Mit dem neuen § 4h EStG und dem komplett neu gefassten § 8a KStG verfolgt der Gesetzgeber mehrere Ziele: Erstens möchte dieser dadurch vermeiden, dass allein aus Steueroptimierungsgründen eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt wird; daneben soll die Zinsschranke verhindern, dass Konzerne über Fremdkapitalkonstruktionen in Deutschland erzielte Gewinne ins Ausland und Aufwendungen ins Inland verschieben.[4] Die gewinnabhängige Abzugsbeschränkung gibt einem Konzern zudem Anreize, Gewinne ins Inland zu verlagern, da dadurch die Abzugsmöglichkeiten für Fremdfinanzierungsaufwand verbessert werden. Aufgrund der Ausgestaltung und Gesetzesbegründung wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber vor allem auf international agierende Konzerne abzielt.[5] Die Zinsschranke dient damit nicht nur dem Ersatz von § 8a KStG a. F., sondern auch der Sanktionierung von steuerlich motivierten Ergebnisverlagerungen.[6] Dadurch soll das „inländische Steuersubstrat“ gesichert werden.[7] Die erwarteten Mehreinnahmen aus § 4h EStG und dem neu gestalteten § 8a KStG werden auf rund 1,0 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt[8] und dienen zur Finanzierung der beschlossenen Ertragsteuersenkung.[9] Somit stellt die Zinsschranke – die für alle Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 2007 enden – eine der wichtigen Gegenfinanzierungsmaßnahmen für die ebenfalls ab Veranlagungszeitraum 2008 beschlossenen Steuersatzsenkungen[10] dar.[11]
Die Zinsschrankenregelung ist – obwohl die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Verhinderung grenzüberschreitender Gestaltungen abstellt – auch auf reine Inlandssachverhalte anwendbar; dadurch wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Neuregelung nicht gegen EG-Recht verstößt.[12] Sie erweitert den Anwendungsbereich des § 8a KStG insoweit, als nicht nur Gesellschafter-, sondern alle Fremdfinanzierungen (also insbesondere auch Bankfinanzierungen) betroffen sind.[13]
Die neue Regelung des § 4h Abs. 1 EStG besagt, dass Zinsen nur in Höhe des Zinsertrags und darüber hinaus nur bis zu 30 Prozent des maßgebenden Gewinns steuerlich abziehbar sind.[14] Aufgrund der Ausgestaltung des beschränkten Zinsabzuges als Grundfall, muss der Steuerpflichtige – der in den „Genuss“ des vollen Zinsabzuges kommen möchte – dem Finanzamt das Vorliegen einer der folgenden Ausnahmen nachweisen (§ 4h Abs. 2 EStG):
Freigrenze:
Der negative Zinssaldo (Zinserträge abzüglich Zinsaufwendungen) beträgt weniger als 1 Mio. Euro.
Konzernfreie Betriebe („Stand-alone-Klausel“):
Der betrachtete Betrieb gehört nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern. Die Stand-alone-Klausel ist – wie auch die Escape-Klausel – bei Körperschaften nicht anwendbar, wenn eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt.[15]
Eigenkapitalquotenvergleich („Escape-Klausel“):
Der fremdfinanzierte Betrieb gehört zu einem Konzern, kann aber nachweisen, dass seine Eigenkapitalquote zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres gleich hoch oder höher ist als die Eigenkapitalquote des Konzerns zu dem der Betrieb gehört, wobei eine Unterschreitung um bis zu einen Prozentpunkt unschädlich ist.[16]
Experten kritisieren heftig, dass der Gesetzgeber dadurch den Missbrauchsfall zur Grundregel macht und der vollständige Abzug betrieblich bedingter Zinsaufwendungen zum Ausnahmefall wird.[17] Sofern nicht abziehbare Zinsüberhänge vorliegen, werden diese gesondert festgestellt und können unbegrenzt in die Zukunft vorgetragen werden. Dieser Zinsvortrag erhöht den in den Folgejahren abziehbaren Zinsaufwand, jedoch nicht den steuerpflichtigen Gewinn und damit nicht die Bemessungsgrundlage für das Abzugsvolumen.[18]
Eine übersichtliche grafische Darstellung der einzelnen Prüfungsschritte bei der Zinsschrankenregelung (Prüfungsschema) befindet sich in Anlage 3 – Seite 29 – dieser Studienarbeit.
