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E-Book

High Sein

Ein Aufklärungsbuch

AutorHenrik Jungaberle, Jörg Böckem, Julia Kluttig
VerlagRogner & Bernhard
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783954030903
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Drogen nehmen kann großartig sein: überwältigend, aufregend, lustig, belebend, euphorisierend, inspirierend, identitätsstiftend. Und Drogen nehmen kann auch verheerend sein: niederschmetternd, stumpf und elend; es kann uns einsam machen oder apathisch, ängstlich oder aggressiv, depressiv oder verzweifelt. »High Sein« ist ein modernes Aufklärungsbuch für Jugendliche, das von echten Experten verfasst ist: Einem Ex-Junkie, einem Wissenschaftler und zwei Jugendlichen, die wissen, was in ihrer Altersgruppe wirklich passiert.

Jörg Böckem, geboren 1966, arbeitet als Journalist u.a. für »Der Spiegel« und das »Zeit Magazin«. Er hat bereits vier Bücher zu Drogen und Sucht veröffentlicht, in denen er auch seine langjährige Heroinabhängigkeit und die darauffolgende Therapie beschreibt. Zum Thema Drogen hält er Lesungen und Vorträge an Schulen und Universitäten. Dr. Henrik Jungaberle, geboren 1967, arbeitet als Wissenschaftler, Präventionspraktiker und Coach, u.a. am Universitätsklinikum Heidelberg (1996-2014) und für finder academy. Er hat mehrere Bücher zu Themen wie Prävention, Therapie und Drogenforschung herausgegeben und verfasst. Er hält Vorträge an Universitäten, Schulen und in Unternehmen.

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Leseprobe

1 Drogen


Im Frühjahr ist Drogensaison; zumindest in deutschen Medien. Jedes Jahr im Mai legt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung den offiziellen Drogen- und Suchtbericht vor. In diesen Wochen sind die Schlagzeilen der Zeitungen dann meist voll von Horrormeldungen, von Drogentoten und Rauschgiftdelikten, von besorgniserregenden Zuwachsraten bei den Erstkonsumenten und von gefährlichen neuen Substanzen, die sich auf dem Vormarsch befinden. Sicher, vieles davon hat seine Berechtigung. Jeder Drogentote ist einer zu viel, das Gleiche gilt für durch Drogen ausgelöste Psychosen, Unfälle unter Drogeneinfluss und vieles mehr. Aber das ist nur eine Seite.

»Der Tanz durch die Nacht kann also schnell zum Tanz in den Tod werden.«

Die Süddeutsche Zeitung über die Gefahren von Ecstasy, 28. Oktober 2013

»Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.«

Paracelsus (1493  1541), Arzt und Naturforscher

»Die Gefahren des Drogenkonsums können genauso groß sein wie die Gefahren in anderen Lebensbereichen. Es gibt keinen nennenswerten Unterschied zwischen Reiten und Ecstasy.«

David Nutt (*1951), Drogenforscher und bis 2009 Vorsitzender des Drogensachverständigenrats der britischen Regierung

Rund 35 Prozent aller deutschen Jugendlichen unter 20 Jahren haben Erfahrungen mit illegalen Drogen. Statistisch gesehen gilt Drogenkonsum in der Jugend damit als normales Verhalten.

