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Fallbuch Psychiatrie

Kasuistiken zum Kapitel V(F) der ICD-10

VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl451 Seiten
ISBN9783456953045
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
In diesem Band haben Experten aus Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik 55 ebenso interessante wie spannende Kasuistiken zusammengestellt, anhand derer die diagnostischen Prinzipien, Konzepte und Modelle illustriert werden. Zu den wichtigsten diagnostischen Kategorien finden sich umfassende Falldarstellungen, im Anschluss werden die Diagnosen und Differenzialdiagnosen gemäß aktuellen Diagnoseschlüsseln erläutert und therapeutische und prognostische Aspekte diskutiert. Für die Neuauflage wurden alle Falldarstellungen und Diagnosen vor dem Hintergrund aktueller klassifikatorischer Diskussionen zu ICD-10 und DSM-5 überarbeitet und neue Fälle hinzugefügt.

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Kapitelübersicht
  1. Fallbuch Psychiatrie
  2. 1. Survival-Training
  3. 2. Der Mann ohne Gedächtnis
  4. 3. La Bella
  5. 4. Der Junge, der nicht aufhören kann, sich zu waschen
  6. 5. Die Amputation
  7. 6. Vom Leid mit Lust und Liebe
  8. 7. Zerstörung als Ausweg
  9. 8. Der alte Mann und die große Eisenbahn
  10. 9. Hilfe Anfälle, bitte kommen Sie sofort!
  11. 10. Mein Arm, mein Herz, mein Verstand
  12. 11. Ölbefleckte Tugend
  13. 12. Der Sammler
  14. 13. Ein von Narben gezeichnetes Leben
  15. 14. Die Frau mit dem Traumgewicht
  16. 15. Auserwählt, das Paradies auf Erdenzu schaffen
  17. 16. Liegend bin ich bedeutsam
  18. 17. Angst, Herz, Panik
  19. 18. Ein Mann auf Bewährung
  20. 19. Zu Tode betru¨bt – himmelhoch jauchzend
  21. 20. Hungern als Lösung
  22. 21. Welch ein Kribbeln und ein Krabbeln
  23. 22. Sprachlos
  24. 23. Überdrehen oder wegbröckeln
  25. 24. Wieder einmal zwischen den Stu¨hlen
  26. 25. Hinaus ins feindliche Leben
  27. 26. Alles ist Schmerz
  28. 27. Eine versäumte Chance
  29. 28. Der Junge, der nicht mehr essen will
  30. 29. Stimmen und Stoff
  31. 30. Ein akuter Notfall mit langer Vorgeschichte
  32. 31. Der Idealist
  33. 32. Ins Gras gebissen
  34. 33. Ein Gläschen in Ehren
  35. 34. Beru¨hren verboten
  36. 35. Von schlechten und guten Leuten gemacht
  37. 36. Gott ist tot
  38. 37. Wenn die Hormone verru¨ckt spielen
  39. 38. Die Wurst bleibt drinnen
  40. 39. Ich heiße Anke
  41. 40. Symbiose auf zwei Beinen
  42. 41. Tante Cäcilie
  43. 42. Die Stationshilfe
  44. 43. Die alte Dame
  45. 44. Der Ingenieur
  46. 45. Die kinderlose Witwe
  47. 46. Die böse Mutter
  48. 47. Die geistig behinderte Betriebsleiterin
  49. 48. Das konspirative Treffen droht
  50. 49. Schelmisch und schlampig, zornig und verzweifelt – «Fall Nr. 9» von Emil Kraepelin
  51. 50. Das zerschmissene Wort – «Fall Nr. 48»von Emil Kraepelin
  52. 51. Eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde «Fall A. D.» von Alois Alzheimer
  53. 52. Ein verwirrter älterer Mann
  54. 53. Dann kippte ich aus den Latschen
  55. 54. Eine Fremde im Leben
  56. 55. Verschlungen und gebrochen
  57. Literatur
  58. Register der ICD-10-Codes (Kap. V)
  59. Alphabetisches Register der Diagnosen nach ICD-10, Kap. V
Leseprobe
2. Der Mann ohne Gedächtnis (S. 19-20)
Silke Kleinschmidt und Tilman Wetterling

