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Die Welt des Denkens

Kognitive Einheit, kulturelle Vielfalt

AutorAndrea Bender, Sieghard Beller
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783456952246
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Eintauchen in die Welt des Denkens

Wir alle lernen es schon als kleine Kinder, und trotzdem fällt es uns auch als Erwachsene noch schwer: uns einzustellen auf das Denken anderer Menschen. Sehen Sie die Welt genau so wie wir oder stellt sie sich aus ihrer Perspektive ganz anders dar? Gerade im Kontakt mit fremden Kulturen spitzt sich diese Frage besonders zu: Hängt das, was Menschen wahrnehmen, denken und fühlen – womöglich sogar wie sie es tun – grundsätzlich davon ab, in welcher Kultur sie aufgewachsen sind? Oder gibt es doch mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes? Und wie kann man das eigentlich untersuchen?

Andrea Bender und Sieghard Beller forschen seit vielen Jahren im Grenzgebiet zwischen Psychologie, Linguistik und Ethnologie und nehmen uns mit auf eine faszinierende wissenschaftliche Reise durch das weitläufige Gebiet der Kognitionen und rund um den Erdball. So lernen wir beispielsweise bei den Shuara-Indianern Südamerikas, wie ethnobiologisches Wissen organisiert ist, bei den Kpelle Afrikas, was Sprache mit der räumlichen Orientierung zu tun hat, und bei den Samoanern Polynesiens, wie sich die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme entwickelt.
Kognition und Kultur sind eng verwoben – wie eng, zeigt dieses Buch an neun Fallbeispielen auf.

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Kapitelübersicht
  1. Die Welt des Denkens
  2. 1 Kognition und Kultur
  3. 2 Blau und grün statt blün
  4. 3 Wie heißt dieser Vogel?
  5. 4 Einige, aber nicht alle
  6. 5 Zwei, vier, sechs, acht, zehn
  7. 6 Wege in der Wüste
  8. 7 Vorwärts oder rückwärts in die Zukunft
  9. 8 Mit den Sternen segeln
  10. 9 Theory of Mind
  11. 10 Mensch ärgere dich nicht
  12. 11 Zurück zum Ausgangspunkt
  13. Literatur
  14. Sachregister
  15. Länder, Sprachen und Kulturen
  16. Zu den Autoren
Leseprobe
2 Blau und grün statt blün Beeinflussen Farbkategorien die Farbwahrnehmung? (S. 31-32)

Nie zuvor hatte Krabat darauf geachtet, wie vielerlei Grün es gab, hundert Arten von Grasgrün, von Birken- und Weidengrün, Moosgrün dazwischen, bisweilen mit einem Stich ins Bläuliche, junges, flammendes Grün an den Ufern des Mühlenweihers, an jeder Hecke, an jedem Beerenstrauch … Otfried Preußler, Krabat, 1979, S. 203.

Ein Regenbogen entsteht, wenn Sonnenlicht im richtigen Winkel durch Wassertropfen fällt. Das Licht bricht sich in den Tropfen und wird in ein Spektrum von Farben aufgespalten, die wir dann am Himmel als Bogen sehen. Er erscheint uns aus Bändern verschiedener Farben zusammengesetzt, welche die meisten Personen von außen nach innen wie folgt bezeichnen: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. Allerdings hat das Farbspektrum des Sonnenlichts weit mehr als diese sechs Farbtöne, denn die Farben gehen fließend ineinander über. Wie kommen wir dann dazu, den Regenbogen mit einigen wenigen, spezifischen Farben zu beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir analysieren, wie Menschen Farben wahrnehmen, welche Farbbegriffe ihnen ihre Sprache zur Verfügung stellt und wie sie damit das Farbspektrum abdecken.

Farbbegriffe bezeichnen Kategorien ähnlicher Farben. Wir können Objekte danach kategorisieren, ob sie rot, gelb, grün oder blau sind. Farbbegriffe sind also das Resultat einer Kategorienbildung und damit ein Resultat des Denkens. Mit der These zur Linguistischen Relativität von Sapir und Whorf (Sapir, 1921, 1929; Whorf, 1991; original in Carroll, 1956; s. auch Gumperz & Levinson, 1996; Lucy, 1997) wurde die Frage aufgeworfen, ob vorhandene sprachliche Kategorien umgekehrt auch das Denken determinieren (starke Version) oder es zumindest beeinflussen (schwache Version). Nehmen zwei Personen Farben unterschiedlich wahr oder denken sie anders über Farben, wenn sie verschiedene Farbkategorien beziehungsweise Farbbegriffe haben?

