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E-Book

Die Welfen

Das Haus Hannover 1692 bis 1918

AutorBarbara Beck
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2014
Reihemarixwissen 
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843804240
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Das Barockzeitalter brachte dem Haus Hannover, einem Zweig des uralten Fürstengeschlechts der Welfen, einen unglaublich glanzvollen Aufstieg. Ursprünglich in seiner Machtbasis ganz auf den norddeutschen Raum beschränkt, öffnete sich ihm 1714 dank glücklicher Umstände der Weg auf den britischen Thron und damit auf europäische, sogar auf außereuropäische Bedeutung. Der abwechslungsreichen und spannenden Geschichte dieser deutschen Dynastie spürt das Buch für den Zeitraum zwischen 1692 und 1918 nach. Kurzporträts von 21 bekannten und interessanten Mitgliedern der welfischen Familie sind in prägnante Einführungstexte über die geschichtlichen Zusammenhänge eingebettet. Zusätzlich vermitteln kulturgeschichtliche Sonderkapitel lebendige Einblicke in eine vergangene Welt.

Dr. Barbara Beck, geboren 1961 in München, ist Historikerin. Seit ihrem Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Volkskunde in Augsburg und München ist sie vor allem im kulturhistorischen Ausstellungsbereich (u.a. für das Haus der Bayerischen Geschichte und die Bayerische Schlösserverwaltung) tätig. Sie hat zu den unterschiedlichsten historischen und kunsthistorischen Themen Bücher und Beiträge verfasst. Bereits bei marixwissen erschienen: Die berühmtesten Frauen der Weltgeschichte. Vom 18. Jahrhundert bis heute sowie Die großen Herrscherinnen und Regentinnen. Vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart.

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Leseprobe

Ernst August


* 1629 in Herzberg am Harz

† 1698 in Herrenhausen bei Hannover

Fürstbischof von Osnabrück,

Kurfürst von Hannover

Als jüngster von vier Söhnen des Herzogs Georg von Calenberg und dessen Gemahlin Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt am 20. November 1629 geboren, besaß Ernst August keine Ansprüche auf ein eigenes Territorium. Dank seines unbeugsamen Machtwillens und Ehrgeizes sowie einer Portion Glück gelang ihm allerdings eine bemerkenswerte Karriere unter den Fürsten seiner Zeit.

Eine erste Versorgung sicherte dem nachgeborenen Prinzen 1646 die Wahl zum Koadjutor des Erzstifts Magdeburg, die jedoch nicht von Dauer war. Das Haus Braunschweig-Lüneburg verlor auf dem Westfälischen Friedenskongress in Osnabrück neben Magdeburg auch die Koadjutorien von Bremen, Halberstadt und Ratzeburg. Für Ernst August eröffnete sich hingegen durch den Westfälischen Friedensvertrag von 1648 die Aussicht auf eine eigenständige Herrschaft. Da nun im Hochstift Osnabrück gemäß dieses Vertrags ein katholischer Bischof im Wechsel mit einem protestantischen Prinzen aus der jüngeren Linie des Hauses Braunschweig-Lüneburg regieren sollte, wurde der Lutheraner Ernst August zum Nachfolger des derzeitigen katholischen Bischofs Franz Wilhelm Graf von Wartenberg nominiert.

»Er gefiel jedermann. Aber da er der jüngste von vier Brüdern war, so sah man ihn nicht als einen zum Heiraten geeigneten Prinzen an«, erinnerte sich später Ernst Augusts Gemahlin. Der Welfe verdankte seine prestigeträchtige Ehe mit Sophie von der Pfalz nicht seinem gewinnenden Auftreten, sondern einem unerwarteten »Brauttausch«. Eigentlich hätte sein fünf Jahre älterer Bruder Georg Wilhelm die Prinzessin heiraten sollen. Kurz vor der Hochzeit machte der Verlobte jedoch einen Rückzieher und überließ stattdessen dem jüngeren Bruder seine Braut mit der Zusicherung, dass er ehelos bleiben und ihm sein Fürstentum vermachen werde. Als Ernst August im Oktober 1658 die Wittelsbacherin in Heidelberg heiratete, konnte er allerdings noch nicht wissen, dass diese Verbindung mit der Enkelin des Stuart-Königs Jakob I. seinem Haus die Anwartschaft auf die englische Krone einbringen würde. Aus der Ehe mit Sophie stammten sieben Kinder. Ernst Augusts außereheliche Beziehungen nahm seine Gemahlin scheinbar weitgehend mit Gleichmut hin. Auch mit der langjährigen Mätresse ihres Gatten, Clara Elisabeth von Platen, wusste sie sich zu arrangieren.

