Vorwort
Die Management-Gurus sagen uns, in der heutigen Wirtschaftswelt sei das Lernen eine Voraussetzung für Erfolg im Wettbewerb. Manager müssen sich ständig neue Fähigkeiten und Methoden aneignen, um für die Auseinandersetzungen auf dem Markt gerüstet zu sein. Organisationen müssen sich in lernende Organisationen verwandeln, in denen das Lernen ein fester Bestandteil des Daseins und der Kultur der Organisation ist. All das ist zweifellos richtig, zumindest in der Theorie. In der Praxis jedoch gibt es kaum echte lernende Organisationen. In Wahrheit sind Manager nicht sehr gut im Lernen. „Der Erfolg auf dem Markt hängt zunehmend davon ab, dass man imstande ist zu lernen, doch die meisten Menschen wissen nicht, wie man lernt. Dazu kommt, daß jene Mitglieder der Organisation, die vielfach für die lernfähigsten gehalten werden, in Wirklichkeit nicht sehr gut darin sind“, meint Chris Argyris von der Harvard Business School.1 Eines der Ziele der vorliegenden Buchreihe besteht darin, Managern beim Lernen zu helfen; ihnen Gelegenheit zu geben, von den Besten zu lernen.
Dieses Vorhaben mag übertrieben ehrgeizig wirken. Doch bedenken Sie, wie Manager lernen. Zunächst einmal lernen sie aus ihren Erfahrungen. Chris Argyris hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß man aus Erfahrungen nicht zwangsläufig lernt. Wie vielen Führungskräften sind Sie schon begegnet, die alle Erfahrung der Welt besitzen, aber kaum über wirkliches Verständnis von Zusammenhängen verfügen? Möglicherweise behaupten sie, 30 Jahre Erfahrung zu haben, doch dabei handelt es sich oft nur um die Erfahrungen eines Jahres, die dreißigmal gemacht wurden. Erfahrung bedingt nicht automatisch Lernfortschritte. Nur weil jemand Jahrzehnte in einem Unternehmen verbracht hat, muß er noch lange nicht weise sein.
Die Wirtschaftshochschulen bleiben der Theorie verhaftet, doch in der Wirtschaft geht es um das praktische Tun.
Des weiteren können Führungskräfte in Trainingsprogrammen lernen. Die meisten hochrangigen Manager haben das eine oder andere Executive Program einer Wirtschaftshochschule hinter sich gebracht.
Die Fallstudien und die für die Business Schools typische Konzentration auf die Analyse ermöglichen es den Managern zweifellos, sich bedeutsame Kenntnisse anzueignen. Doch die Bandbreite dieser Kenntnisse und ihr praktischer Nutzen werden regelmäßig in Zweifel gezogen – nicht zuletzt von denen, die in den Managementkursen unterrichten. „Die Vorstellung, man könne intelligente, aber unerfahrene 25 jährige Menschen, die noch nie irgend etwas oder irgend jemanden gemanagt haben, in einem zweijährigen MBA-Kurs in effektive Manager verwandeln, ist lächerlich“, meint der Strategieguru Henry Mintzberg.2
Der ehrwürdige Peter Drucker äußert sich ebenfalls seit langem kritisch über die Wirtschaftsuniversitäten. „Die vor knapp hundert Jahren in den Vereinigten Staaten gegründeten Wirtschaftsuniversitäten bilden lediglich gute Büroangestellte aus“, schrieb er bereits im Jahr 1969.3 In jüngerer Zeit hat er den Niedergang der Business Schools vorhergesagt, da diese unter einem „verfrühten Erfolg“ litten. „Nun verbessern sie die Vergangenheit ein wenig. Das Schlimmste, was man tun kann, ist zu verbessern, was man überhaupt nie hätte tun sollen.“
Die Wirtschaftshochschulen bleiben der Theorie verhaftet, doch in der Wirtschaft geht es um das praktische Tun. „Ich halte nicht sehr viel von Diplomen. Sie eignen sich nicht, um die Arbeit zu machen. Meine Noten waren nicht so gut wie die anderer, und ich machte die Abschlußprüfung nicht. Der Leiter der Schule rief mich zu sich und erklärte mir, ich müsse die Universität verlassen. Ich sagte ihm, daß ich kein Diplom wollte, da es weniger wert sei als eine Eintrittskarte für das Kino. Eine Eintrittskarte garantierte dir zumindest, daß du hineinkamst. Ein Diplom garantierte für gar nichts.“ Diese Worte stammen von Soichiro Honda, dem Gründer des gleichnamigen Konzerns.4
