Ein wesentlicher Aspekt für das Bilanzbild der Unternehmen ist das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Der dafür essentiellen Begriffsabgrenzung der Schulden werden eigene Kapitel gewidmet. Hierbei wird ausführlich auf die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital sowohl im UGB als auch im IFRS eingegangen. Zum Zwecke der Bewertung von Schulden sind neben den gesetzlichen Bestimmungen insbesondere allgemeine Bewertungsgrundsätze relevant. Mit dem RÄG 2014 kam es hierbei zu einigen Neuerungen, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird.
Durch die Richtlinie 2013/34/EU, welche von dem Rat der Europäischen Union beschlossen wurde und sowohl eine Neufassung als auch eine Zusammenführung der 4. Bilanzrichtlinie (Rechnungslegung des Jahresabschlusses) und der 7. Bilanzrichtlinie (Konzernabschluss) ist, haben sich auch im Bereich der Passiva Änderungen in der Bilanz ergeben. Die Bilanzrichtlinie soll sowohl eine Harmonisierung der Richtlinien der einzelnen Staaten bewirken als auch eine Erleichterung für klein- und mittelständische Unternehmen mit sich bringen. (vgl. Bertl et al. 2015, S. 13–14)
Mit dem RÄG 2014, welches am 11.12.2014 im Nationalrat beschlossen wurde und die Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union im österreichischen Recht erreichte, erfolgte eine der umfassendsten Novellierungen der Vorschriften der Rechnungslegung in Österreich (vgl. Dokalik/Hirschler 2015, S. 1). Diese Neuerungen haben sich umfangreich auf die Bewertung der Schulden ausgewirkt. Des Weiteren wurde mit dem RÄG 2014 nicht nur die Harmonisierung zwischen den einzelnen Staaten umgesetzt, sondern zugleich eine Annäherung an das Steuerrecht erreicht (vgl. Dokalik 2015, S. 12). Anzuwenden sind die UGB Vorschriften idF nach dem RÄG 2014 für alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen. Somit war der erste reguläre Jahresstichtag für die Anwendung der Neuerungen der 31.12.2016. (vgl. Dokalik/Hirschler 2015, S. 1)
Bilanzierungsgrundsätze, welche sich durch das RÄG 2014 geändert haben bzw. auch neu hinzugefügt wurden, finden sich insbesondere im § 196a UGB, der die Wirtschaftlichkeit sowie die Wesentlichkeit normiert: (vgl. UGB § 196a, idF nach RÄG 2014)
„(1) Die Posten des Jahresabschlusses sind unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts der betreffenden Geschäftsvorfälle oder der betreffenden Vereinbarung zu bilanzieren und darzustellen.
(2) Die Anforderungen an den Jahresabschluss in Bezug auf Darstellung und Offenlegung müssen nicht erfüllt werden, wenn die Wirkung ihrer Einhaltung unwesentlich ist.“
Der Terminus der Wirtschaftlichkeit soll zum Ausdruck bringen, dass eine Zurechnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten von Nöten ist, denn nicht immer stimmt der wirtschaftliche Gehalt mit der rechtlichen Gestaltung überein, wie es unter anderem bei Leasingverträgen der Fall sein könnte. Dieser Grundsatz kommt jedenfalls zu tragen, wenn das zivilrechtliche Eigentum vom wirtschaftlichen Eigentum abweicht, denn es spielt eine wesentliche Rolle, welche Partei über den Vermögensgegenstand dauerhaft verfügen kann und somit die Chancen und Risiken daraus zu tragen hat. (vgl. Jankovic/Schlager-Haider 2017, Rz 2–6)
Die Wesentlichkeit wurde erstmals mit dem RÄG 2014 kodifiziert und findet sich in § 196a Abs. 2 UGB wieder. Demnach müssen die gesetzlichen Anforderungen an den Jahresabschluss in Bezug auf Darstellung und Offenlegung nicht erfüllt werden, wenn die Wirkung ihrer Einhaltung unwesentlich ist (vgl. UGB § 196a Abs. 2, idF nach dem RÄG 2014). Die Beurteilung ob eine gesetzliche Anforderung wesentlich ist oder nicht hat unter Berücksichtigung von quantitativen und qualitativen Kriterien zu erfolgen (vgl. Steiner/Jankovic 2016, S. 99). Jedoch hat es die Wesentlichkeit bereits vor dem RÄG 2014 als Schlussfolgerung aus § 195 UGB idF vor RÄG 2014 und § 222 Abs. 2 UGB idF vor RÄG 2014 gegeben. Dort wird vom Gesetzgeber ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gefordert, wonach der Jahresabschluss beabsichtigt, die Realität so genau wie möglich darzustellen. Der Begriff an sich wird in § 198a Z 10 UGB definiert und zeigt die Grenzen der Unwesentlichkeit als Richtwert auf. (vgl. Jankovic/Schlager-Haider 2017, Rz 7–10)
Auch § 201 Abs. 2 Z 7, welcher die bestmögliche Schätzung enthält, bringt eine Änderung mit sich, die - ebenso wie die Wesentlichkeit und der wirtschaftliche Gehalt - Einfluss auf den Bereich der Schulden hat, da diese erstmalig festhält, dass entweder ermittelbare Erfahrungswerte oder die bestmögliche Schätzung zu einer umsichtigen Beurteilung von Nöten sind. Die Regierungsvorlage zum RÄG 2014 erläutert diesbezüglich, dass der neue Bewertungsgrundsatz dabei helfen soll, insbesondere die Bildung von Pauschalrückstellungen und Pauschalwertberichtigungen so vorhersehbar zu machen, dass sie auch steuerlich Anerkennung finden. (vgl. ErläutRV 367 BlgNR 25.GP, 8, S. 4) Ebenso sind in diesem Paragraphen die Grundsätze der Vorsicht und der Wertaufhellung verankert, welche besagen, dass selbst Umstände, die zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses zum Vorschein gelangen und noch im alten Geschäftsjahr ihren Ursprung haben, im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind (vgl. UGB § 201 Abs. 2 Z 4, idF nach dem RÄG 2014). Sogenannte wertbegründete Ereignisse, welche erst nach dem Abschlussstichtag eintreten, aber innerhalb des Erstellungszeitraumes eingetroffen sind, werden im Anhang erläutert, um ein getreues Gesamtbild des Unternehmens abzubilden (vgl. AFRAC-Stellungnahme 16 2015, Rz 8).