Liest man einige der Schreckensmeldungen in der Presse, drängt sich die Frage auf, ob die Millionen Konsumenten von Cannabis, Ecstasy und Co., die in dem Bericht erfasst werden, alle einen Schaden haben. Sind die vollkommen dämlich, sich auf so etwas einzulassen? Oder krank? Verantwortungslos, im höchsten Maße leichtsinnig oder einfach selbstmordgefährdet? Manche von ihnen sind tatsächlich krank und selbstmordgefährdet, unglücklicherweise. Der weitaus größere Teil aber eher nicht. Im Gegenteil: Vielen gelingt es, Drogen zu nehmen, Spaß damit zu haben und sogar davon zu profitieren, ohne Schaden zu nehmen. So wie Hunderttausende in Deutschland als Hobby Fußball spielen, sich manchmal verletzen, durchaus auch schwer, aber trotzdem unter dem Strich mehr Positives als Negatives aus dem Sport ziehen. Wir glauben, dass man das eine, nämlich ernsthaften Schaden zu nehmen, am ehesten vermeiden kann, wenn man das andere versteht: versteht, wie Menschen funktionieren, weshalb sie tun, was sie tun. Genauso wichtig ist es, Drogen zu verstehen, ihre Wirkungsweisen und Eigenheiten, also was sie tun und wie sie es tun, wodurch Nutzen und Schäden entstehen und auf welche Experimente man besser verzichten sollte. In diesem Kapitel möchten wir deshalb einen Überblick über unterschiedliche Drogen, ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken geben, den wir in den nächsten Kapiteln weiter vertiefen werden.

Was sind Drogen?

Drogen bestehen aus Molekülen, die im menschlichen Körper mit anderen, körpereigenen Molekülen zusammenspielen. Sie bewirken eine zeitweilige Veränderung unserer Wahrnehmung, unseres Erlebens und Verhaltens. Das trifft in verschiedenem Ausmaß auf Kaffee, Alkohol, Cannabis, Heroin, LSD und Hunderte weiterer Stoffe zu.

DMT ist ein starkes Halluzinogen, das vor allem tagtraumartige innere Bilder erzeugt.

Schon aus der Zeit, bevor Menschen begonnen haben, ihr Wissen in Bild und Schrift zu dokumentieren, gibt es zahlreiche Hinweise auf die Nutzung von Drogen zur Heilung, zu gesellschaftlichen oder rituellen Zwecken. In den argentinischen Anden wurden bei Höhlengrabungen zwei ausgehöhlte Knochenpfeifen entdeckt (Chillums), in denen DMT-haltige Samen des Busches Anadenanthera geraucht worden waren: Ihr Alter konnte auf mindestens 4000 Jahre bestimmt werden. Sie lösen – wie das seit Jahrhunderten im Amazonas dokumentierte halluzinogene Schnupfpulver Yopo – vielschichtige, manchmal erschreckende, Aggression und Übelkeit bewirkende Visionen aus. Kulturen wie die der Tukano-Indianer haben ganz eigene Erklärungen dafür entwickelt: Bei der Einnahme hoher Dosen verwandeln sich die Schamanen in Jaguare, Tiere, die in der geistigen Welt des südamerikanischen Schamanismus eine wichtige Rolle einnehmen. Niedrige Dosen werden jedoch auch im Rahmen der Jagd und für Wettervorhersagen genutzt (die ja bekanntlich nicht sehr genau sein müssen).

In Teilen des Südseeraums wurde und wird aus dem Kava-Kava-Strauch, auch Rauschpfeffer genannt, ein psychoaktives Getränk bereitet. Kava wirkt entspannend, angstlösend, schmerzmindernd. An der Kava-Zeremonie auf Vanatu z. B. nahmen nur Männer teil, die sich im »Nakamal«. (Friedensort) trafen, um mit Hilfe der Substanz Streit zu schlichten. Es wurde so lange getrunken, bis einer der Kontrahenten umfiel. Wer durchhielt, hatte gewonnen, der Streit war beendet.

Anthropologen konnten nachweisen, dass die ausgelösten Rauschzuständeauch zur Konfliktlösung genutzt wurden. Rückstände auf 9000 Jahre alter Keramik, die in China gefunden wurde, deuten darauf hin, dass Menschen bereits in der Jungsteinzeit alkoholische Getränke konsumierten. Und ein historisches Bierrezept wurde von Archäologen in Mesopotamien gefunden: Es wird auf 3500 bis 5400 v. Chr. datiert. Drogen begleiten die Menschheit also schon sehr, sehr lange.

