1 Herausforderung Diversität im Krankenhaus
1.1 Diversität hält Einzug in deutschen Krankenhäusern
Die zukünftigen Herausforderungen der Krankenhäuser in Deutschland
Was sind die zukünftigen Herausforderungen für deutsche Krankenhäuser?
hängen eng mit dem demografischen Wandel zusammen. Es ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung in Deutschland insgesamt kleiner wird und das Duchschnittsalter steigt. Laut Berechnungen des statistischen Bundesamtes wird die Einwohnerzahl von derzeit 82 Mio. bis auf 74 Mio. Einwohner im Jahr 2050 schrumpfen (Statistisches Bundesamt 2009a, S. 12). In diesem Zusammenhang wird auch die Zahl der Erwerbstätigen bis zum Jahr 2060 um rund 20 Mio. abnehmen. Aus heutiger Perspektive entspräche diese Entwicklung einer Halbierung des Erwerbstätigenpotenzials in Deutschland.
In Krankenhäusern zeichnet sich dieser demografische Wandel durch die
Wie hält Diversität Einzug in deutsche Krankenhäuser?
Veränderung der Zusammensetzung der Krankenhausbelegschaft sowie der Patienten in Bezug auf Alter, Geschlecht und Ethnizität aus (Burkhart/Ostwald/Ehrhard 2012, S. 53). Das führt dazu, dass in Krankenhäusern vermehrt unterschiedliche Personengruppen aufeinandertreffen werden, wie beispielweise Männer und Frauen, Jüngere und Ältere, mit oder ohne Migrationshintergrund. Krankenhäuser müssen sich im Rahmen dieser Veränderung auf eine steigende personelle Vielfalt, sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den Patienten einstellen. Zusätzlich werden all diese Personen Erwartungen sowie spezifische Bedürfnisse mit in das Krankenhaus bringen und fordern, dass sie in ihrer personellen Vielfalt wahrgenommen und wertgeschätzt werden.
Gleichzeitig bedeutet diese demografische Entwicklung, dass Krankenhäuser
Wie wichtig ist das Thema Diversität für Krankenhäuser?
einer abnehmenden Zahl an Fachkräften bei einer wachsenden Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen gegenüberstehen werden. Bereits heute verzeichnen viele Einrichtungen, insbesondere in ländlichen Regionen, einen gravierenden Fachkräftemangel. Dass einzelne Bemühungen und Instrumente nicht ausreichen, um einem Fachkräftemangel zu bewältigen, ist den meisten Krankenhäusern bewusst.
Eine Strategie, die die Krankenhäuser zunehmend nutzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die Akquise von internationalen Fachkräften. Die daraus resultierende personelle Vielfalt der Belegschaften stellt besondere Anforderungen an das Personalmanagement und die Führungskräfte im Krankenhaus. Der Chance, eine leistungsfähige Belegschaft aufrechtzuerhalten und eine bedarfsorientierte Patientenversorgung sicherzustellen, steht die Gefahr gegenüber, dass sich die Produktivität der Krankenhäuser durch Konflikte aufgrund von unterschiedlichen Wertvorstellungen, Sprachbarrieren, Vorurteilen sowie Stereotypisierungen vermindert. Das Konfliktpotenzial und die Konfliktvielfalt sind bei zunehmender personeller Vielfalt in der Belegschaft häufig höher als zunächst angenommen (Vedder 2011, S. 20).
Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Auswirkungen der auftretenden und zunehmenden Diversität aus Sicht sämtlicher Mitarbeiter zu betrachten. Nur wenn ein Krankenhaus Rücksicht auf die Bedürfnisse und Erwartungen seiner international rekrutierten Mitarbeiter nimmt und diese bei der Integration in Deutschland unterstützt, wird es gelingen, die neuen Mitarbeiter langfristig an das Krankenhaus zu binden (Williams/O’Reilly 1998, S. 77 ff.). Die Gefahr, dass immigrierte Ärzte und Pflegekräfte bei der nächsten Möglichkeit das Krankenhaus wieder verlassen, ist real. Einen konkreten Überblick über die Entwicklung der Zu- und Abwanderung von Ärzten in Deutschland stellt die Abbildung 1.1 dar. Daraus wird ersichtlich, dass bis zum Jahr 2011 mehr Ärzte aus- statt zugewandert sind. Gleichwohl ist aus der Abbildung zu erkennen, dass die Zuwanderungsrate jährlich steigt und der Anteil ausländischer Ärzte im Krankenhaus wächst. Dieser Zuwachs deutet auch auf eine Zunahme der personellen Vielfalt in Krankenhäusern hin.
Abb. 1.1: Zu- und Abwanderung von Ärzten. Quelle: Darstellung in Anlehnung an Reuschl, Pfannstiel, Bouncken (2013).