Mit überraschendem Understatement erklärte der ehemalige Leiter von Chrysler, Lee Iacocca: „In einer formalen Ausbildung kannst du eine Menge lernen, doch viele der im Leben unverzichtbaren Fähigkeiten mußt du allein entwickeln.“ Deutlicher sagte es der verstorbene Leiter von Avis und Autor von Up the Organization, Robert Townsend. „Stellen Sie keine Absolventen der Harvard Business School ein“, lautete seine Warnung. „Dieser Elite fehlen meiner Meinung nach einige grundlegende Voraussetzungen für den Erfolg: Demut, Respekt für die Leute auf der ausführenden Ebene, ein echtes Verständnis für die Natur des Unternehmens und die Leute, die Freude daran haben, es erfolgreich zu machen, Respekt seitens der Untergebenen, nachweisliches Durchsetzungsvermögen, Fleiß, Loyalität gegenüber den Untergebenen, Urteilsvermögen, Fairneß und Aufrichtigkeit unter Druck.“5
Häufig angeführte Beispiele für Menschen, die keinen Abschluß vorweisen konnten und dennoch den Gipfel des geschäftlichen Erfolgs erklommen, sind Bill Gates, Richard Branson von Virgin und Anita Roddick von Body Shop. „Einer meiner größten Vorteile bei der Gründung von The Body Shop bestand darin, daß ich nie eine Wirtschaftsuniversität besucht hatte“, sagt Anita Roddick. Auch Jim McCann, der Gründer von 1-800-Flowers, ist davon überzeugt, daß sein Unternehmen niemals entstanden wäre, hätte er eine Wirtschaftsuniversität besucht: „Ich hätte viel zu viel darüber nachgedacht, warum dieses Geschäft nicht funktionieren konnte.“6
Drittens kann ein Manager von seinen Kollegen lernen. Diese Methode ist sehr wirkungsvoll. Der gegenwärtige Trend zu Mentoring und Coaching zeigt, dass die hochrangigen Manager wesentlich dazu beitragen können, die Fähigkeiten jüngerer Manager zu entwickeln. Doch was ist, wenn der Vorgesetzte eine ineffiziente Führungskraft ist, die lediglich ihre Zeit absitzt und keinerlei Interesse daran hat, Talente für die Zukunft zu fördern? Was, wenn der Vorgesetzte inkompetent ist? Was, wenn die Ambitionen eines aufstrebenden jungen Managers die Sachkenntnis seines Vorgesetzten erheblich übersteigen? Was kann er dann lernen?
Viele Manager suchen die Antwort in einem der vielen Bestseller von Unternehmensleitern. Führungskräfte kaufen Millionen derartiger Bücher. Sie möchten herausfinden, was in den Köpfen erfolgreicher Unternehmenskapitäne vorgeht. Sie wollen die Gehirne dieser großen Männer sezieren. Doch sie werden durchweg enttäuscht. Die meisten Bücher erfolgreicher Manager sind von ihrem alles beherrschenden Ego verzerrt und leben nur von rückblickender Analyse. Sie wurden von Ghostwritern verfaßt und vermitteln eine geisterhafte Botschaft. Zumeist schildern diese Bücher eine Karriere durch die rosarote Brille, anstatt eine objektive Analyse von Managementtechniken zu liefern. Ihr Wert als Lehrmaterial ist beschränkt – was nicht heißen soll, dass sie keinen Unterhaltungswert besitzen.
Diese Reihe über die Geheimnisse großer Manager soll diese Lücke schließen. Das Ziel ist eine objektive Beurteilung der Führungsmethoden und der Denkweise einiger Größen des Business. Bei jedem Unternehmer, der Aufnahme in diese Reihe gefunden hat – sei es Bill Gates, Rupert Murdoch, Richard Branson oder Jack Welch – werfen wir einen genauen Blick darauf, wie er seine Aufgaben in Angriff nimmt. Was unterscheidet seinen Zugang von dem anderer Manager? Wo liegen seine Stärken? Und vor allem: Welche Lehren können aus seinem Erfolg gezogen werden?
McKinsey ist heute längst nicht mehr nur der Name eines Mannes, der schon seit 1937 tot ist. McKinsey ist Programm hunderter Consultants, ist Programm einer gesamten Organisation. Die Frage lautet also weiter: Wie konnte es dazu kommen, dass eine so erfolgreiche Unternehmensberatung – die von sich selbst sagt, dass sie die teuersten Honorare der Welt kassiert – zu dem wurde, was sie heute ist?
Wie Sie sehen werden, verteilen wir die Weisheit nicht mit großen Löffeln. Statt dessen möchten wir Ihnen die Erkenntnis vermitteln, dass Management eher eine Wissenschaft ist, deren Lektionen sich mundgerecht portionieren lassen. „Guru? Von Zeit zu Zeit findet man ja ein Juwel. Aber das meiste ist ziemlich banal“, sagt Rupert Murdoch. „In der Wirtschaftsabteilung von Doubleday's kann man sich mit all diesen wundervollen Titeln eindecken. Dann gibt man 300 Dollar aus, und nach einiger Zeit wirft man sie alle wieder weg.“ Theorie ist etwas für Leute, die Zeit haben. Management hingegen, das ist Action pur.
Das wissen die Leute von McKinsey. Vielleicht nicht besser als alle anderen. Sicher aber besser als die meisten.
Anmerkungen
1 Argyris, Chris, „Teaching smart people how to learn.“ Harvard Business Review, Mai-Juni 1991
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