Autobiographie
Eine von vielen
Um die Kindheit betrogen
Anklagebank für Pädagogen
In meinem Herzen habe ich euch geliebt
Ein Leben wie ein Tier
Ein Kind packt aus
Worte in die Freiheit
Wie kann ein Mensch mit so viel Ablehnung überleben? Überlebter Missbrauch
Ein Buch für Dich
Meine Seele wird gesund
Der Seelengesang
Der Himmel weinte mit mir
Armut 1955
Einbruch
Im Tränenmeer meiner Seele
Meine Kindheit und Jugend
Die Verzweiflung meiner Mutter, die Gewalt überlebte Eine von vielen, die vergessen wurde
Ein langer Weg zur Liebe
Ich schreibe ein Buch über mein Leben über mich. Es ist eine Aufarbeitung meiner Kindheit und Jugend, die ich als katastrophal erlebt habe. Die Peinlichkeiten meines Lebens bringe ich zu Papier, meine Hilflosigkeit und die beschämende Kindheit, wie ich vor mich hinvegetierte, emotional am Verhungern war, wie die Sonne nicht in mein Leben scheinen konnte. Die Sonne des Lebens schien selten, harte Arbeit verdunkelte mein Kinderleben.
Ich sollte ein grausames Geheimnis bleiben, abgeschieden von allen ereignisreichen Freuden, die ich von weitem bei anderen sehen durfte, und jetzt will ich auspacken, alles erzählen, meine Kindheit ist stets gegenwärtig, solange ich lebe, ist sie ein Teil von mir. Erinnerungen quälen mich, egal wie alt ich bin; mehr als mir lieb ist, durchleide ich mein Leben.
Ich beschreibe eine Hölle, durch die ich einst ging.
In Träumen habe ich alles verschönert, nichts wollte ich so hinnehmen, wie es wirklich war, nichts konnte so sein, wie es war, das wollte meine Seele nicht glauben, nicht einfach so akzeptieren, das konnte doch nicht sein. Die Seele ist erfinderisch, kreativ, mutig, die Seele trägt Ruhe ins Leben. Das Spiel mitspielen, bis es nicht mehr zu verantworten ist. Darüber hinaus trägt das Kind das schwerste Schicksal. Jeder Erwachsene läuft davon, nichts hält ihn auf.
Kinder sind das schwächste Glied in der Kette. Sie sind den Erwachsenen ausgeliefert auf Gedeih und Verderb. Die Kindheit ist das Schwerste, das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.
Kinder sind kooperativ, kompromissbereit, bereit, alles hinzunehmen, sie wollen nur das eine: geliebt werden.
Wer die Kindheit überlebt, hat die härteste Schule des Lebens geschafft, aber Ruhe wird lange nicht einkehren, bis heute habe ich sie nicht wirklich gefunden. Frieden schließen mit mir und den anderen – wie soll das gehen?
Mein Leben ist eine einzige Bewältigung, das ganze Leben, vielleicht nicht für jeden, aber ganz sicher für mich.
Ich möchte schreiben, um zu leben, schreiben möchte ich, über all das, was mir heute noch tief in der Seele brennt, tief in mir steckt, ja, in mir wütet.
Ich werde reden, über all das werde ich reden, nicht mehr schweigen, was sie alle von mir forderten. Jahrzehnte habe ich geschwiegen. Jetzt heile ich mich selbst. Ich haderte mit meinem Leben, so unvorstellbar grausam ging es mit mir um. Alles schlummerte jahrelang in mir, in meiner Einsamkeit.
Jahrelang mussten andere durch mein Leid leiden.
Nur dann, wenn alles beim Namen genannt wird, kann so vieles heilen. Durch Öffnung wird die Seele gesund. Egal wie es war, erst wenn ein Mensch nicht mehr schweigt, erst dann wird er auferstehen und in seinem Leben Ordnung schaffen, wenn er den Mut dazu findet.
***
Ich möchte das Buch für drei ganz bestimmte Menschen schreiben. Sie haben so vieles miterlebt, sie mussten zusehen, mit ansehen, wie ich weinte, schrie, sie haben es hautnah mitbekommen, sie waren wütend, sauer, entsetzt, schockiert. Wie kann es sein, so ein Leben überlebt zu haben? Zwei Welten vermischten sich, prasselten aufeinander: mein Leben als Kind und das Leben einer Mutter, einer Frau. Es war ein Grauen, ein Wahnsinn, der mich tagtäglich begleitete. Wie konnte ein kleiner Mensch so viel Ablehnung erfahren? Wie konnte ich überleben? Ein Doppelleben musste ich führen, ich war zwischen Welten hin und her geworfen, wo waren meine Gedanken? Auf gar keinen Fall im Hier und Jetzt, die wenigste Zeit konnte ich das annehmen, was gerade passierte. Vielmehr lebte ich in meiner Vergangenheit, in einer Ablehnung, die keinen Raum in mir ließ, um zu leben, diese permanente Bedrohung, überflüssig und wertlos zu sein, keinen Platz zu haben – doch wer hatte das schon in meiner Familie? Wie schnell holte mich nach Jahrzehnten die Vergangenheit ein, es war, als drehte man einen Lichtschalter in mir an. Es ist nichts als die Wahrheit. Wie oft habe ich gelitten, in einem Zeitalter, wo es doch allen besser gehen sollte, der Krieg war doch längst vorbei, die Deportierten waren alle tot.
