„Innovation is not a gift that you’re born with. It’s a skill that anyone can learn.“ – Drew Boyd
In der Bachelorarbeit der Autorin mit dem Titel „Business Model Box – der siebte Schritt von Design Thinking“ wurde Design Thinking bereits aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Hierzu wurde zunächst eine Begriffsdefinition vorgenommen. Die Bedeutung von „Design“ und „Thinking“ wurde zunächst einzeln und schließlich dann auch die Bedeutung des Wortpaares untersucht. Das Ergebnis war eine Definition des Design Thinking als das „schrittweise und vollständige Durchdenken von Design“.10
Im weiteren Verlauf der Arbeit wurden die Konzepte von zwei bedeutenden Persönlichkeiten eingeführt, die wichtige Beiträge zur Entwicklung von Design Thinking geleistet haben. Tim Brown, Vorsitzender und Geschäftsführer des kalifornischen Beratungsunternehmens IDEO, ist jahrelanger Design-Thinking-Praktiker und Autor des Buchs „Change by Design“. Vor dem Hintergrund des Produktdesigns betrachtet Brown Design Thinking als eine Evolution des klassischen Designs, die sich nicht mehr auf gestalterische Fragestellungen beschränkt und nicht mehr ausschließlich Designern vorbehalten ist. Brown spricht von einer Disziplin, die es Nicht-Designern erlaubt, wie Designer zu denken, und sie befähigt, komplexe Probleme mit Designmethoden zu lösen.11
Das zweite Konzept stammt von Roger Martin, Studiendekan der Rotman School of Management und Autor des Buchs „The Design of Business“. Hier beschreibt er, wie Design Thinking analytisches Denken und Intuition zu abduktiver Logik verbindet und auf diese Weise Unternehmen zu Innovationen verhilft.12
Zuletzt wird Design Thinking aus der Perspektive der Autorin dargestellt, die auf den Erfahrungen aus der einjährigen Ausbildung zum Design Thinker an der HPI School of Design Thinking beruht. Anhand eines Studentenprojekts werden die sechs Phasen praxisnah erklärt und reflektiert.
Da Design Thinking bereits ausführlich in der oben erwähnten Bachelorarbeit behandelt wurde, werden in dieser Masterarbeit lediglich die wichtigsten Aspekte zusammenfassend dargestellt. Als Grundlage hierzu dient das Ursprungskonzept von Terry Winograd, das von der D-School in Potsdam und ihrem Pendant in Stanford weiter geschärft wurde.13
„Die Kreativität der Vielen schlägt auf lange Sicht die Kreativität des seltenen Genies.“ 14
Um komplexe Probleme zu lösen, reicht das Wissen einer einzelnen Person und aus einer einzelnen Fachrichtung heute nicht mehr aus. Deshalb fokussieren sich Design Thinker statt auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen auf die Leistungsfähigkeit von Teams. Das optimale Design-Thinking-Team umfasst Menschen, die hinsichtlich ihres Berufs, ihrer Nationalität und ihrer kulturellen Zugehörigkeit möglichst unterschiedlich sind. Durch diese Vielfalt an Perspektiven steht dem Team ein breites Fachwissen zur Verfügung. Es hat direkten Zugriff auf unterschiedliche Methoden und Modelle. Der Effekt ist, dass im Gegensatz zu homogenen Teams die Ergebnisse solcher multidisziplinärer Teams häufig ungewöhnlicher sind und zu innovativeren Lösungen führen.15
Der Design Thinking Prozess ist ein Mensch zentrierter Satz aus Methoden und Werkzeugen. Die Nutzerorientierung bildet sich entlang des gesamten Prozesses als wesentliches Merkmal ab. In jedem Schritt stehen die betroffenen Nutzer mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt der Betrachtungen, sei es als Beobachtungsgegenstand, als Interviewpartner, als fiktive Personen, in Form einer Fragestellung oder als Probanden im Rahmen von Tests zu einer Idee.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind die Iterationen zwischen den Prozessschritten. Die sind, anders als bei linearen Prozessen, bereits von Beginn an fest eingeplant und erwünscht. Es kann sich erweisen, dass das Problem falsch verstanden wurde oder eine Idee im Test nicht funktioniert wie erhofft. Dann wird zurückgespult und der Schritt wiederholt – immer mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Der Design-Thinking-Prozess wurde seit der Pionierarbeit von Herbert Simon in unterschiedlichen Varianten visualisiert. Die D-School in Potsdam hat, ausgehend von Terry Winograd, folgenden sechsstufigen Prozess entwickelt (siehe Abbildung 1).16
Abbildung 1: Der Design-Thinking-Prozess nach der D-School in Potsdam | Quelle: http://hpi.de/school-of-design-thinking
Schritt 1: Understand – ein gut formuliertes Problem ist halb gelöst!