Sowohl der Referentenentwurf[19] vom 5. Februar 2007 als auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung[20] vom 27. März 2007 definierte den maßgebenden Gewinn als den nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten steuerpflichtigen Gewinn (maßgeblicher Gewinn im Sinne des § 4h Abs. 3 EStG) abzüglich Zinserträgen und zuzüglich Zinsaufwendungen – also das „steuerliche EBIT“.[21] In der Praxis kann sich das steuerliche EBIT von dem in der Betriebswirtschaftslehre üblicherweise verwendeten EBIT drastisch unterscheiden.[22]
Fachleute kritisierten heftig, dass dadurch auch fremdfinanzierte inländische Anlage- und F&E-Investitionen bestraft werden. Deshalb forderten sie die Bezugsgröße für die Zinsschranke um Abschreibungen und F&E-Aufwendungen zu erhöhen.[23] Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im Bundestag fanden diese Vorschläge zumindest teilweise Berücksichtigung. Die wesentlichste Änderung in der vom Bundestag und Bundesrat beschlossen Gesetzesfassung[24] stellte die Erhöhung des maßgeblichen Gewinns um Abschreibungen dar; der steuerpflichtige Gewinn ist somit um Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG (Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter), § 6 Abs. 2a Satz 2 EStG (Abschreibungen auf Sammelposten) und § 7 EStG abgesetzten Beträge zu erhöhen sowie um Zinserträge zu vermindern.[25] Folglich ist jetzt das „steuerliche EBITDA“ als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (siehe auch Berechnung des steuerlichen EBITDA in Anlage 4 auf Seite 30).[26]
Bei Körperschaften – insbesondere zum Beispiel Kapitalgesellschaften – ergibt sich die Anwendung der Zinsschranke (§ 4h EStG) aus § 8a Abs. 1 KStG. Das Gesetz stellt bei ihnen nicht auf den Gewinn, sondern auf das Einkommen ab, was nach der Begründung unter anderem zur Folge haben soll, dass verdeckte Gewinnausschüttungen und Spenden im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG das steuerliche EBITDA und damit das Zinsabzugvolumen erhöhen.[27] Aufgrund des steuerlichen EBITDA als Bemessungsgrundlage ergibt sich, dass aus Gewinnausschüttungen nur die steuerpflichtigen 5 Prozent (§ 8b Abs. 5 KStG) für eine Erhöhung des Zinsabzugvolumens zur Verfügung stehen, was insbesondere bei Holdinggesellschaften[28] zu Problemen führen kann.[29]
Von der Zinsschranke erfasste Zinsaufwendungen (der nichtabzugsfähige Teil des Nettozinsaufwands) sind grundsätzlich nur als temporär nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu qualifizieren. Gemäß § 4h Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG können sie unbegrenzt in folgende Wirtschaftsjahre vorgetragen und dort unter Beachtung der Zinsschrankenregelung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen abgezogen werden. Sie erhöhen die Zinsaufwendungen dieser Wirtschaftsjahre, jedoch nicht den maßgeblichen Gewinn.[30] Eine Nutzung des Zinsvortrags in späteren Perioden ist daher nur dann möglich, wenn sich das Verhältnis von steuerlichem EBITDA zu Nettozinsaufwand gegenüber der aktuellen Periode (signifikant) zugunsten des steuerlichen EBITDA verändert oder wenn eine Befreiung von der Zinsschranke gelingt (insbesondere durch Eigenkapitalvergleich).[31] Die Bundesregierung erhofft sich dadurch Anreize für eine Gewinnverlagerung ins Inland. Jedoch besteht für Unternehmen mit einer dauerhaft hohen Fremdkapitalquote die Gefahr, dass der Zinsvortrag nicht genutzt werden kann; hier kann die Zinsschranke zu einer steuerlichen Definitivbelastung führen.[32] Als Vorschrift der Gewinnermittlung hat der Zinsvortrag Vorrang vor dem Verlustvortrag, der ebenfalls jährlich gesondert festgestellt wird.[33]
Gemäß § 4h Abs. 4 EStG wird der Zinsvortrag betriebsbezogen ermittelt und ist gesondert festzustellen. Bei Aufgabe oder Übertragung geht ein nicht verbrauchter Zinsvortrag vollständig unter; scheidet ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft aus, so geht der Zinsvortrag in Höhe der Beteiligungsquote unter (§ 4h Abs. 5 EStG).[34] Bei Körperschaften gelten gemäß § 8a Abs. 1 KStG die Regelungen zum Verlustabzug des § 8c KStG entsprechend. Somit geht ein Zinsvortrag bei Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen (ggf. anteilig) unter.[35] Dies...