Teil B Marketing und Marke
1 Marketing in der Kultur- und Kreativwirtschaft
Marketing ist ein schillernder und weitreichender Begriff, der immer wieder neu definiert, immer wieder neu erfunden wird. Viele Fachbücher, Handreichungen und Praxisanleitungen preisen die Macht des Marketing an und generieren immer neue Trends. Dieses Kapitel soll sich nur kurz mit den gängigen Definitionen auseinandersetzen, aber einen speziellen Blick auf das Thema Marketing in der Kultur- und Kreativwirtschaft werfen. Was ist anders und wie kann mit den speziellen Gegebenheiten umgegangen werden?
1.1 Definitionen Marketing – Kulturmarketing
Der Terminus stammt aus dem Englischen, der Begriff wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an amerikanischen Universitäten geprägt (McLean 1997:38). In Deutschland wurde er erst Anfang der 1950er Jahre bekannt und begann sich erst allmählich – noch stark von absatzwirtschaftlichen Aspekten der deutschsprachigen BWL geprägt – durchzusetzen (Bänsch 1991:2). Heute wird das Marketing nach herrschender Meinung als ein ganzheitlicher Ansatz der Unternehmensführung angesehen. Die folgenden, gängigen Marketing-Definitionen illustrieren deutlich die Entwicklung von der reinen Absatzwirtschaft in den 1950er Jahren hin zum Beziehungsmarketing des 21. Jahrhunderts. Die Definition von Günter und Hausmann schlägt bereits eine Brücke zur Markendefinition und der Bedeutung der Marke – gerade für den Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft (siehe Kapitel 3).
„Marketing(-Management) der Planungs- und Durchführungsprozess der Konzipierung, Preisfindung, Förderung und Verbreitung von Ideen, Waren und Dienstleistungen ist, um Austauschprozesse zur Zufriedenstellung individueller und organisationeller Ziele herbeizuführen.“ (Kotler/Bliemel 1992:16)
„Marketing ist die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens. Es umfasst die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten.“ (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008:9)
„Marketing lässt sich als die Gestaltung von Beziehungen zu Nachfragern und anderen Adressaten zur Erzeugung von Akzeptanz und Präferenz und damit zum Gestalten von Wettbewerbsvorteilen definieren.“ (Günter/Hausmann 2009:11)
Fraglich bleibt, ob sich Kultureinrichtungen des öffentlichen und des intermediären Sektors einem Thema widmen, das ihnen eine bewusst marktorientierte Führung nahelegt und in diesem Kontext von Wettbewerbsvorteilen spricht. Die grundsätzliche Diskussion, ob und inwieweit profitorientierte bzw. nicht profitorientierte Institutionen den gleichen Marktgegebenheiten unterworfen sind und Marketing im Kulturbereich und im kreativwirtschaftlichen Sektor gleiche Wichtigkeit habe, zeigt sich letztlich bereits in diesen Definitionen.
Da der Markt für Freizeitangebote und „Kulturprodukte“ nicht getrennt vom Rest des Marktes betrachtet werden kann, herrscht in der Fachdiskussion bereits seit einigen Jahren die Meinung vor, dass sich „öffentliche und private Erlebnisangebote denselben Selektionskriterien der Erlebnisverbraucher stellen müssen.“ (Schulze 1993:507) Das bedeutet, dass die kulturellen Anbieter sich auch mit dem Thema Marketing auseinandersetzen müssen – ein gewaltiger Umschwung, wenn man bedenkt, dass lange Zeit Kunst, Kultur und Wirtschaft als zwei unvereinbare Bereiche ohne Gemeinsamkeiten galten.
Eines der ersten Standardwerke zum Thema Marketing in der Kulturwirtschaft wurde von Francois Colbert 1999 publiziert. Colbert definiert Kultur- bzw. Kunstmarketing darin als „die Kunst, jene Marktsegmente zu erreichen, die wahrscheinlich an dem Produkt interessiert sind, während die kommerziellen Variablen – Preis, Platzierung und Promotion – an das Produkt angepasst werden, damit der Kontakt zwischen dem Produkt und einer genügenden Anzahl von Konsumenten hergestellt und die mit dem Auftrag des Kulturunternehmens verbundenen Ziele erreicht werden können.“ (Colbert 1999:16) Der Unterschied hierbei ist also, dass im Kulturbereich zunächst das Produkt erschaffen wird, der künstlerische Kern also unabhängig vom Markt konzipiert wird, um dann in den Markt zu gehen und Zielgruppen zu finden, die sich für das Produkt bzw. die Dienstleistung interessieren. Dann erst werden Marketinginstrumente implementiert, die bei der Vermarktung des Produkts oder der Dienstleistung helfen.
