Einleitung
Willkommen an Bord
»Eure Nahrung soll eure Medizin sein
und die Medizin eure Nahrung.«
Hippokrates, Begründer der modernen Medizin
Vor ein paar Jahren fielen unserem Terrier Teako immer mehr Haare aus. Als meine Frau und ich den Hund zum Tierarzt brachten, lautete dessen erste Frage: »Was geben Sie dem Hund zu fressen?« Während meine Frau antwortete, gab mir diese naheliegende Frage zu denken. Wenn der Tierarzt uns fragt, wie wir ein Haustier füttern, ist das wenig überraschend. Dass das Futter von elementarer Bedeutung für die Gesundheit unserer Tiere ist (und im Rückschluss natürlich auch ihr Krankheitsrisiko beeinflusst), akzeptieren wir sofort. Mir jedoch fiel bei dieser prompten Frage auf, wie ungewöhnlich es wäre, wenn ein Arzt einen Kranken genauso direkt fragen würde: »Was essen Sie?« Die meisten Menschen wären erst einmal vor den Kopf gestoßen oder würden sich sogar beleidigt fühlen. Sie erwarten Fragen zu Medikamenten und Symptomen, nicht zur Ernährung. Leider erwarten sie auch eher weitere Medikamente anstatt Erklärungen, wie sie ihre Gesundheitsprobleme durch Ernährungsumstellung und eine veränderte Lebensweise selbst behandeln könnten.
Dabei ist die Ernährung wirklich wichtig. Ich glaube, dass die Frage, was wir essen, in Bezug auf unsere Gesundheit und unsere Fähigkeit, Krankheiten abzuwehren oder ihnen vorzubeugen, von elementarer Bedeutung ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Ernährungsumstellung des letzten Jahrhunderts – von fettreich und kohlenhydratarm zum aktuellen Trend fettarm und kohlenhydratreich mit viel Getreide und anderen schädlichen Kohlenhydraten – für viele moderne Geißeln verantwortlich ist, die dem menschlichen Gehirn zusetzen, ob chronische Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Angst, Depressionen, Epilepsie, Bewegungsstörungen, Schizophrenie, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen mit Hyperaktivität (ADHS) oder jene erheblichen Probleme, die vielfach einem schweren kognitiven Verfall und dem Vollbild einer irreversiblen, unbehandelbaren und unheilbaren Hirnerkrankung vorausgehen.
Die Vorstellung, dass das menschliche Gehirn auf die Ernährung reagiert, findet in der anerkannten medizinischen Literatur in jüngster Zeit zunehmend mehr Anhänger. Viele reagierten zunächst befremdet, als bahnbrechende Arbeiten ergaben, dass unser Gehirn erheblich stärker auf die Ernährungsauswahl anspricht, als wir je gedacht hätten. Dass eine »herzgesunde« Ernährung dem Herz-Kreislauf-System guttut, gilt inzwischen als Binsenwahrheit, ebenso dass wir durch die Zufuhr von viel Kalzium und Vitamin D Osteoporose vorbeugen können. Dass wir durch unsere Ernährungsentscheidungen jedoch das Schicksal unseres Gehirns zum Guten wie zum Schlechten beeinflussen können, ist noch nicht allgemein anerkannt.
In meinem Buch Dumm wie Brot habe ich im Einzelnen erklärt, wie und warum das, was wir essen, die Hirngesundheit beeinflusst. Dort habe ich auch ausführlich erläutert, wie wir über unsere Ernährung der wohl gefürchtetsten Hirnerkrankung von allen, der Alzheimer-Krankheit, vorbeugen können, gegen die es bisher kein ausreichend wirksames Gegenmittel gibt. Das ist eine kühne und provokative Aussage, wie ich sehr wohl weiß, aber inzwischen gibt es die entsprechenden Belege dafür.
2013 veröffentlichte das New England Journal of Medicine die Ergebnisse einer aktuellen Studie, denen zufolge die Kosten für die Pflege Demenzkranker im Jahr 2010 auf 200 Milliarden US-Dollar geschätzt wurden – das ist etwa doppelt so viel wie für Herzkranke und fast dreimal so viel wie für Krebspatienten. Schätzungen zufolge hätten 2,7 Millionen Alzheimer-Patienten in Amerika dieser Krankheit, die ihren Opfern die Fähigkeit nimmt, auf ihre Umwelt zu reagieren, nicht zum Opfer fallen müssen, wenn sie und ihre Angehörigen gewusst hätten, dass die Nahrung wirklich zählt.
Hätte mein Vater, früher ein bekannter Neurochirurg, dies doch schon vor Jahrzehnten gewusst, bevor er schließlich selbst zum Alzheimer-Patienten wurde. Es ist wahr, meine Beweggründe sind zutiefst persönlich. Aber es geht mir nicht nur um das Ende der Alzheimer-Erkrankung.
Vorbeugen heißt heilen
Ich praktiziere seit über 30 Jahren als Neurologe und bin daher täglich mit den verschiedensten Hirnerkrankungen und Demenz konfrontiert. Allerdings arbeite ich in einem Gesundheitssystem, das leider nach wie vor versucht, Patienten lieber mit starken Medikamenten zu behandeln, anstatt sie durch Prävention zu heilen. Man gaukelt uns heutzutage vor, wir könnten unser Leben ganz nach eigenem Gusto führen. Wenn dann die Gesundheit leidet, gehen wir einfach zum Arzt, der uns ein paar »Zauberpillen« verschreibt, die das Problem (vielleicht) beheben. Bei einer Hirnerkrankung reichen Pillen jedoch häufig nicht aus. Bestimmte Arzneimittel können zwar Symptome lindern, das Problem aber nicht unbedingt an der Wurzel packen. Das gilt für Angst- und Migräneattacken ebenso wie für Depressionen und Demenz.
