Kapitel 4.4.2, Verknüpfung des Abzugsverbots mit abstrakter Strafbarkeit:
Die unter diese Kategorie fallenden Tatbestände erfassen die mit abstrakt strafbaren Handlungen verknüpften Abzugsverbote. Sie greifen bereits dann ein, wenn die Gewährung nützlicher Aufwendungen ein Strafdelikt erfüllt. Es kommt demnach nicht mehr auf eine gerichtliche Verurteilung oder die Einstellung des Verfahrens an.
Mittlerweile haben die meisten OECD Unterzeichnerstaaten ein steuerliches Abzugsverbot, was sich an der abstrakten Strafbarkeit orientiert. Dadurch wird sich eine höhere Effizienz bei der Eindämmung von Korruption erhofft, zumal die einschlägigen Fälle dann nicht auf den Ausgang von Gerichtsverfahren angewiesen sind. Die Finanzbehörden sollen vielmehr soweit wie möglich selber entscheiden, ob sie den Abzug nützlicher Aufwendungen verwehren oder nicht.
Neben Deutschland finden sich u.a. auch in Australien, Kanada, der Schweiz und den USA steuerliche Abzugsverbote wieder, die der obigen Struktur entsprechen. Eine ausführliche Beschreibung der entsprechenden Regelungen in den einzelnen Ländern würde an dieser Stelle den Rahmen übersteigen. Daher werden nur die wichtigsten steuerlichen Maßnahmen kurz erläutert.
Australien: Seit dem 1.1.1999 dürfen in Australien gem. sec. 26-52, 53 ITAA 1997 (Einkommensteuergesetz) nützliche Aufwendungen sowie die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht mehr von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Im Gegensatz zum deutschen Abzugsverbot finden keine Verweise auf das Strafrecht statt, sondern die entsprechenden Tatbestände wurden direkt in das Steuerrecht übernommen. So dürfen gem. sec. 26-53 (1) ITAA 1997 Ausgaben und Verluste nicht steuermindernd geltend gemacht werden, wenn Bestechungsgelder an inländische- oder ausländischer Amtsträger ergangen sind.
Als Besonderheit kann die Regelung in sec. 26-52 (3) ITAA 1997 angesehen werden. Hiernach liegt im internationalen Kontext keine Bestechungstat vor, wenn diese im anderen Staat rechtens ist. Auch dürfen nützliche Aufwendungen abgezogen werden, die für routinemäßige Regierungs- und Verwaltungsaufgaben verwendet werden, um Vorgänge zu beschleunigen (z.B. bei der Erlangung von Visa, bei Telekomleistungen...). Weiterhin existiert in Australien kein gesetzliches Abzugsverbot für Bestechungsgelder an Empfänger national und international privater Unternehmen bzw. Organisationen.
Aufgrund dieser aus deutscher Sicht eher weicheren Gesetzgebung mag es verwundern, dass Australien in nahezu allen Korruptionsindizes Spitzenplätze belegt.
Kanada: Bereits im Jahre 1991 wurde in Kanada durch eine Modifizierung des Income Tax Act (Einkommensteuergesetz) ein steuerliches Abzugsverbot für nützliche Aufwendungen normiert, wenn diese gegen Sec. 3 Corruption Act (Strafgesetz) verstießen. Sec. 67.5 (1) Income Tax Act beinhaltet seitdem eine enumerative Aufzählung von Straftatbeständen ggü. Amtsträgern. So wird neben der Bestechung von Richtern und Parlamentsmitgliedern auch Korruption in der öffentlichen Verwaltung sanktioniert. Ähnlich wie im niederländischen Recht wurde auf eine Unterscheidung zwischen Zuwendungen für künftiges oder vergangenes Handeln verzichtet.
Das OECD-Übereinkommen wurde durch den Corruption of Foreign Public Officials Act (COFPOA) vom 10.12.1998 in nationales Recht umgesetzt. Gem. Sec. 3. (1) COFPOA wird jede Person bestraft, die einem ausländischen Amtsträger oder einem Dritten direkt oder indirekt Vorteile jeglicher Art gewährt oder anbietet. Vergleichbar mit den australischen Regelungen werden jedoch Zahlungen gem. Sec. 3. (4) COFPOA für routinemäßige Regierungs- oder Verwaltungsaufgaben oder wenn diese im anderen Staat üblich sind, nicht als nützliche Aufwendungen klassifiziert.
In Sec. 426 (1) (a) Criminal Code wird weiterhin die Bestechung von Bediensteten des privaten Sektors unter Strafe gestellt. Bei Taten mit Auslandsbezug erfolgt eine Sanktionierung jedoch nur, wenn die Tat auf kanadischem Boden begangen und ein kanadisches Rechtsgut verletzt wurde.
Im Vergleich zur deutschen Regelung weisst auch das kanadische Abzugsverbot mehr Ausweichmöglichkeiten auf. Dennoch wird Kanada, ähnlich wie Australien, in den internationalen Korruptionsindizes als wenig korrupt evaluiert.
Schweiz: Mit dem Bundesgesetz über die Unzulässigkeit steuerlicher Abzüge von Bestechungsgeldern sind in der Schweiz seit dem 1.1.2001 gem. Art. 27 Abs. 3 und Art. 59 Abs. 2 DBG (Direktes Bundessteuergesetz) nützliche Aufwendungen ggü. Amtsträgern nicht mehr von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehbar. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen die in Art. 322ter StGB enumerierten Straftatbestände.
