es so viel Korn, daß man es gar nicht alles aufessen kann. Wenn es verboten ist, mit engen Netzen in getrübtem Wasser zu fischen, so gibt es so viel Fische und Schildkröten, daß man sie gar nicht alle aufessen kann. Wenn Axt und Beil nur zur bestimmten Zeit in den Wald kommen, so gibt es soviel Holz und Balken, daß man sie gar nicht alle gebrauchen kann. Wenn man das Korn, die Fische und Schildkröten gar nicht alle aufessen kann, wenn man Holz und Balken gar nicht alle aufbrauchen kann, so schafft man, daß das Volk die Lebenden ernährt, die Toten bestattet und keine Unzufriedenheit aufkommt: Wenn die Lebenden ernährt werden, die Toten bestattet werden und keine Unzufriedenheit aufkommt: das ist der Anfang zur Weltherrschaft.

Wenn jeder Hof von fünf Morgen mit Maulbeerbäumen umpflanzt wird, so können sich die Fünfzigjährigen in Seide kleiden. Wenn bei der Zucht der Hühner, Ferkel, Hunde und Schweine die rechte Zeit beobachtet wird, so haben die Siebzigjährigen Fleisch zu essen. Wenn einem Acker von hundert Morgen nicht die zum Anbau nötige Zeit entzogen wird, so braucht eine Familie von mehreren Köpfen nicht Hunger zu leiden. Wenn man dem Unterricht in den Schulen Beachtung schenkt und dafür sorgt, daß auch die Pflicht der Kindesliebe und Brüderlichkeit gelehrt wird, so werden Grauköpfe und Greise auf den Straßen keine Lasten mehr zu schleppen haben. Wenn die Siebziger in Seide gekleidet sind und Fleisch zu essen haben und das junge Volk nicht hungert noch friert, so ist es ausgeschlossen, daß dem Fürsten dennoch die Weltherrschaft nicht zufällt. Wenn aber Hunde und Schweine den Menschen das Brot wegfressen, ohne daß man daran denkt, dem Einhalt zu tun, wenn auf den Landstraßen Leute Hungers sterben, ohne daß man daran denkt, ihnen aufzuhelfen, und man dann noch angesichts des Aussterbens der Bevölkerung sagt: nicht ich bin schuld daran, sondern das schlechte Jahr, so ist das gerade so, als wenn einer einen Menschen totsticht und sagt: nicht ich hab' es getan, sondern das Schwert. Wenn Ihr, o König, nicht mehr die Schuld sucht bei schlechten Jahren, so wird das Volk des ganzen Reichs Euch zuströmen.«

4. Der rechte Landesvater

König Hui von Liang sprach: »Ich will gelassen Eure Belehrung annehmen.«

Mong Dsï erwiderte: »Ob man Menschen mordet mit einem Knüppel oder einem Messer: ist da ein Unterschied?«

Der König sprach: »Es ist kein Unterschied.«

»Ob man sie mordet mit einem Messer oder durch Regierungsmaßregeln: ist da ein Unterschied?«

Der König sprach: »Es ist kein Unterschied.«

Da hub Mong Dsï an: »In der Hofküche ist fettes Fleisch und in den Ställen fette Pferde; in den Gesichtern der Leute wohnt die Not, auf dem Anger draußen wohnt der Tod: das heißt, die Tiere anleiten, Menschen zu fressen. Die Tiere fressen einander, und die Menschen verabscheuen sie darum. Wenn nun ein Landesvater also die Regierung führt, daß er nicht vermeidet, die Tiere anzuleiten, Menschen zu fressen: Worin besteht da seine Landesvaterschaft? Meister Kung hat einmal gesagt: ›Wer zuerst bewegliche Menschenbilder7 fertigte – um sie den Toten mit ins Grab zu geben – gab es für den denn keine Zukunft zu bedenken?‹ Darum, daß er das Ebenbild des Menschen zu diesem Zweck mißbrauchte. Was würde er erst gesagt haben von einem, der seine Leute Not leiden und verhungern läßt!«

5. Rüstung zur Rache

König Hui von Liang sprach: »Unser Reich8 war eins der mächtigsten auf Erden, das wißt Ihr ja, o Greis. Doch seitdem es auf meine Schultern kam, wurden wir im Osten besiegt von Tsi, und mein ältester Sohn ist dabei gefallen. Im Westen verloren wir Gebiet an Tsin, siebenhundert Geviertmeilen. Im Süden erlitten wir Schmach durch Tschu. Ich schäme mich darob und möchte um der Toten willen ein für allemal die Schmach reinwaschen. Wie muß ich's machen, daß es mir gelingt?«

Mong Dsï erwiderte: »Und wäre auch ein Land nur hundert Meilen im Geviert, man kann damit die Weltherrschaft erringen. Wenn Ihr, o König, ein mildes Regiment führt über Eure Leute, Strafen und Bußen spart, Steuern und Abgaben ermäßigt, so daß die Felder tief gepflügt und ordentlich gejätet werden können, daß die Jugend Zeit hat zur Pflege der Tugenden der Ehrfurcht, Brüderlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Treue, daß sie zu Hause ihren Eltern und Brüdern und im öffentlichen Leben ihren Fürsten und Oberen dienen –...

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