Das Zusammenspiel von Farbkategorien und anderen Kognitionen wird in diesem Kapitel anhand klassischer Studien diskutiert, in der englischsprachige Personen mit Tarahumara-Indianern aus Mexiko verglichen werden, deren Sprache nur ein Wort für Blau und Grün hat. Als Hintergrund werden zunächst die physikalischen Grundlagen des Lichts und verschiedene Systeme zur Ordnung von Farben erläutert (Kapitel 2.1). Danach werden ausgewählte Aspekte der Farbwahrnehmung behandelt (Kapitel 2.2) und Befunde zur Benennung von Farben vorgestellt (Kapitel 2.3). Damit sind die Grundlagen gelegt, um das Fallbeispiel der Tarahumara vorzustellen (Kapitel 2.4). Abschließend werden Wirkung und Bildung von Kategoriengrenzen diskutiert (Kapitel 2.5).
Inhaltsverzeichnis
Die Welt des Denkens1
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort10
1 Kognition und Kultur12
1.1 Die Wissenschaft von den Kognitionen13
1.2 Kulturelle Variabilität17
1.3 Methodische Herausforderungen23
1.4 Aufbau des Buches27
2 Blau und grün statt blün32
2.1 Licht und Farbe33
2.2 Wahrnehmung von Farbe35
2.3 Sprechen über Farbe39
2.4 Blue and green im Englischen versus siyóim Tarahumara44
2.5 Kategoriengrenzen, ihre Wirkung und Bildung49
3 Wie heißt dieser Vogel?52
3.1 Vogelexpertise der Shuara53
3.2 Klassifizieren Amerikaner anders?59
3.3 Ethnobiologische Kategorien62
3.4 Kategoriestruktur und Typikalität66
3.5 Prozesse beim Erwerb von Kategorien70
4 Einige, aber nicht alle74
4.1 Mengen, Quantoren und Syllogismen75
4.2 Logikkompetenz und belief bias bei den Kpelle79
4.3 Logikkompetenz bei Hochschülern?83
4.4 Belief bias auch bei Hochschülern?88
4.5 Bildung, Sprache, Logik und beliefs91
5 Zwei, vier, sechs, acht, zehn94
5.1 Zählen mit natürlichen Zahlen95
5.2 Zahlensysteme und ihre Eigenschaften98
5.3 Brotfrucht ist nicht gleich Brotfrucht: Zählen auf Mangareva107
5.4 Evolution von Zahlensystemen114
6 Wege in der Wüste118
6.1 Grundlagen räumlicher Kognition119
6.2 Kognitive Landkarten122
6.3 Räumliche Referenzrahmen127
6.4 Strategien der räumlichen Orientierung beiden Aborigines132
6.5 Sind Aborigines „genordet“?137
7 Vorwärts oder rückwärts in die Zukunft142
7.1 Physikalische Perspektive: der Pfeil der Zeit143
7.2 Biopsychologische Perspektive: die Gesichter der Zeit146
7.3 Sprachliche Perspektive: die Verankerung der Zeit im Raum151
7.4 Kulturelle Perspektive: die Richtung der Zeit158
8 Mit den Sternen segeln170
8.1 Die Geografie der Karolineninseln171
8.2 Unterwegs in Auslegerbooten174
8.3 Orientierung an den Sternen176
8.4 Von Insel zu Insel181
8.5 Navigatoren brauchen vielfältige kognitive Kompetenzen187
9 Theory of Mind190
9.1 Perspektivenwechsel – eine spezifischmenschliche Kernkompetenz?191
9.2 Entwicklung der Theory of Mind197
9.3 Soziale und kulturelle Einflüsse200
9.4 Kulturspezifische Theories of Mind204
10 Mensch ärgere dich nicht212
10.1 Was ist eine Emotion?213
10.2 Am Gesicht, da könnt ihr sie erkennen!215
10.3 Auf die Ereigniseinschätzung kommt es an217
10.4 Das Emotionslexikon und seine Ordnung228
10.5 Kulturelle Einflüsse auf mehreren Ebenen233
11 Zurück zum Ausgangspunkt236
11.1 Kaleidoskop der Kognitionen236
11.2 Wie tief reichen die kulturellen Einflüsse?241
11.3 Die Bedeutung von Kultur246
Literatur250
Sachregister282
Länder, Sprachen und Kulturen286
Zu den Autoren288

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