Eines der Beispiele aus Dumm wie Brot ist die Zahl der ADHS-Diagnosen, an der sich ablesen lässt, dass unser Gesundheitswesen lieber reagiert, als proaktiv tätig zu werden. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der ADHS-Diagnosen in den USA um 53 Prozent gestiegen. Für Deutschland liegen vergleichbare Zahlen vor, besonders für Jungen. In Deutschland wird ein Drittel bis die Hälfte der betroffenen Kinder medikamentös behandelt. Ich bin nicht davon überzeugt, dass ADHS eine Erkrankung ist, die mit starken Arzneimitteln behandelt werden sollte. Meiner Ansicht nach beruht die Zunahme des Krankheitsbilds mit großer Sicherheit auf dem, was wir unseren Kindern zum Essen vorsetzen.
Der Medizinbetrieb überzeugt Eltern leider nur allzu leicht davon, dass Medikamente die schnellste und damit beste Lösung darstellen. Es sollte doch ernüchtern, dass volle 11 Prozent der amerikanischen Kinder eine ADHS-Diagnose haben – das sind 6,4 Millionen Kinder zwischen vier und 17 Jahren. Definitionsgemäß gilt ADHS damit als landesweite Epidemie. Umso erschütternder ist, dass zwei Drittel dieser Kinder wegen eines Problems Medikamente erhalten, das über die Ernährung verhinderbar (und möglicherweise reversibel) wäre. In Deutschland kann man davon ausgehen, dass bis zum Alter von 19 Jahren etwa 10 Prozent aller jungen Männer schon einmal Ritalin erhalten haben und jeder Vierte irgendwann als hyperaktiv diagnostiziert wurde. Da stimmt doch etwas nicht!
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel anführen. Rund 10 Prozent der erwachsenen Amerikaner leiden unter Depressionen, was zahlenmäßig auch als Epidemie gelten dürfte. In Deutschland geht man von vier Millionen Betroffenen aus. Depressionen werden zwar häufig nicht ernst genommen, sind jedoch allein in den USA für etwa 30000 Todesfälle im Jahr verantwortlich. Fast immer werden starke Medikamente verordnet, die die natürlichen chemischen Vorgänge in Körper und Gehirn verändern und mit diversen Nebenwirkungen einhergehen. Antidepressiva zählen bei uns zu den am häufigsten verordneten Medikamenten und bereichern damit eine milliardenschwere Industrie.
Doch wie schon erwähnt (und in Dumm wie Brot detailliert erläutert) kann man sich gegen Depressionen, Alzheimer-Erkrankung und ADHS sowie andere Erkrankungen, die mit der Hirnfunktion zusammenhängen, durch die Ernährung wappnen. Medikamente gegen derartige Krankheiten kurieren nur die Symptome – man leitet den Rauch ab, anstatt das Feuer zu löschen. Ich plädiere dafür, sich auf das zu konzentrieren, was das Feuer in Gang hält: die Entzündungsneigung.
Ihr Erzfeind: der lautlose Killer
Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass die Entzündungsprozesse, die zur Degeneration von Gelenken und Gefäßen beitragen, auch das menschliche Gehirn befallen. Ein Knie mit Arthritis schmerzt, weil es entzündet ist. Was tut man dagegen? Nun, die meisten Menschen greifen zu entzündungshemmenden Medikamenten, um das Feuer zu löschen. Genau das müssen wir auch für das Gehirn tun, aber nicht in Form von Arzneimitteln. Hier müssen wir eine Umgebung erzeugen, wo der Flächenbrand gar nicht erst entstehen kann. Das ist die wichtigste Säule zur Vorbeugung vor Erkrankungen oder Störungen des Gehirns.
Die Forschung weiß bereits seit einer Weile, dass alle degenerativen Erkrankungen, auch solche des Gehirns, auf Entzündungen beruhen. Bisher war jedoch ungeklärt, was die Entzündungen in Gang setzt. Inzwischen zeigt sich, dass Gluten (ein Protein, das in Weizen, Gerste und Roggen auftaucht) und eine kohlenhydratreiche Ernährung zu den stärksten Reizfaktoren für die Entzündungskaskaden zählen, die auf das Gehirn übergreifen. Das Verstörende an dieser Entdeckung ist, dass wir häufig nicht merken, dass unser Gehirn gerade leidet. Verdauungsstörungen und Lebensmittelallergien sind deutlich leichter zu erkennen, weil die Symptome – Aufstoßen, Blähungen, Schmerzen, Verstopfung oder Durchfall – relativ zügig zu Tage treten. Das Gehirn hingegen leidet eher stumm. Auf molekularer Ebene kann es unter Beschuss stehen, ohne dass wir etwas davon registrieren. Wer nicht mit Kopfschmerzen oder offensichtlichen neurologischen Problemen reagiert, erfährt erst viel zu spät, was im eigenen Gehirn los ist. Und sobald eine Hirnerkrankung diagnostiziert wird, ist die Schädigung nicht mehr rückgängig zu machen.
Entzündungen können also großen Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns haben. Aber es gibt auch eine gute Nachricht,...