Herausforderungen einer Digital-Business-Strategie
Es gibt viele gute und interessante Bücher über Unternehmensstrategien. Sie handeln davon, wie die jeweiligen Unternehmen mit diesen Strategien erfolgreich waren und wie sich Strategien allgemein klassifizieren lassen. Diese Bücher zu lesen ist eine gute Ergänzung zur Lektüre dieses Buches, insbesondere wenn Sie sich allgemein für das Thema Strategie interessieren.
Das Zitat des visionären Gründers der chinesischen Alibaba-Gruppe, Jack Ma, zeigt auf, dass es für Ihre Digital-Business-Strategie hilfreich ist zu wissen, wie der Wettbewerb agiert. Sie sollten sich jedoch nicht hinreißen lassen, fremde Strategien einfach zu übernehmen. Falls Sie eine Karriere als Profifußballer anstreben, ist ein Video mit den Toren des Monats sicher motivierend, um fleißig zu trainieren. Wenn Sie aber selber einmal das Tor des Monats schießen wollen, ist zunächst viel Basisarbeit in Sachen Technik und Kondition erforderlich. Ähnlich ist es bei der Strategieformulierung und -umsetzung. Das Ergebnis anderer Unternehmen, die ihre Strategie hervorragend umgesetzt haben, sollte uns inspirieren, aber auf keinen Fall glauben lassen, dass Kopieren möglich oder sinnvoll ist.
Eine Nachricht im September 2016 lautete: „BMW ändert seine Produktstrategie und liefert auch Serienfahrzeuge mit Hybridtechnologie aus.” Es geht hier um eine Anpassung der Strategie, weil der Wettbewerber Tesla wohl erfolgreicher ist als erwartet. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Strategie ein dynamischer und iterativer Prozess ist. Selbst ein weitsichtiges Unternehmen wie BMW kann nicht alles vorhersehen, aber es ändert seine Strategie, wenn es notwendig wird.
Unternehmen, die eine digitale Transformation anstreben, benötigen dazu eine Strategie. Das vorliegende Buch richtet sich an Verantwortliche, Manager, Strategen und Berater, die eine Digital-Business-Strategie entwickeln oder begleiten wollen. Was genau sich hinter diesem Begriff verbirgt, möchte ich vorwegschicken, denn es gibt meines Wissens keine allgemein verbindliche Definition. Mit zunehmendem Verständnis und den gewonnenen Erfahrungen aus E-Commerce, Online-Marketing und unserer digitalen Infrastruktur aus Suchmaschinen, Cloud-Technologie und omnipräsenten mobilen Diensten möchte ich Digital Business folgendermaßen definieren:
Digital Business
Unter Digital Business versteht man die transaktionale Wertschöpfung unter Verwendung digitaler Technologien.
Es geht bei Digital Business also um die Frage, wie sich die bestehenden digitalen Technologien einsetzen lassen, um damit Wert zu schöpfen. Für die meisten Unternehmen geht es am Ende des Tages um Geld. Dieses Buch behandelt vor allem den strategischen Aspekt beim Digital Business und damit weniger kurzfristige Gewinnoptimierungen, sondern eher mittel- und langfristige Investitionen in die digitale Zukunft.
Die große Herausforderung für den deutschen Mittelstand besteht darin, bestehende Geschäftsmodelle unter Berücksichtigung digitaler Technologien weiterzuentwickeln. Eine Digital-Business-Strategie ist erforderlich, um sich bei dieser Herausforderung nicht zu verzetteln. Auch die Gelegenheit und sogar Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sollte der Mittelstand nicht den internationalen Start-ups überlassen.
Durch Verknüpfungen von modernen Technologien mit zeitgemäßen Prozessen sind Unternehmen zunehmend in der Lage, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die noch vor zehn Jahren undenkbar waren. Der Umfang der neuen Möglichkeiten ist dabei so groß, dass die gesamte Wertschöpfungskette im Unternehmen revolutioniert werden kann.
Denkt man an die prominentesten Vertreter des Digital Business auf internationalem Level, fällt auf, dass diese erfolgreichen Unternehmen vor allem als Vermittler von Waren oder Dienstleistungen auftreten. Amazon1, Alibaba, Ebay, Netflix und Facebook sind im Wesentlichen Händler oder Betreiber von Plattformen.
Der deutsche Mittelstand ist in der Regel nicht darauf spezialisiert zu vermitteln, sondern reale Produkte herzustellen oder Dienstleistungen anzubieten. Es ist absehbar, dass die Kreativität der im digitalen Business erfolgreichen Unternehmen nicht vor dem Schwarzwald oder anderen tüchtigen Regionen Halt machen wird.