Als der Osnabrücker Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg im Dezember 1661 starb, folgte ihm Ernst August gemäß den vertraglichen Bestimmungen als erster Protestant auf den bischöflichen Stuhl nach. Dem Welfen gelang es als Landesherr, die Stände im Hochstift systematisch in ihrem politischen Einfluss zurückzudrängen. Weil das seit dem 12. Jahrhundert als Bischofsresidenz dienende Schloss Iburg südlich von Osnabrück seinem gesteigerten Repräsentations- und Platzbedürfnis nicht mehr genügte, ließ er sich aus privaten Mitteln in der Hauptstadt Osnabrück zwischen 1667 und 1675 eine neue Residenz errichten, in der sich auch sein landesherrlicher Machtanspruch spiegelte. Eine dauerhafte Versorgung für seine Kinder sicherte ihm erst sein Herrschaftsantritt im Fürstentum Calenberg-Göttingen-Grubenhagen mit der Residenzstadt Hannover. Da sein 1679 verstorbener älterer Bruder Johann Friedrich nur Töchter hinterließ, konnte Ernst August ihn beerben. Spöttisch kommentierte sein Schwager, Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, diesen glückhaften Aufstieg Ernst Augusts zum regierenden Herzog mit den Worten: »Unser Herr Gott gibt den seinigen schlaffendt.«

Das Leineschloss in Hannover formte Ernst August zu einem zeitgemäßen fürstlichen Herrschaftssitz um. Sein kluges politisches Vorgehen äußerte sich in der geschickten Auswahl geeigneter Berater und Diplomaten. Mit der von ihm am 18. Februar 1680 erlassenen sogenannten Regimentsordnung wurde das System der hannoverschen Zentralbehörden noch für das 18. Jahrhundert festgeschrieben.

Weil sich sein Bruder Georg Wilhelm entgegen den früheren Zusicherungen zu Ernst Augusts Beunruhigung doch verehelicht hatte, wurde eine Lösung mittels Heirat ihrer Kinder gefunden. Im Dezember 1682 vermählte sich Georg Wilhelms Tochter und einzige Erbin Sophie Dorothea mit ihrem Vetter Georg Ludwig. Auf diese Weise wurde endgültig sichergestellt, dass das Fürstentum Lüneburg mit der Residenz Celle an Ernst Augusts Nachkommen fiel. Zugleich bot diese künftige Vereinigung der beiden Fürstentümer eine ausreichende territoriale Basis im Ringen um die von Ernst August angestrebte Kurwürde.

Eine weitere wichtige Maßnahme auf dem Weg zur Kur für das Haus Hannover war die Einführung der Primogenitur, des Erbfolgerechts des Erstgeborenen. Um späteren Erbteilungen vorzubeugen und die territoriale Einheit zu sichern, führte Ernst August mit kaiserlicher Bestätigung vom Juli 1683 das Erstgeburtsrecht ein. Als 1685 diese zunächst geheim gehaltene Regelung bekannt wurde, löste dies den heftigen Widerstand seiner fünf jüngeren Söhne aus, die darin zeitweise von ihrer Mutter unterstützt wurden. Fast 20 Jahre lang zog sich der »Prinzenstreit« hin, bis er Anfang des 18. Jahrhunderts erlosch. Als der Konflikt allerdings 1691 in einer Verschwörung seines Sohnes Maximilian Wilhelm eskalierte, griff Herzog Ernst August rücksichtslos durch. Während der Prinz mit zeitweiliger Festungshaft davonkam, ließ Ernst August dessen Komplizen, den in herzoglichem Dienst stehenden Oberjägermeister Otto Friedrich von Moltke, 1692 hinrichten. An der Primogenitur führte für Ernst August kein Weg vorbei, um die Kurwürde zu bekommen. Dieses Ziel, das nicht nur das Ansehen seines Hauses innerhalb der fürstlichen Welt erhöhen, sondern ihm auch mehr politischen Einfluss verschaffen sollte, verlor der ehrgeizige Welfe nicht aus den Augen. Ohne größere Bedenken wechselte er deshalb seinen politischen Kurs, wenn ihm dies zur Erlangung des Kurhuts geboten erschien. 1692 wurde ihm tatsächlich die neunte Kur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation durch Kaiser Leopold I. verliehen. Der Kaiser erhoffte sich davon den Gewinn eines Verbündeten in Norddeutschland.