Das RÄG 2014 bringt im Bereich des Ausweises von Verbindlichkeiten eine weitere Änderung mit sich, durch welche die Bilanz an Umfang gewinnt. Hier fordert die Neuerung zum Zwecke der besseren Transparenz, die Restlaufzeit der Verbindlichkeiten in der Bilanz direkt zu zeigen, indem Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr gesondert dargestellt werden. (vgl. UGB § 225 Abs. 6, idF nach dem RÄG 2014)
Somit ergeben sich auch für die Passivposten wesentliche Änderungen, die in weiterer Folge nicht nur Einfluss auf die Ertragslage, sondern auch auf das Bilanzbild des Unternehmens haben.
Anders als beim UGB steht beim IFRS der Schutz von InvestorInnen durch Informationen im Vordergrund. Das Vorsichtsprinzip, welches das UGB stark prägt, hat hier nur eine untergeordnete Funktion. Für IFRS Abschlüsse gelten folgende vier qualitative Anforderungen: (vgl. Rahmenkonzept § 46, 2001)
Verständlichkeit
Relevanz
Verlässlichkeit
Vergleichbarkeit
Die Verständlichkeit steht dafür, dass für AdressatInnen der Jahresabschluss leicht verständlich ist. Allerdings muss vorausgesetzt werden, dass das Zielpublikum über angemessene Kenntnisse geschäftlicher und wirtschaftlicher Tätigkeiten sowie über die Rechnungslegungsvorschriften verfügt. Dies bedeutet aber nicht, dass komplexere Themen, welche schwerer verständlich sind, aus diesem Grund weggelassen werden dürfen. Die genannte Relevanz meint, dass die Informationen für die wirtschaftlichen Entscheidungen der AdressatInnen relevant sein müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die Informationen die Entscheidungen der AdressatInnen beeinflussen könnten. (vgl. Rahmenkonzept § 25, 26, 2001)
Eine diesbezügliche Information ist dann verlässlich, wenn sie fehlerfrei ist bzw. keine wesentlichen Lücken aufweist und somit zu keiner Verzerrung führen kann. Die vierte qualitative Anforderung, die Vergleichbarkeit, steht für die seriöse Bewertung bzw. Messbarkeit der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens über die Jahre. Dies ist ausschlaggebend, da der Vergleich eine wichtige Orientierungshilfe für AdressantInnen ist. Nicht zuletzt müssen auch die Abschlüsse verschiedener Unternehmen vergleichbare Werte beinhalten. (vgl. Rahmenkonzept § 31, 39, 2001)
Ein weiterer wichtiger Aspekt in IFRS, welcher im Rahmenkonzept unter § 29f angeführt ist, bezieht sich auf die Wesentlichkeit. Im Zuge des RÄG 2014 und der legistischen Einführung des Begriffs der „Wesentlichkeit“ wurde auf das Rahmenkonzept Bezug genommen. Das Rahmenkonzept hat im Gegensatz zum UGB eine umfassendere Erläuterung zu diesem Begriff: (vgl. Rahmenkonzept § 29f, 2001)
„Die Relevanz einer Information wird durch ihre Art und Wesentlichkeit bedingt. In einigen bestimmten Fällen reicht allein die Art der Information für die Bestimmung ihrer Relevanz aus. So kann beispielsweise die Berichterstattung über ein neues Segment die Beurteilung der Risiken und Chancen für das Unternehmen beeinflussen, und zwar unabhängig davon der Wesentlichkeit der vom neuen Segment in der Berichtsperiode erzielten Ergebnisse. In anderen Fällen sind sowohl Art als auch Wesentlichkeit von Bedeutung, beispielsweise bei Vorräten in jeder der Hauptkategorien, die für das Geschäft angemessen...