Die Gefahr für den Mittelstand besteht darin, an Bedeutung zu verlieren, wenn sich der Wettbewerbsdruck durch das Zusammenwirken von Globalisierung und Digitalisierung zunehmend erhöht. Dagegen gibt es nur einen Schutz, nämlich die eigene Wertschöpfung proaktiv digital weiterzuentwickeln.
Die Chancen dafür stehen gut, denn der Mittelstand ist kreativ und entscheidungsfreudig. Allerdings ist noch nicht überall die Entschlossenheit und Einsicht zu erkennen, dass die Zeit zum Handeln jetzt gekommen ist. Die Tragweite und der notwendige Umfang einer digitalen Transformation mögen Gründe für das Zögern sein. Der sich abzeichnende Wandel hin zu einer digitalisierten und globalisierten Welt erfordert die Bereitschaft, neues Terrain zu betreten, und Mut, Altvertrautes zurückzulassen.
Neben dem Aspekt des Digitalen geht es in diesem Buch vor allem um Fragen der Strategieentwicklung. Eine Strategie ist notwendig, da die Zeit drängt und es darauf ankommt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dass die Internetbranche eine der wichtigsten Zukunftsbranchen ist, haben viele Unternehmen verstanden. Und welche Rolle spielen deutsche Unternehmen in dieser Branche? Leider keine – die erfolgreichsten Unternehmen kommen aus den USA und aus China. Die Top 10 im Jahr 2015 waren: Apple, Amazon, Google, JD.com, Facebook, Tencent, Alibaba, Baidu, Priceline, Paypal.2
Wenn man sich die Mitarbeiterzahlen hinter diesen Unternehmen ansieht, stellt man fest, dass diese Internet-Erfolgsunternehmen zusammen aktuell nur ca. 700.000 Mitarbeiter haben, wobei ca. 300.000 alleine für Amazon arbeiten. Es ist deshalb fraglich, ob Digital Business auch ein Job-Wunder wird, wahrscheinlich wird eher das Gegenteil eintreten. Vielleicht fordern der Tesla-Visionär Elon Musk und Joe Kaeser von Siemens auch deshalb ein bedingungsloses Grundeinkommen3, weil sich die Entwicklung bereits abzeichnet, dass Roboter Menschen zunehmend arbeitslos machen.4 Ein solches Grundeinkommen wäre vielleicht sogar finanzierbar, wenn die Unternehmen, die die Roboter in digital optimierten Fabriken einsetzen, eine Art Robotersteuer zahlen müssten. Die Frage ist nur, wer zahlt das Grundeinkommen für arbeitslose Deutsche, wenn die Roboter in chinesischen Firmen stehen?
Der Prozess der Internationalisierung und Digitalisierung5 ist schon in voller Fahrt und in Deutschland gibt es schon heute einen erheblichen Nachholbedarf. Wenn 70 % der Unternehmen eine Präsenzpflicht ihrer Mitarbeiter einfordern, passt dies nicht zu den Erfordernissen digital wirtschaftender Unternehmen. Digitale und internationale Arbeit erfordert Flexibilität, da Kollegen und Kunden in Zeitzonen rund um die Welt verteilt sind. Eine Bitkom-Studie6 zeigt, dass die Eigen- und Fremdwahrnehmung der digitalen Kompetenz bei Führungskräften in Deutschland stark auseinanderklafft. Während sich 47 % als digital gewappnet ansehen, stellen die Analysten nur 7 % von ihnen das Zeugnis Digital Leader aus, 70 % dagegen seien digitale Anfänger. Es ist nicht unbedingt notwendig, als Führungskraft in jedem Thema Experte zu sein, allerdings ist eine verzerrte Selbsteinschätzung der Wegbereiter für falsche strategische Entscheidungen. Darüber hinaus ist das Digitale kein Trend und keine Modeerscheinung, sondern ein evolutionärer Schritt unserer Gesellschaft und auch Wirtschaft. Deshalb stellt digitale Kompetenz eine Schlüsselkompetenz für heute und auch morgen dar.
Wenn Sie gute Nerven haben, dann gehen Sie auf die Website www.internetlivestats.com und erleben in Echtzeit, was Digitalisierung bedeutet.
In der Regel versuche ich, Anglizismen zu vermeiden, allerdings haben viele Begriffe US-amerikanischen Ursprungs (noch) keine sinnvolle deutsche Übersetzung gefunden. Deshalb ist der Titel dieses Buches eine Kombination aus dem englischen „Digital Business” und dem deutschen „Strategie”.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit spreche ich zumeist von Produkten als Ergebnisse Ihrer Wertschöpfung, auch wenn selbstverständlich ebenso Dienstleistungen oder sonstige Ergebnisse aus der Wertschöpfung entstehen.