Dieses Kapitel wird zunächst auf die Eingliederung von E-Learning in die betriebliche Personalentwicklung eingehen. Als Weiteres wird dann der aktuelle Stand in der Praxis anhand bereits bestehender Studien vorgestellt, die später dem empirischen Teil dieser Arbeit als Vergleichsgrundlage dienen sollen.
Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Begriffe betriebliche Weiterbildung und E-Learning näher definiert und erläutert wurden, wird im Folgenden näher auf die Fragestellung eingegangen, wie beides miteinander kombiniert wird. Also wie E-Learning in die Personalentwicklung eingebettet ist, bzw. welche Ziele man mit E-Learning erreichen möchte.
Generell unterlag die betriebliche Weiterbildung in den letzten Jahren einem Wandel. Zu den wesentlichen Charakteristika des Wandels der beruflichen Bildung zählen laut TAB-Arbeitsbericht:
Gewandelte Funktionsbestimmung: Das diskontinuierliche „Lernen auf Vorrat“ wird abgelöst durch eine kontinuierliche Weiterbildung im Sinne des Lebenslangen Lernens.
Verschiebung der Inhalte: Neben fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sind immer stärker Kompetenzen und Anforderungsprofile notwendig, die auf Problemlösung, Selbstorganisationsfähigkeit, Koordinierungs- und Kommunikationsfähigkeit abzielen.
Neue Vermittlungsformen: Die Bedeutung von informellen Lernprozessen (z.B. kollegiale Gespräche) und nicht formalisiertem Lernen (z.B. Qualitätszirkel und Projektarbeit) sowie die Nutzung neuer Medien nimmt zu.
Neue Lehr/Lernkultur: Als wichtigste Eigenschaft treten das selbstorganisierte Lernen und das didaktische Prinzip der individuellen Lernmotivation in den Vordergrund.
Im Hinblick auf die Möglichkeiten und Anforderungen des E-Learning gewinnt schließlich auch das Bildungspersonal eine neue Bedeutung. Die Bildungsbetreuer wandeln sich von Wissensvermittlern zu Begleitern von Lernprozessen. Hierbei sind entsprechende Qualifikationen und Erfahrungen des Bildungspersonals mit den Methoden des E-Learning von zentraler Bedeutung, und die Lehrenden unterliegen selbst der Notwendigkeit zur kontinuierlichen Weiterbildung. (Vgl. TAB Arbeitsbericht)
Die Gründe und Ziele, die ein Unternehmen mit der Einbindung von E-Learning in die betriebliche Weiterbildung verbindet, lassen sich mit einigen Punkten der Vorteile von E-Learning, die in Kapitel 4 aufgezählt wurden, erklären. Von wesentlicher Bedeutung sind hierbei die Reduzierung der Weiterbildungskosten, das Verringern der Lernzeit, die Ausrichtung auf individuelle Bedürfnisse, anschauliche und praxisbezogene Übungen sowie arbeitsintegrierte und kontinuierliche Lernprozesse.
In vielen Unternehmen wird E-Learning in Form von einzelnen Kursprojekten umgesetzt, die für Ad-hoc-Lernbedarfe speziell konzipiert wurden und nicht von einer übergeordneten Learning Strategie getragen werden. Auch wenn somit verschiedene elektronische Lernmedien, z.B. CBT, WBT und Virtuelle Klassenzimmer Einzug in die Aus- und Weiterbildung halten, übt dies in der Regel keinen maßgeblichen Einfluss auf die unternehmensweite Trainings- und Lernkultur aus, denn E-Learning hat hier lediglich Projektstatus. (Vgl. Bursian & Back, 2003)
Nach einer Studie von Da Rin, sind die Mitarbeiter der Ansicht, dass E-Learning sich vor allem für die Vertiefung und Nachbearbeitung von Wissensinhalten, jedoch weniger gut – vor allem wenn keine Rückfragemöglichkeiten bestehen – und für den Einstieg in ein völlig neues Themengebiet eignet. Ideal ist es nach Ansicht der Mitarbeiter, wenn E-Learning von einem E-Coach begleitet wird. E-Learning muss betreut werden, damit man bei Unsicherheiten nachfragen kann und um einen Austausch zu ermöglichen. (Vgl. Da Rin, 2005, S. 58)
Bisherige Studien zu E-Learning in der empirischen Forschung kommen zu folgenden Ergebnissen.
Gemäß der Cognos Studie (2002) wird E-Learning häufiger in großen Unternehmen (>10.000 Mitarbeiter) eingesetzt als in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Im Branchenvergleich liegt der EDV/IT Bereich vorne, gefolgt vom Automobil und Maschinenbau. Außerdem wird laut Cognos E-Learning von Managern öfters angewandt als von den übrigen Angestellten. Die Untersuchung stellt fest, dass CBT dabei am häufigsten genutzt wird (43%). Dahinter folgt WBT mit 24%. Virtual Classrooms und Business TV stehen mit 7% und 6% auf den letzten Rängen. (Vgl. Cognos Studie, 2002)
Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt eine Marktstudie von Ross & Köllinger. Diese kommt zum Ergebnis, dass E-Learning vor allem bei Versicherungen und Firmen aus der Elektrobranche Anwendung findet. (Vgl. Ross & Köllinger, 2004, S. 62) Die genauen Ergebnisse zu diesen und anderen Branchen finden sich in Abbildung 5.