Zu Beginn des Design-Thinking-Prozesses geht es darum, das Problem und das mit ihm verbundene Problemfeld zu öffnen. Hierzu gehört es, den Kunden, den Markt und – wenn vorhanden – die verbundene Technologie zu identifizieren und eigene Hypothesen aufzustellen. Welche Annahmen haben wir bereits zu dem Problem? Wer ist eigentlich auf den zweiten Blick von dem Problem betroffen?
Das Ziel liegt darin, ein gemeinsames Verständnis für das Problem zu entwickeln, sowie darin, offene Fragen zu formulieren und sich der eigenen Annahmen bewusst zu werden. Das Ergebnis ist eine pointierte Formulierung des Problems in einem Satz.
Schritt 2: Observe – entwickle echte Empathie mit deinen Nutzern, und neue Dinge werden möglich!
Im zweiten Schritt dreht sich alles um die Nutzer und ihre Bedürfnisse. Sie sind nun der Forschungsgegenstand des Teams. Durch Interviews, Beobachtungen von Schlüsselsituationen und Selbstversuche baut das Team Empathie für die Nutzer auf. Dabei ist es wichtig, ganz offen zu sein und die eigene Agenda zu Hause zu lassen. So gewinnt das Team neue Erkenntnisse und entwickelt ein tiefes Verständnis für das Problemfeld und die Nutzer.
Schritt 3: Point of View – je klarer der Fokus, umso genauer die Lösung!
Nun geht es an die Auswertung und Verdichtung der gesammelten Daten. Hierzu sind Ergebnisse zu sichten und zu clustern, sodass nach und nach Muster sichtbar werden und sich Bedürfnisse herauskristallisieren, die eine ganze Nutzergruppe charakterisieren. Durch diesen Verdichtungsprozess findet das Team in der Informationsflut seinen festen Fokus. Das Ergebnis dieses Schrittes ist ein genaues Bild von einem klar umrissenen Nutzer und seinen Bedürfnissen, Ängsten und Zielen. Diese Person steht im weiteren Prozess für die Zielgruppe des Teams. Damit ist das Team bestens vorbereitet, passende Lösungen zu entwickeln.
Schritt 4: Ideate – eine Idee, die am Anfang nicht absurd erscheint, taugt nichts!
Mit der Person im Fokus werden nun Ideen entwickelt. Und zwar erst einmal so viele wie möglich. Wer nur fünf Ideen zur Auswahl hat, tut sich schwer damit, vier zu verwerfen, auch wenn sie nicht so richtig passen. Wer hundert Ideen entwickelt, hat einfach mehr Auswahl. Das erhöht die Chance, einen Treffer zu landen.
Um die Kreativität so richtig anzukurbeln, helfen Techniken wie Reverse Brainstorming oder Act-like-other-Companies. Ein einfaches Brainstorming reicht manchmal aber auch schon aus. Dabei muss eine Regel strikt eingehalten werden: keine Kritik! Ein „Ja, aber“ tötet jegliche Kreativität in Sekunden, und am Ende steht das Team ohne eine einzige Idee da – alle wurden gleich im Keim erstickt. Erst am Ende dieses Schrittes werden die Ideen bewertet und auf eine kleine Auswahl reduziert. Diese Ideen kommen in die nächste Runde.
Schritt 5: Prototype – „Show, don’t tell“!
Die ausgewählten Ideen werden nun möglichst schnell und günstig als Prototypen gebaut. Aus Papier, Stoff, Lego und was sonst gerade griffbereit ist. Hierbei kann es schon mal passieren, dass ein Tisch kurzerhand zerlegt wird.
Ziel ist es, die Idee für den potenziellen Nutzer erfahrbar zu machen, denn um Feedback zu sammeln, muss die Idee erst mal raus aus dem Kopf. Und das am besten anfassbar, denn je realistischer der Nutzer ein Produkt oder einen Service erleben kann, desto aufschlussreicher ist auch sein Feedback dazu.
Schritt 6: Test – Früh und häufig scheitern!
Mit dem Prototypen im Gepäck sucht das Team nun potenzielle Nutzer auf und testet seine Idee. Es wird gefragt und beobachtet: Wie ist die Reaktion der Nutzer? Was funktioniert? Was fehlt? Wo sind noch Fragen offen? Wo muss nachgebessert werden? Eine Faustregel lautet: Je hässlicher und billiger der Prototyp aussieht, desto ehrlicher ist auch das Feedback der Nutzer, denn sie erkennen, dass hier nicht viel Zeit und Liebe investiert wurden. Statt dem Nutzer die Idee verkaufen, geht es darum, neue Erkenntnisse über die Idee zu gewinnen – und das geht am besten durch Zuhören und genaues Hinschauen.
„So integral are these project spaces to our creative process that we have exported them, whenever possible, to our clients.“17
Aus dem Zitat von Tim Brown wird deutlich, dass der Raum und der Prozess eng...