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Die Vision einer neuen Familienkultur: Die Anwendung von Rogers' personenzentriertem Ansatz auf das Zusammenleben

AutorNadja Baudry
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783961461530
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Wir alle haben eine Familie, aus der wir stammen und/oder bei der wir aufgewachsen sind. Uns alle betreffen auf irgendeine Art und Weise das Zusammenleben, die Kommunikation und die Auseinandersetzung mit unserer Herkunftsfamilie und mit der später selbst gegründeten Familie. Verläuft dieses Miteinander harmonisch und liebevoll, offen und wachstumsfördernd, können sich die einzelnen Persönlichkeiten durch den Halt und die Kraft der Gemeinschaft voll entwickeln und Potenziale werden freigesetzt. Zerfällt die Gemeinschaft hingegen, kann ein ähnlich großes Potenzial an Zerstörungskraft aus ihr entstehen. Es obliegt der Verantwortung jedes einzelnen Familienmitglieds, über die Entwicklung seiner Gemeinschaft zu entscheiden. Das Projekt Familie kann damit eine der größten Chancen im Leben sein, in der Persönlichkeit zu wachsen und sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Potenziale zu entfalten. Es kann aber auch eines der größten Schicksale sein, das uns zu ewigen Opfern unserer Kindheit macht, wenn wir alte Verletzungen und Missverständnisse aus der Herkunftsfamilie weitertragen und, sei es unbewusst oder bewusst, den Kreislauf fortsetzen. Dieses Buch ist für alle Menschen geschrieben, denen das 'normale' Alltagsleben mit ihren Lieben nicht ausreicht. Für all diejenigen, die wissen, dass es nicht nur mehr gibt, als wir im Leben sehen und messen können, sondern dass auch viel mehr umsetzbar ist und dass zwischenmenschliche Beziehungen viel mehr sein können als nur eine gut funktionierende Gemeinschaft. Dieses Werk ist eine korrigierte Neuausgabe des 2012 veröffentlichten Buches 'Die Vision der personenzentrierten Familie'.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.2.5 Über den Zusammenhang des P.E.T und der personenzentrierten Familie: Thomas Gordon hat mit seinem Elterntrainingsprogramm ein stark präventiv ausgerichtetes Konzept entworfen, welches Eltern klare Verhaltensprinzipien für den Alltag mit Kindern an die Hand gibt. Die Überzeugung, dass man präventiv arbeiten muss, wenn man nachhaltige Verbesserungen der psychischen Gesundheit innerhalb einer Gesellschaft herbeiführen will, teilen Gordons und Rogers Arbeiten. Ebenso greift Gordon in seinem Modell und in seinen Trainings die grundlegenden Prinzipien wie Kongruenz, Transparenz und Gleichwertigkeit des personenzentrierten Ansatzes auf und richtet danach seine entwickelten Verhaltensprinzipien für Eltern aus. Eine der bedeutendsten Gemeinsamkeiten des P.E.T. und des personenzentrierten Ansatzes ist die zugrundeliegende Überzeugung, dass Verhaltensänderung nur passieren kann, wenn eine Veränderung in der Wahrnehmung erfahren wird und dass diese Erfahrung nicht durch intellektuelles Erkennen bzw. kognitives Verstehen ersetzt werden kann. Diese Annahme nimmt der Ausübung von Macht und Autorität ihren Sinn. Wie schon im Kapitel über das Elterntraining von Gordon erläutert, führt Zwang niemals nachhaltig zu Verhaltensänderung, da keine persönliche Überzeugung die Motivation für das veränderte Verhalten ist, sondern lediglich der punktuell ausgeübte Druck. Sobald dieser nachlässt, kehrt der Unterdrückte zu seinen alten Verhaltensweisen zurück. Die konstruktiven Kräfte, welche zu einer veränderten Wahrnehmung führen, liegen demnach also in der Person selbst und können zwar extern stimuliert