Abbildung 5. E-Learning Anwender nach Branchen nach Ross & Köllinger ( 2004)
Auch die Studie der BIBBforschung bestätigt, dass E-Learning vor allem in großen Unternehmen Anwendung findet, dort wird es dann auch bei mehr als der Hälfte der Fälle unmittelbar am Arbeitsplatz genutzt. Des Weiteren zeigt die Studie, dass die meisten Arbeitsplätze jedoch nicht für E-Learning geeignet sind, so fehlen hauptsächlich zeitliche Freiräume bzw. eine geeignete Lernumgebung. (Vgl. BIBB, 2002)
Eine Marktstudie der DEKRA Akademie forschte 2002 u.a. nach den Gründen für den Einsatz von E-Learning, mit dem Ergebnis, dass es den Unternehmen primär um den Kostenfaktor geht (Kosteneinsparung 33%, Einsparung von Reisezeit, 21%). Andere Argumente, wie zum Beispiel die Förderung der Eigenverantwortlichkeit (6%) liegen weit abgeschlagen zurück. (Vgl. Littig, 2002, S. 26)
Die Frage nach den unterschiedlichen Erscheinungsformen zeigt, dass CBT, mit Abstand, die am meisten genutzte E-Learning Form ist. Besonders auffallend ist die Differenz zwischen den beiden WBT Nutzungsformen. WBT per Intranet wird mehr als doppelt so oft angewandt als WBT per Internet, wie aus Abbildung 6 ersichtlich ist. Folglich sind die entsprechenden Lernprogramme auf den Unternehmensservern abgelegt und können nur von internen Mitarbeitern und Partnern des jeweiligen Unternehmens genutzt werden. Die Nutzung von Software von externen E-Learning Anbietern spielt somit eine geringere Rolle.
Abbildung 6. Formen von E-Learning nach Riekhof & Schüle (2002 a)
Ein anderer Aspekt, der auch in der eigenen Studie abgefragt werden soll, ist die Frage nach dem Anteil des E-Learningbudgets am Gesamtbudget für Aus- und Weiterbildung. Das Ergebnis der Unicmind Studie, welches in Abbildung 7 abgebildet ist, zeigt, dass der Budgetanteil von E-Learning in der Weiterbildung stark variiert. In den meisten Fällen lag dieser zwischen 2% und 5%. Aber auch Anteile von 10-15% oder größer 20% finden relativ häufig Anwendung.
Abbildung 7. Anteil E-Learning Budget nach Riekhof & Schüle (2002 a)
Während die DEKRA Studie noch zu dem Ergebnis kommt, dass E-Learning hauptsächlich bei branchenspezifischen Fachthemen Anwendung findet (64%), liegen alle anderen Anwendungsfelder, wie Sprachen oder IT unter 10%. Dagegen kommt die Unicmind Studie zu einem ganz anderen Ergebnis, wie aus der Abbildung 8 ersichtlich ist. Demnach sind vor allem Office Lösungen und Sprachen durch das E-Learning sehr stark vertreten.
Abbildung 8. E-Learning Content Themen nach Riekoff & Schüle (2002 b)
Ein anderer Artikel gibt ebenfalls Aufschluss über die Nutzung der einzelnen E-Learning Angebote. Laut der Fachzeitschrift „personalmagazin“ wurde 2003 noch das Thema IT-Datenbanken (17%) am häufigsten gebucht, gefolgt von IT-Anwenderschulungen (12%) und IT-Betriebssystemen/ Administration (10%). Allerdings haben die Unternehmen inzwischen den technikdominierten Bereich verlassen. Damit stehen heute der Bereich Kommunikation, Rhetorik, Präsentation (15%) an vorderster Stelle, gefolgt von Management und Unternehmensführung (14%). Erst auf Rang drei kommen die IT-Anwenderschulungen (9%). (Vgl. personalmagazin, 2006, S. 14)
Die folgende Abbildung 9 gibt Aufschluss über den Anwenderkreis von E-Learning. Laut Unicmind Studie wird E-Learning vor allem bei Sachbearbeitern bzw. kaufmännischen Mitarbeitern angewandt, gefolgt vom mittleren Management (siehe hierzu Abbildung 9).
Abbildung 9. Zielgruppen für E-Learning nach Riekhoff und Schüle (2002 b)
Die folgende Abbildung 10 zeigt, wie oft E-Learning Content mit Präsenzseminaren kombiniert wird. Mit anderen Worten, in welcher Quantität E-Learning in Form von Blenden Learning angewandt wird. Es zeigt sich, dass dies in 36% der Fälle der Fall ist.
Abbildung 10. Verknüpfung von E-Learning mit Präsenzseminaren nach Riekhoff und Schüle...