Als typischer Fürst der Barockzeit führte Ernst August einen glänzenden Hof, was gleichzeitig seinen Machtanspruch unterstreichen sowie Ruhm und Prestige seines Hauses mehren sollte. Den Höhepunkt des höfischen Lebens in Hannover bildete der unter ihm aufwendig gefeierte Karneval, der Anlass für opulente Opern- und Theaterinszenierungen war. Auf seinen ausgedehnten Italienreisen war Ernst August zum Opernliebhaber geworden und förderte nun diese Kunstgattung in Hannover. Er holte nicht nur den bedeutenden italienischen Komponisten Agostino Steffani als Kapellmeister an seinen Hof, sondern ließ auch eigens ein prächtiges Opern- und Theaterhaus neben dem Leineschloss in Hannover errichten. Das Theater wurde im Januar 1689 mit der Uraufführung von Steffanis Oper »Enrico Leone« eröffnet. Der dabei betriebene Prunk stand in engem Zusammenhang mit der erstrebten Kurwürde. Während das Theater im 19. Jahrhundert abgerissen wurde, blieb eine andere hervorragende kulturelle Schöpfung von Ernst August und seiner Gattin Sophie erhalten: der Große Garten der Sommerresidenz Herrenhausen mit seinem barocken Gartentheater. Eindrucksvoll ließen sich hier Fest und Repräsentation miteinander verbinden. Zum höfischen Umfeld gehörte auch der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz, den einst Herzog Johann Friedrich als Bibliothekar an den Hof in Hannover geholt hatte. Im Gegensatz zu Sophie blieben Ernst August das Werk und die Bedeutung von Leibniz im Grunde fremd, obwohl dieser in seinem Auftrag an einer Geschichte des Welfenhauses arbeitete.

Ernst Augusts letzte Lebensjahre waren von familiären Schicksalsschlägen und politischen Rückschritten überschattet. Zwei seiner jüngeren Söhne verloren ihr Leben im Dezember 1690 auf den Schlachtfeldern des Großen Türkenkrieges. Das Ansehen seines eben erst zu kurfürstlichen Würden aufgestiegenen Hauses gefährdete das Ehedesaster seines ältesten Sohnes Georg Ludwig, das sich in Verbindung mit der Königsmarck-Affäre zu einer Staatsaffäre entwickelte. Die Scheidung sowie die lebenslange Gefangenschaft seiner einstigen Schwiegertochter Sophie Dorothea erregten europaweit Aufsehen. Wirklich anerkannt war der Kurhut für Ernst August und seine Nachkommen zu diesem Zeitpunkt keineswegs. In- und ausländische Mächte machten Front gegen die Kur für Hannover, die erst nach Ernst Augusts Tod endgültig anerkannt werden sollte.

Gesundheitlich schwer angeschlagen durch mehrere Schlaganfälle, die zu Sprach- und Bewegungsstörungen führten, musste Ernst August die Lenkung der Staatsgeschäfte zunehmend dem Kurprinzen Georg Ludwig überlassen. Mit seiner Ehefrau Sophie versöhnte sich der Kurfürst wieder; denn ihr Verhältnis war durch den Prinzenstreit stark belastet worden....

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