Falldarstellung und Angaben zur Biografie

Im Frühling 1990 kam der 66-jährige Herr A. in Begleitung seiner Ehefrau nach Voranmeldung durch den Hausarzt auf die geschlossene Aufnahmestation. Seine Frau ging voran und zog den langsam und etwas widerwillig folgenden Mann hinter sich her. Mit einiger Mühe brachte sie ihn dazu, sich auf eine bereitstehende Bank zu setzen. Während der Wartezeit bis zum Gespräch blieb Herr A. dicht bei seiner Frau und blickte ratlos und irritiert um sich. Durch seine wenig ausgeprägten Gesichtszüge und das wortlose Staunen sah er wesentlich jünger aus als seine Frau und wirkte fast kindlich.

Als beide zum Aufnahmegespräch ins Zimmer gebeten wurden, sträubte sich Herr A. zunächst, wurde dann von seiner Frau bei der Hand genommen und in das Zimmer geführt, wo er sich unter ihrer Mithilfe umständlich und unbeholfen auf den Stuhl setzte. Auf die Begrüßung reagierte er nicht, lächelte jedoch freundlich, wenn auch unsicher. Mit der dargebotenen Hand konnte er nichts anfangen und nahm am folgenden Gespräch nur in Form von gelegentlichem Kopfnicken teil.

Die Ehefrau berichtet, dass ihr 1924 in Königsberg geborener Mann nach dem Volksschulbesuch eine Ausbildung als Silberschmied abschloss und im Krieg Pilot gewesen sei. Sie habe ihn auf der Flucht in Dresden kennengelernt und 1946 geheiratet. 1947 hätten sie sich in Schleswig-Holstein angesiedelt und lebten seither in gemeinsamer Wohnung. Die Ehe blieb kinderlos. Herr A. arbeitete zunächst in seinem Beruf und seit 1970 als Postverteiler in einer Behörde. 1984 sei er, damals 60-jährig, in den Vorruhestand versetzt worden, er habe in den letzten fünf Jahren die Arbeit in der Behörde nicht mehr recht geschafft und vermehrt Fehler bei der Zuteilung der Post gemacht. Man habe ihm daher nahegelegt, sich vorzeitig berenten zu lassen. Die drei Geschwister ihres Mannes seien ihres Wissens körperlich und geistig gesund, auch ihr Mann habe niemals an einer schwerwiegenden Erkrankung gelitten.

Bereits seit einigen Jahren sei ihr bei ihm eine immer rascher zunehmende Veränderung aufgefallen: Er habe schon während der letzten Jahre seiner Berufstätigkeit, etwa ab dem 55. Lebensjahr, seine Hobbys (Wandern, Kunsthandwerk, Vereinstätigkeit) nach und nach aufgegeben und sei immer stiller geworden. Seine zunehmende Vergesslichkeit sei im häuslichen Umfeld nicht so sehr aufgefallen. Vor vier Jahren habe er (damals 62-jährig) bei einer von ihm geführten Wanderung in einem Gebiet, das ihm eigentlich gut bekannt gewesen sei, den Rückweg nicht mehr gefunden. Insbesondere seit dieser Zeit seien ihr seine ausgeprägten Merkfähigkeitsschwächen immer deutlicher geworden.

Er habe Dinge verlegt, Verabredungen vergessen und sich schon bald nicht mehr in der vertrauten Wohngegend, in der beide seit über 40 Jahren lebten, zurechtgefunden. Selbst gute Bekannte habe er nicht mehr erkannt und das Interesse an Zeitungen und Fernsehen verloren. Er sei dabei immer freundlich und anhänglich gewesen. In letzter Zeit spüre sie jedoch, dass er gelegentlich unglücklich und verunsichert sei. Seit drei Jahren müsse sie ihn waschen und anziehen, da er selbst nicht mehr wisse, wie er die Kleidungsstücke zu verwenden habe. Zudem benutze er sein Besteck beim Essen sehr unbeholfen. Sie könne die Wohnung nur noch verlassen, wenn sie hinter sich abschlösse, da er sonst auf die Straße laufe. Ihre Abwesenheit mache ihn unruhig und widerspenstig, so dass nur eine sehr gute gemeinsame Bekannte ihn dann betreuen könne. Seit ca. eineinhalb Jahren seien, mit einer Frequenz von ein- bis dreimal pro Woche, «Anfälle» vorgekommen, bei denen er urplötzlich zusammensacke, nicht ansprechbar sei und synchron die Arme bewege. Unter nervenärztlich verordneter, regelmäßiger antikonvulsiver Medikation habe sich dies jedoch gebessert. Aufnahmeanlass sei nun, dass ihr Mann zunehmend umtriebig werde und keine Sekunde ohne Aufsicht sein könne. Psychopathologische Befunderhebung und Untersuchungen In der psychopathologischen Befunderhebung erschien der Patient zeitlich und örtlich desorientiert. Herr A. konnte sich nur noch an seinen Namen und seinen Geburtsort erinnern und war somit zur Person eingeschränkt, zur Situation nicht orientiert.

