Vorwort
Ist Ihnen schon Folgendes passiert: Sie werden zu einer kirchlichen Feier eingeladen, Sie gehen hin, weil Ihnen die Personen wichtig sind, die dort feiern, haben aber nicht die leiseste Ahnung, was dort von Ihnen erwartet wird? Sie befolgen schon die längste Zeit Rituale, die Sie schön finden, von denen Sie aber auch gerne wüssten, wofür sie eigentlich gut sind, wie zum Beispiel in der Adventzeit Kerzen anzuzünden oder am Karsamstag Speisen segnen zu lassen? Sie sehen, dass Menschen, die Sie schätzen, katholisch und zugleich glücklich sind und wollen wissen, was genau dahintersteckt?
Dann ist dieses Buch genau das Richtige für Sie.
Es richtet sich an die Menschen, die mit dem Christentum (insbesondere mit dem katholischen) zu tun haben, aber nicht so genau Bescheid wissen, wie es gerade erforderlich und dienlich wäre. Nehmen wir an, Sie sind nicht gerade auf Du und Du mit der Pfarrgemeinde, und einer Ihrer nettesten Arbeitskollegen, ein Katholik, ist gestorben – natürlich sollte man ihm die letzte Ehre erweisen, aber was genau passiert denn bei einem christlichen Begräbnis, und vor allem: Warum passiert es? Oder angenommen Ihre Schwester, die seltsamerweise religiöser ist als Sie, bittet Sie, Taufpate eines Ihrer Kinder zu werden, Sie haben aber außer dem Taufschein nicht mehr so viel mit der Kirche zu tun – was genau ist denn die Taufe, und was sollte man als Patin oder Pate tun? Vielleicht sollen Sie auch mal als Trauzeuge wirken? Oder ein Erntedankfest mitgestalten? Oder es interessiert Sie einfach nur, warum wir eigentlich Osterferien haben?
Wie auch immer, dieses Buch soll Ihnen in sehr verdichteter und vereinfachter Form einige Antworten bieten. Es ist schon wagemutig, überhaupt so etwas wie eine „Einführung in das Katholischsein“ schreiben zu wollen; wenn man dann aus vernünftigen Erwägungen anstelle von 800 nur knapp 250 Seiten dafür verwenden soll, wird es halsbrecherisch und es bleiben notwendigerweise viele Details auf der Strecke. Vieles ist daher unbesprochen geblieben; vieles kann ich in diesem Rahmen nur darstellen und nicht ausführlich begründen; einiges – das muss man der Fairness halber sagen – ist auch nicht im strikten Sinne begründbar, sondern eine „Glaubenseinsicht“, die aus einer bestimmten Tradition entstanden ist und nun sinnvollerweise zum Bekenntnis der katholischen Kirche gehört. In solchen Glaubenssätzen spiegeln sich – das wird oft übersehen – komplexe historische Entwicklungen; und ihre eigene Geschichtlichkeit gehört nun einmal zum Wesen der katholischen Kirche und ist unverzichtbar. Nicht zuletzt deshalb haben manche Glaubenssätze, auch wenn sie sich den Maßstäben der heutigen sogenannten „Rationalität“ zu entziehen scheinen, ihre Berechtigung.
Ich werde versuchen, einen Weg im Spannungsfeld von Kürze, leichter Verständlichkeit und Vollständigkeit zu finden, wobei mein Leitsatz ist: Alles Wichtige kann auch einfach gesagt werden. Und vielleicht ist tatsächlich das, was man nicht so einfach sagen kann, das weniger Wichtige.
Ich selbst bin beruflich systematischer Theologe. Unsere Spezies steht nicht gerade im Ruf der einfachen Ausdrucksweise, und mitunter ist die Wortwahl von Kolleginnen, Kollegen und auch mir eher furchterregend. Das liegt aber auch an der Umgebung, in der wir normalerweise sprechen – an den Universitäten muss man gelegentlich sehr viel voraussetzen und vor allem sehr viel mit sehr wenigen Worten ausdrücken, da sind Fachausdrücke unvermeidlich. Aber wie es in der Bibel so schön heißt: Für alles gibt es eine richtige Zeit,1 und so scheint es mir jetzt an der Zeit zu sein, es einmal einfacher zu versuchen und trotzdem nicht weniger zu sagen – schaden kann das ja wohl kaum.
Zweitens bin ich selbst Diakon. Diakone sind „im Dienst“ am leichtesten dadurch erkennbar, dass sie, wenn sie eine offizielle katholische Feier begleiten, meist ein weißes bodenlanges Gewand und einen farbigen „Schal“ tragen (eine „Alba“ und eine „Stola“, wie man das mit dem Fachausdruck nennt)2. Gut, das tun Priester auch, aber die Diakone tragen ihre Stola von der linken Schulter zur rechten Hüfte diagonal, während Priester sie vor der Brust parallel nach unten hängen haben. Außerdem spenden sie die Taufe, beerdigen, helfen bei der Eheschließung und können auch geweiht werden, wenn sie selbst verheiratet sind.3 Aus den vielen Feiern, die ich in den Jahren seit meiner Weihe begleiten durfte, weiß ich, dass oft genug viele Menschen anwesend sind, die gerne mitfeiern würden, aber nicht genau wissen, wie und wann sie was genau tun sollen. Auch denen soll hier ein wenig geholfen werden.