Im Unterschied zur deutschen Regelung unterliegen jedoch die mit den Zahlungen verbundenen Aufwendungen nicht dem Abzugsverbot. Außerdem wird eine strenge Trennung zwischen Bestechungs- und Schmiergeldern vorgenommen. Erstere werden ausschließlich im Zusammenhang mit Vorteilszuwendungen an mit öffentlichen Aufgaben betraute Personen (Beamte, Richter u.a.) gesehen. Schmiergelder liegen hingegen vor, wenn Angestellte oder Unternehmen des Privatrechts illegal bevorteilt werden. Diese Unterscheidung soll aufzeigen, dass nur Bestechungsgelder vom Abzugsverbot betroffen sind. Schmiergelder dürfen dafür im Rahmen von In- und Auslandszahlungen uneingeschränkt von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Eine Gleichstellung mit ausländischen Amtsträgern wurde in der Schweiz durch die Umsetzung des OECD-Übereinkommens zum 1.1.2001 erreicht. Art. 322 septies StGB stellt seitdem die aktive Bestechung fremder Amtsträger sowohl für zukünftige als auch für vergangene Handlungen unter Strafe. Ähnlich wie im kanadischen Recht muss dabei jedoch ein enger Bezug zum schweizer Territorium gegeben sein. Verwunderlich ist auch in diesem Zusammenhang wieder die Kombination von, im Vergleich zu Deutschland, weicheren steuerlichen Korruptionsvorschriften und einem sehr guten Abschneiden in den internationalen Korruptionsindizes. Daher müssen weitere Einflussfaktoren (Wohlstand, gesellschaftlicher Diskurs u.a.) vorliegen, die wirtschaftskriminelle Vorgehensweisen unattraktiv erscheinen lassen.
USA: Einleitend wurde bereits deutlich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika schon früh Maßnahmen getroffen haben, um Korruption entgegenzuwirken. Die einschlägige Vorschrift zur steuerlichen Versagung der Abziehbarkeit von nützlichen Aufwendungen ist der Internal Revenue Code (IRC) § 162 (c). Dort heisst es in Absatz 2: „(...) no deduction shall be allowed (...) for any payment made, directly or indirectly, to any person, if the payment constitutes an illegal bribe, illegal kickback, or other illegal payment under any law of the United States, or under any law of a State, which subjects the payer to a criminal penalty (...).
Im Gegensatz zum deutschen Abzugsverbot wird mit dieser Formulierung sofort offenkundig, dass keine Unterschiede beim Adressatenkreis vorgenommen werden. „To any Person“ bezieht demnach auch Freiberufler und Geschäftsinhaber ein. Außerdem werden sowohl Amtsträger als auch privatwirtschaftliche Unternehmen erfasst.
Die einschlägigen Tatbestände ggü. in- und ausländischen Amtsträgern sind im amerikanischen Bundesrecht durch U.S.C. Title 18, Sec. 201 bis 225 i.V.m U.S.C. Title 15, sec.78, 78 dd-1 und 78 dd-2 geregelt. Danach dürfen die oben aufgelisteten Zahlungen an Kongressmitglieder, Delegierte, Behördenleiter, Staatsbeamte und Staatsangestellte nicht zum Abzug von der steuerlichen Bemessungsgrundlage führen. Um eine Erleichterung des Bürokratismus' zu gewährleisten, muss der Wert des Vorteils jedoch über 5.000 US-Dollar betragen. Dies gilt gem. § 103 (a), Sec. 30 A. (c ) (1) FCPA auch für Zahlungen an ausländische Amtsträger.
Einer expliziten Umsetzung des OECD-Übereinkommens bedurfte es nicht, da die Regelungen des Foreign Corrupt Practices Act und des Omnibus Trade and Competiveness Act of 1988 als Vorlage für dieses galten.
Ähnlich wie im australischen und kanadischen Recht entfällt das Abzugsverbot für nützliche Aufwendungen ggü. ausländischen Amtsträgern, wenn der Vorteil im Rahmen einer routinemäßigen Verwaltungshandlung zugewendet wird oder wenn dieser im Empfängerland rechtmäßig ist. Letztere Regelung gilt auch für Zahlungen ggü. ausländischen Personen oder Unternehmen der Privatwirtschaft.
Obwohl die Vereinigten Staaten schon frühzeitig umfangreiche Maßnahmen zur Korruptionseindämmung ergriffen haben, belegen sie in den meisten Korruptionsindizes nur mittlere Plätze. Dies mag verwundern, zumal ähnliche Regelungen in anderen Ländern zu weitaus besseren Ergebnissen führen. Auch die Strafgesetzgebung scheint keine abschreckende Wirkung zu entfalten, obwohl diese mit Sanktion von bis zu 15 Jahren Gefängnis zu den strengsten weltweit zählt. Als nachteilig muss jedoch die Nichtberücksichtigung von Zahlungen unter 5000 Dollar angesehen werden. Hierdurch eröffnen sich zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten. So könnten bspw. hohe Beträge in kleineren Tranchen übermittelt werden, ohne dass dadurch ein Strafgesetz berührt wird.