Eine geordnete Exploration war nicht möglich, da der Patient, unabhängig von der gestellten Frage, nur Wortbrocken hervorbrachte wie z. B. «jaha!», «so so!» und ein gelegentlich vorgebrachtes «na, na, na!». Während der Befragung wirkte Herr A. ratlos, antwortete nicht und zuckte häufig hilflos mit den Schultern. Er erwies sich als psychomotorisch gehemmt und reagierte auf die Aufforderung, Gegenstände zu benennen oder sich Worte bzw. Zahlen zu merken, deutlich gequält. Der Affekt war dabei gedrückt und der Patient wirkte irritiert. Im allgemeinen Kontaktverhalten erwies er sich jedoch als freundlich und zugewandt sowie um Kooperativität bemüht.
Inhaltsverzeichnis
Fallbuch Psychiatrie1
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort der Herausgeber10
1. Survival-Training12
2. Der Mann ohne Gedächtnis20
3. La Bella30
4. Der Junge, der nicht aufhören kann, sich zu waschen40
5. Die Amputation48
6. Vom Leid mit Lust und Liebe60
7. Zerstörung als Ausweg70
8. Der alte Mann und die große Eisenbahn80
9. Hilfe Anfälle, bitte kommen Sie sofort!88
10. Mein Arm, mein Herz, mein Verstand94
11. Ölbefleckte Tugend102
12. Der Sammler112
13. Ein von Narben gezeichnetes Leben120
14. Die Frau mit dem Traumgewicht128
15. Auserwählt, das Paradies auf Erdenzu schaffen136
16. Liegend bin ich bedeutsam142
17. Angst, Herz, Panik150
18. Ein Mann auf Bewährung162
19. Zu Tode betru¨bt – himmelhoch jauchzend172
20. Hungern als Lösung180
21. Welch ein Kribbeln und ein Krabbeln188
22. Sprachlos194
23. Überdrehen oder wegbröckeln200
24. Wieder einmal zwischen den Stu¨hlen208
25. Hinaus ins feindliche Leben218
26. Alles ist Schmerz226
27. Eine versäumte Chance238
28. Der Junge, der nicht mehr essen will250
29. Stimmen und Stoff256
30. Ein akuter Notfall mit langer Vorgeschichte264
31. Der Idealist274
32. Ins Gras gebissen286
33. Ein Gläschen in Ehren294
34. Beru¨hren verboten300
35. Von schlechten und guten Leuten gemacht308
36. Gott ist tot316
37. Wenn die Hormone verru¨ckt spielen324
38. Die Wurst bleibt drinnen328
39. Ich heiße Anke334
40. Symbiose auf zwei Beinen342
41. Tante Cäcilie350
42. Die Stationshilfe354
43. Die alte Dame358
44. Der Ingenieur362
45. Die kinderlose Witwe366
46. Die böse Mutter370
47. Die geistig behinderte Betriebsleiterin374
48. Das konspirative Treffen droht378
49. Schelmisch und schlampig, zornig und verzweifelt – «Fall Nr. 9» von Emil Kraepelin382
50. Das zerschmissene Wort – «Fall Nr. 48»von Emil Kraepelin390
51. Eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde «Fall A. D.» von Alois Alzheimer400
52. Ein verwirrter älterer Mann408
53. Dann kippte ich aus den Latschen414
54. Eine Fremde im Leben418
55. Verschlungen und gebrochen426
Literatur434
Register der ICD-10-Codes (Kap. V)442
Alphabetisches Register der Diagnosen nach ICD-10, Kap. V446

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