Für meine Seele lag alles noch so in der Luft, aber die Zeit spielt gar keine Rolle, es gab schon eh und je Menschen, die vergessen, gequält, gepeinigt, erniedrigt, ausgestoßen und abgelehnt wurden, wie im Holocauat, die es im Leben sehr schwer hatten. Wie oft habe ich gesagt bekommen, es gibt noch viel Schlimmeres als deine Geschichte. Ja natürlich, wie traurig war die Zeit vor meiner Geburt, die Kriegszeit – auch dieses Leid trug ich in mir. Aber die Welt, die in mir drinnen lebt, war und ist größer als die beschränkte Welt draußen in meinem Umfeld.
Ich schreibe eine wahre Geschichte. Lange habe ich geweint, weinend saß ich im Bett oder am Schreibtisch, ging nach draußen auf die Felder, suchte Ruhe und fand nur Einsamkeit. Ich weinte und schrie, keiner konnte mich hören, nur so war ich es gewohnt, mein Leben zu leben.
Jetzt erst recht: Ich schreibe – trotz meiner Legasthenie, die mich zutiefst erniedrigte. Wem soll ich das überhaupt zeigen, das Blatt voller Rechtschreibfehler?
Es gab nichts Schlimmeres. All die vielen Fehler, die ich machte, da konnte nur noch der Boden unter meinen Füßen aufgehen, diese Angst, Scham und Pein war unerträglich, denn es kam noch schlimmer.
Aber was schreit alles aus mir heraus, da sollten all diese Fehler das wenigste sein. Aber nach ihnen wurde ich bemessen, beurteilt und verurteilt. Dabei ging es für mich um das nackte Überleben, alles Leben meiner Kindheit holte mich wieder ein, all diese schrecklichen Gefühle, all dieses Leid, das über mich kam, jeden Tag, es gab keine Ruhe für mich. Ich wurde nach dem bewertet, was ich alles falsch machte. Vergessen konnte ich nicht. Wie schön wäre es, alles einfach hinter sich zu lassen! Es steckt tief in mir, die Wunden tun weh, sie brennen wie Feuer in mir und auf mir – war es das Fegefeuer?
Zu wie vielen Therapeuten bin ich gegangen? Wie sehr haben sie mir manchmal geholfen! Tag und Nacht war ich mit Angst erfüllt, ich brauchte dringend jemanden, der mir zuhörte. Zu wie vielen Menschen bin ich gelaufen! Ich wollte nur nicht alleine sein, ich wollte nur geliebt werden, nur dazugehören wollte ich, aber ich gehörte zu niemandem und zu nichts dazu, ich wusste nicht, was es war, eine Mutter zu haben, ich drängte mich auf, ob sie wollten oder nicht.
Das tiefe Gefühl: Mich will niemand, ich bin wertlos auf dieser gottverdammten Erde.
Was sollte ich hier? Ich versteckte mich, verkroch mich ins letzte Eck, ich lebte in einer Einsamkeit, die mich in meiner ganzen Kindheit furchtbar quälte. Von Zeit zu Zeit musste ich erbarmungslos weinen, wildfremde Menschen sprachen mich an und sagten, ich soll nach Hause gehen zu meinen Eltern – aber wo waren sie nur? All der Druck, der ganze Schmerz wollte nur aus mir heraus, nur raus. Tagelang fühlte ich mich elend, mein Körper war wie auf- geweicht, durchlässig vom Schmerz, den niemand sah.
Wie oft hatte ich mich für mein Leben peinlichst geschämt, wie oft wollte ich nicht mehr leben! Nur wenn ich mir Hilfe holte, konnte ich überleben und mein Leben überhaupt in den Griff bekommen, nein, nur dann spürte ich, dass ich auch wer bin, nur dann hatte ich auch eine Chance zu überleben.
Wie oft musste ich mir anhören, ich hätte mir mein Leben so ausgesucht. Wie kann man sich so ein Leben aussuchen? Ich verstand es nicht. War ich dazu schon wieder zu blöde?
Viele Jahre später habe ich versucht zu malen, irgendwie aufzuschreiben, mit all den vielen Rechtschreibfehlern. Egal in welchem grausamen Zustand ich lebte, ich schrieb so, wie ich es konnte. Keiner stand mehr hinter mir oder neben mir und zog mich an den Haaren oder an den Ohren oder schloss mich im Zimmer ein. Keiner konnte mich mehr bremsen.
Wozu quälten sie mich damals auf gemeinste Art, schlugen mir links und rechts auf die Wangen, ins Gesicht, auf den Kopf, bis mir schlecht wurde? Mir drehte sich der Magen um, alles wegen meiner Lese-Rechtschreib-Schwäche und vielem mehr. Nein, sie wurde durch all die vielen Prügel auf keinen Fall besser. Ich litt wie ein Tier, die Angst war unaufhaltsam. In mir tobte es, meine ganzen Erlebnisse habe ich viele Jahre verschwiegen. Meine Eltern waren mit sich selbst beschäftigt.
Mein Schweigen, mein Versagen – sie hielten es für Trotz und schlugen mich – doch ich wollte keinen meiner Lehrer ärgern, nein, in mir tobte nur die nackte Angst.
Lange nach meiner Schullaufbahn konnte ich schreiben und lesen, alles wurde ein bisschen besser. Viel später lernte ich Bücher lesen. Beispielsweise habe ich Bücher von Hermann Hesse, Martin Walser und Siegfried Lenz entdeckt, gespannt fing ich zu lesen an. In seinen Büchern fand ich viele meiner Gefühle wieder.
Diese Einsamkeit: Nichts konnte ich mit jemandem teilen, nichts konnte ich und für nichts war ich gut genug, ich zehrte von meinem...