Denselben Standpunkt vertritt Armin Klein (2001:40) in seinem bekannten Werk zum Kulturmarketing: „Kulturmarketing in öffentlichen Kulturbetrieben ist die Kunst, jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert werden können, indem die entsprechenden Austauscheigenschaften (z. B. Preis, Werbung, Vertrieb, Service usw.) dem künstlerischen Produkt bzw. der kulturellen Dienstleistung möglichst optimal angepasst werden.“
Abb. 8 Das Kulturprodukt und der Markt nach Colbert (1999:17)
Im Kulturbereich werden also hauptsächlich angebotsorientierte Ansätze eingesetzt, also anders ausgedrückt, das Angebot bestimmt den Einsatz der für den jeweiligen Markt geeigneten Marketinginstrumente. Fraglich ist, inwieweit dies auch für die Kreativwirtschaft gilt. Je nach Teilmarkt und je nach Institution können hier auch stärker nachfrageorientierte Mechanismen greifen.
Die Frage, ob ein in diesem Sinne definiertes angebots- oder nachfrageorientiertes Marketing zum Einsatz kommt, hängt nicht vom jeweiligen Teilmarkt der Branche oder vom Produkt ab, sondern von den Unternehmenszielen und der Prioritätensetzung innerhalb dieses Zielportfolios. Wie oben bereits dargestellt wurde, liegt der Hauptunterschied zwischen profit- und nicht profitorientierten Institutionen in der unterschiedlichen Setzung der Unternehmensziele, die ihrerseits unmittelbaren Einfluss auf das Verständnis des Marketings in der jeweiligen Institution hat. Die Definitionen machen deutlich, dass Marketing eng an die Vision und die langfristige Ausrichtung des Unternehmens gekoppelt ist.
Es kann also postuliert werden, dass ein Unternehmen, das als oberste Priorität ein inhaltliches, künstlerisches und kreatives Ziel hat, sich auch auf ein angebotsorientiertes Marketing fokussieren wird, in dem das Produkt im Vordergrund steht und erst in zweiter Linie die Marktgegebenheiten betrachtet werden. Dabei kann es sich um ein profitorientiertes Designbüro oder um einen nicht profitorientierten Verein für interkulturelle Kunstproduktionen handeln.
Eine Institution, die als oberste Priorität eine Kostendeckung oder eine Umsatzmaximierung als Ziel gesetzt hat, wird sich auf ein nachfrageorientiertes Marketing konzentrieren, um dieses Ziel zu erreichen. Auch hierbei kann es sich um eine nicht profitorientierte Musikschule genauso wie um einen profitorientierten Computerspielentwickler handeln.
1.2 Der richtige Marketingmix
Die Definition des sog. Marketingmix bildet die Grundlage für eine Marketingkonzeption. Der Marketingmix ist „die Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzt.“ (Kotler/Bliemel 1992:98)
Jede strategische Marken- und Marketingüberlegung basiert auf der Vision der Institution. Ohne ein Leitbild und klare Ziele, die die Institution festlegen, laufen alle Instrumente ins Leere und können nur kurzfristig Erfolge erzielen. Marketing in all seinen Facetten kann der Einrichtung nur dann langfristig helfen, wenn es sich an der künstlerischen und kreativen Vision orientiert. Die in Kapitel 4 eingehend beschriebene Umsetzung des Instrumenteneinsatzes ist als einer der letzten Schritte der Marketingkonzeption anzusehen.
Die tatsächliche Umsetzung der Marketingdefinitionen im Tagesgeschäft wird grundsätzlich mit dem Marketingmix beschrieben: Im Marketingmix werden in den Bereichen Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation (Absatzförderung) die jeweiligen Instrumente kombiniert und gezielt eingesetzt. Dies soll zum Erreichen der festgelegten Marketingziele führen und geschieht auf dem dafür definierten Zielmarkt für das Produkt bzw. die Dienstleistung. Je nach Definition und Fachbuch findet man verschiedene Mischungen aus Bereichen. Klassischerweise werden 4 P’s definiert: Product (Produkt), price (Preis), promotion (Kommunikation) und place (Distribution). Insbesondere für Dienstleistungen können noch weitere Aspekte hinzugefügt werden: People (Personal), process (Arbeitsabläufe) und physical facilities (Infrastruktur und speziell räumliche Gegebenheiten). (Dibb et al 1997:625) Dies wird im sog. Beziehungsmarketing noch weiter ausdifferenziert unter anderem mit den drei R’s – recruitment (Kundenakquisition), retention (Kundenbindung) und recovery (Kundenrückgewinnung). (vgl. Bruhn 2003; Berry 1983)
Product – Produkt:
Produktpolitik bietet im Kulturmarketing einen geringeren Gestaltungsspielraum als im traditionellen Marketing, weil das Kernprodukt nicht durch Nutzerwünsche veränderbar ist (Stichwort: „Freiheit der Kunst“). Aber gerade weil im künstlerischen und kulturellen Bereich das Produkt nicht bedingungslos an Kundenwünsche angepasst werden soll, sind die anderen Instrumente im Marketingmix möglichst optimal auf Publikumswünsche anzupassen. Nach Armin Klein wird aus diesem Grunde die Servicepolitik zum fünften, eigenem Steuerungsinstrument definiert. (vgl. Klein 2005:310; Mandel 2004:11) So wird das Produkt als solches nicht veränderbar, aber...