Dass Diversität Einzug in deutsche Krankenhäuser hält und eine zentrale Rolle sowohl auf der Seite der Patienten als auch auf Seiten der Beschäftigten spielt, verdeutlichen die nachfolgenden Fallbeispiele. Sie sind exemplarische Beispiele dafür, wie der Krankenhausalltag vieler Krankenhäuser aussehen kann, wenn die personelle Vielfalt im Krankenhaus steigt und geeignete Maßnahmen sowie Strategien zur Bewältigung der damit zusammenhängenden Herausforderungen nur vereinzelt eingesetzt werden oder ganz fehlen. Unterteilt sind die Fallbeispiele in vier mögliche Situationen aus dem Tagesablauf eines Geschäftsführers, die zum einen auf Interviewaussagen von Führungskräften aus Krankenhäusern und zum anderen auf Fiktion basieren.
Fallbeispiele: Ein typischer Tag in einem deutschen Krankenhaus aus der Perspektive eines Geschäftsführers
Vormittags
Stellen Sie sich mal vor, da steht heute Morgen eine morbide, schwerhörige 80-jährige einem schwarzhaarigen Arzt mit olivfarbener Haut gegenüber, der die 80-jährige zwar sehr freundlich anlächelt, aber irgendwie überhaupt nicht versteht, was diese ihm erzählt. Kurze Zeit später in der Patientenbesprechung beklagte sich meine einzige vollzeitbeschäftigte Psychotherapeutin über Missverständnisse in Therapieabsprachen mit ihm und meine Oberärzte beklagen sich über den Mehraufwand, den die Korrektur der vorgeschriebenen Arztbriefe erfordert, wenn sie von diesem Arzt geschrieben werden.
Das erste Fallbeispiel, in dem ein ausländischer Arzt mit einer hochbetagten
Welche Probleme können auftreten, wenn Mitarbeiter und Patienten aus verschiedenen Kulturen interagieren?
Patientin interagiert, spiegelt eine alltägliche Situation wider, wie sie in Krankenhäusern zukünftig häufiger vorkommen wird. Der international rekrutierte Arzt versteht nicht, welches Anliegen seine Patientin ihm mitteilen möchte. Diese Kommunikationsschwierigkeiten können mehrere Ursachen haben. Zum einen stellen die interkulturelle Kommunikation und Interaktion aufgrund der unterschiedlichen Sprache sowie Kommunikationsmuster generell eine alltägliche Herausforderung für die betroffenen Akteure dar. Zum anderen kann es sein, dass die Artikulationsfähigkeit der Patientin aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters beeinträchtigt ist. Diese Kommunikationsschwierigkeiten wirken sich auf den Behandlungsprozess aus. Es ist anzunehmen, dass zusätzliches medizinisches Personal hinzugezogen werden muss, um die Behandlung erfolgreich fortsetzen zu können und dass die Patientin sowie der behandelnde Arzt frustriert sein dürften. An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich die zunehmende Diversität bezüglich Kultur und Alter auf das Geschehen im Krankenhaus auswirken können. Das zweite und dritte Fallbeispiel zur Mittagszeit verdeutlichen die Herausforderungen, die sich aus einem zunehmenden Fachkräftemangel ergeben.
Mittags
So zeigt das zweite Fallbeispiel, dass die Personalleiterin sich der Thematik des zunehmenden Fachkräftemangels und dessen Folgen zwar bewusst ist, es ihr aber an Ideen fehlt, mit welchen Maßnahmen sie dieser Problematik effektiv begegnen kann.
Heute Mittag berichtete mir meine Personalleiterin, dass die Krankmeldungen bei den Frauen in den letzten Wochen alarmierend stark angestiegen sind und ihr langsam die Ideen ausgehen, wie sie den zunehmenden Personalausfall noch kompensieren kann. Beispielsweise haben sich gestern auf der Intensivstation beide eingeteilten deutschen Krankenschwestern krankgemeldet. Die eine musste sich um ihre gestürzte, pflegebedürftige Mutter kümmern, die andere um ihre erkrankten Kinder. Das Problem war, dass die anderen beiden eingeteilten Pflegekräfte erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind und weder den Ablauf noch die deutsche Sprache beherrschen. Die diensthabende Pflegedienstleiterin holte notgedrungen eine ihrer fähigsten Kolleginnen von einer bereits unterbesetzten Station. Anschließend durfte sie auf dieser Station einen eskalierten Konflikt zwischen einer jüngeren und älteren Kollegin lösen. Die Jüngere beschwerte sich, dass vor allem sie nun die anfallende Mehrarbeit kompensieren müsse. Zudem bestand sie darauf, pünktlich nach Hause zu gehen, da sie durch die Doppelbelastung von Beruf und Familie...