bzw. motiviert, aber nicht herbeigeführt werden. Es besteht kein Zweifel über den Zusammenhang von Carl Rogers' personenzentriertem Ansatz und Gordons Modell der Konfliktlösungs- und Kommunikationsfertigkeiten. Dennoch muss festgehalten werden, dass sich Gordon in seinen Arbeiten zwar auf diverse Bereiche von zwischenmenschlichen Beziehungen bezieht (z.B. das Arbeitsverhältnis zwischen Vorgesetztem und Angestelltem, die Paarbeziehung sowie die Eltern-Kind-Beziehung), die Familie aber, nach meiner persönlichen Einschätzung, nicht ausreichend in ihrer Gesamtheit betrachtet wird. Die einzelnen Beziehungen innerhalb der Familie werden durchaus berücksichtigt, aber nicht ihr Zusammenspiel als 'Gruppe'. Der eindeutige Schwerpunkt von Gordons Eltern- und Familientraining liegt in der Erziehung und den Bedürfnissen des Kindes. Eltern können sich aber nur entsprechend verhalten und verändern, wenn sie im Umgang mit sich selbst bestimmte Fähigkeiten beherrschen. Wie man als Erwachsener aber sein Bewusstsein erweitert und seine Wahrnehmung schärft, um im Familienalltag aufmerksamer und reflektierter handeln zu können, wird nicht erklärt. Darüber hinaus fällt auf, dass Rogers in seinen Werken 'Die Kraft des Guten', 'Der neue Mensch' und 'Entwicklung der Persönlichkeit' immer darauf bedacht ist, den Leser an seinen Erfahrungen und Entwicklungen teilhaben zu lassen. Dabei haben selbst seine mit tiefster Überzeugung geschriebenen Gedanken, Hypothesen und Techniken immer einen anbietenden Charakter, welcher es dem Leser überlässt, ob er diese Ansichten teilen möchte, sie als Inspiration für eigene Ideen annimmt oder sie ablehnt. Er betont sogar, dass er es als wünschenswert empfindet, wenn seine Annahmen und Ergebnisse in Frage gestellt und überprüft werden, da dies der Qualitätssicherung dient und sich die Forschung nur auf diese Weise weiterentwickeln kann. Die Werke 'Das Gordon-Modell', 'Die neue Beziehungskonferenz' und 'Die neue Familienkonferenz' von Gordon hingegen haben einen etwas dogmatischeren Charakter, da die Prinzipien und Leitsätze klar vorgegeben sind und keinen Raum für individuelle Anpassung lassen. Da aber jedes Kind und jedes Elternteil in seinem Charakter und in seiner Art, sich zu verhalten, zu denken, zu kommunizieren, zu verstehen und sich zu entwickeln, einzigartig ist, kann es kein allgemein gültiges Regelwerk von Verhaltens- und Kommunikationsprinzipien geben, mit dem alle Menschen zurechtkommen. Außerdem begründet Gordon den Großteil aller familiären Probleme in dem Machtgefälle zwischen Eltern und Kindern. Seine Ausführungen diesbezüglich sind logisch und nachvollziehbar, greifen aber bei der Umsetzung des personenzentrierten Ansatzes auf das Familienleben meiner Meinung nach zu kurz. Der Grund dafür ist, dass Gordon ausschließlich das Thema Erziehung beleuchtet, diese aber nur ein Aspekt des Familienlebens ist. Die Familie als Ganzes ist aber mehr als nur Erziehung. Sie ist auch mehr, als nur die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern. Die Familie ist eine soziale Gruppe, innerhalb derer es sowohl die Eltern-Kind-Beziehung, als auch die Paarbeziehung der Eltern sowie u.U. die Geschwisterbeziehungen gibt. Die Familie ist eine Gemeinschaft mit sozialer Interaktion zwischen allen Mitgliedern, die es zu betrachten gilt. Ihr Zusammenleben ist gekennzeichnet von gleichzeitiger Kontinuität und Dynamik. Jede Familie hat sozusagen ihre eigene 'Kultur', welche aus den jeweils spezifischen Verhaltens- und Kommunikationsmustern, Werthaltungen, Ideologien, Rollenverteilungen und Identifikationen besteht.
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