Das Wort Droge stammt aus der Pharmakologie, also der Arzneimittellehre, und bezeichnete ursprünglich getrocknete Arzneipflanzen oder tierische Stoffe wie Schlangengifte oder Blutegel, die als Heilmittel verwendet wurden. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung Drogerie für ein Geschäft, in dem solche Heilmittel angeboten werden. In England und den USA werden mit dem Wort »drugs« auch heute noch allgemein Medikamente bezeichnet. In Deutschland bezeichnen wir mit dem Wort Drogenormalerweise eine Substanz, die einen Rausch verursacht oder den Bewusstseinszustand verändert. Folgende Merkmale zeichnen ein High, also einen veränderten Bewusstseinszustand, aus. Sie können einzeln auftreten oder auch kombiniert:

  • Veränderung des Denkens: Denkprozesse werden bildhafter, assoziativer, unzusammenhängender
  • Veränderung des Zeitempfindens: Die Zeit vergeht subjektiv schnell oder langsam, unabhängig vom tatsächlichen Verstreichen der Zeit
  • Teilweiser Verlust der Kontrolle: Enthemmung, die unter anderem helfen kann, sexuelle Blockaden zu überwinden, aber auch sexuellen Übergriffen gegenüber wehrlos machen oder zu Aggressivität und höherer Gewaltbereitschaft führen kann
  • Veränderung der Emotionalität: Gefühle wie Freude, aber auch Angst oder Wut werden intensiviert oder gedämpft
  • Veränderung der Körperwahrnehmung: Deutlichere oder verminderte Wahrnehmung des eigenen Körpers oder seiner Bedürfnisse nach Schlaf oder Essen, das Gleiche gilt für das Schmerzempfinden
  • Wahrnehmungsveränderungen: Fokussierung auf Details oder Überfrachtung mit Reizen, Intensivierung der Farbwahrnehmung, Verzerrungen und Illusionen
  • Veränderung des Bedeutungserlebens: Im Alltag als unwichtig Empfundenes steht plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, persönliche Werte und Überzeugungen können in Frage gestellt werden; dies schließt gelegentlich auch spirituelle Erfahrungen ein
  • Veränderung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit: vermehrtes Sprechbedürfnis oder auch Versagen der Sprachfähigkeit
  • Hypersuggestibilität: Höhere Beeinflussbarkeit durch andere

Manchmal wird die Bezeichnung Droge auch für Tätigkeiten verwendet, die unsere Stimmung positiv beeinflussen, als lustvoll erlebt werden und zu einer Form von Sucht führen können – beispielsweise für Computerspiele, Sport oder Sex. »Musik ist meine Droge« oder »Snowboarden ist meine Droge«, heißt es dann zum Beispiel. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass alles, was Freude macht, dazu führen kann, dass wir nicht genug davon bekommen können und es immer und immer wieder erleben wollen, auch in ungesundem Maß. So kann Sucht entstehen.

Wenn wir in diesem Buch von Drogen sprechen, dann meinen wir allerdings nur psychoaktive Substanzen. Substanzen, die unsere Wahrnehmung, unsere Stimmung und unser Verhalten beeinflussen, indem sie chemische Prozesse in unserem Körper verändern. Darunter fallen auch viele Medikamente wie Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel oder Ritalin, das zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom) verwendet wird, und legale Drogen wie Alkohol, Nikotin oder Koffein. Die Wirkung der verschiedenen Substanzen unterscheidet sich stark, da auch die Wirkstoffe und Mechanismen unterschiedlich sind. Verallgemeinernd kann man sagen, dass Drogen an den Synapsen, also den Nervenenden des Gehirns wirken.

Drogen und ihre Wirkung

Folgende Drogengruppen lassen sich mit Blick auf ihre Wirkung unterscheiden:

Aufputschende Substanzen (Stimulanzien) euphorisieren, steigern die Leistungsfähigkeit, machen gesprächiger und verringern das Hungergefühl sowie das Schlafbedürfnis. Zu ihnen zählen Amphetamine (Speed, Crystal Meth), Kokain, Koffein, MDMA (Ecstasy), Nikotin oder Medikamente wie...

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