Und nicht zuletzt bin ich, drittens, selbst gläubiger Katholik. Das ist in diesem Zusammenhang nicht selbstverständlich. Für mich heißt es: Ich glaube daran, dass das, was ich beruflich und als Diakon ehrenamtlich tue, einen festen und soliden Grund in der Wirklichkeit, hier und jetzt, hat. Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der mir als Person gegenübersteht und sich auf das Risiko einer Beziehung mit mir eingelassen hat; ich glaube daran, dass er sich in Jesus Christus uns Menschen gegenüber unwiderruflich festgelegt hat und dass in dessen Tod und vor allem in dessen Auferstehung das Heil und die Erlösung für alle Welt begründet liegt; und ich glaube auch daran, dass sich in der Gemeinschaft aller Christinnen und Christen („Kirche“) und idealerweise in der Gemeinschaft aller gläubigen Menschen zu jeder Zeit der Wille Gottes ereignen und das „Reich Gottes“ Wirklichkeit werden kann. Und dass die menschliche Geschichte auf einen Endpunkt zusteuert. Aber zu all dem später mehr.
Ich möchte mit dem beginnen, womit Christinnen und Christen in der Öffentlichkeit am ehesten sichtbar werden (und wozu, wie eingangs gesagt, auch Fern- und Außenstehende mitunter Kontakt haben können): mit ihren öffentlichen Feiern, vor allem mit jenen, die ihr Leben strukturieren. Für jede dieser Feiern möchte ich erklären, was genau eigentlich gefeiert wird, was im Rahmen einer solchen Feier passiert, aber auch, wie man die Feier vielleicht selbst mitgestalten kann. Aber auch in ihren öffentlichen Zeichen und in der Gestaltung des Jahresablaufes werden Christinnen und Christen deutlich sichtbar, und auch diese Sichtbarkeit hat ihre Gründe (haben Sie schon mal darauf geachtet, wie viele Menschen ein kleines Kreuz an der Halskette tragen oder wie viel von unserer sehr weltlichen Jahres- und Arbeitszeit eigentlich christlich strukturiert ist?).
Feiern sind äußere Vollzüge, die eine innerliche Wirkung und einen tieferen Grund haben (ja, jede, auch die Betriebsfeier, wenn auch Wirkung und tieferer Grund dort etwas anders aufzufassen sind). Im zweiten Teil des Buches soll es um genau diesen tieferen Grund gehen, darum, was eigentlich die Ausgangspunkte für diese kleinen und großen Ereignisse sind. Man muss diesen zweiten Teil nicht lesen, um den ersten zu verstehen; aber als Ergänzung wäre er doch ziemlich sinnvoll – z. B. damit man nicht angesichts der Eröffnung jeder christlichen Feier von der (falschen!) Annahme ausgeht, dass im Christentum drei Götter verehrt würden („Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“).4 Oder damit man zumindest in Umrissen schon länger verschüttete Kenntnisse wieder mal entstauben oder sogar ausgraben kann.
Damit dabei der Tiefgang nicht völlig ausbleibt, finden Sie reichlich Hinweise auf weiterführende Literatur, meist in Kurzform. Die ausgeschriebene Form finden Sie dann ganz hinten in einem eigenen Literaturverzeichnis. Diese Verweise dienen als Hilfestellung zur Vertiefung eines bestimmten Themas und sind natürlich bei weitem nicht vollständig. Ebenso am Ende dieser Ausgabe finden Sie einen reich bestückten Index mit den wichtigsten Stichworten.
Wirklich nützlich bei der Lektüre dieses Buches ist jedenfalls eine Bibel, am besten eine Einheitsübersetzung, an der ich mich für diesen Fall auch orientiere. Aber die bekommt man mit Hardcover schon um knappe zehn Euro, und sie sollte ohnehin auf jedem Bücherregal stehen.
Ich habe mich soweit möglich um unverkrampfte Geschlechtergerechigkeit in der Sprache bemüht (was, wenn man gerade über die römisch-katholische Kirche schreibt, nicht immer trivial ist). Auf Vorschlag des Verlages habe ich aber auf ständige Doppelnennungen und vor allem die unsägliche Binnen-I-Schreibung verzichtet. Dadurch gibt es natürlich stellenweise Anklänge an die unzeitgemäße „Inklusivsprache“ – dafür bitte ich um Nachsicht, aber ein Buch wie dieses wäre sonst stellenweise unlesbar.
Wenn ein Buch fertig ist, sind immer auch Danksagungen angebracht. Meine gelten insbesondere meiner Gattin Ingeborg, die gemeinsam mit mir durch manch aufgewühlte Wasser gesegelt ist und ohne die ich auch in ruhigeren Zeiten nur schwer navigieren könnte, und meinen Kindern Magdalena und Michael, deren Spontanität und Kreativität (vor allem im Fragen) viel zu diesem Buch beigetragen haben. Sie gelten meinem inzwischen leider emeritierten Pfarrer Friedrich Tieber, der mir durch sein praktisches Vorbild viel mehr an Güte und Menschenfreundlichkeit vermittelt hat als jede theoretische Abhandlung. Sie gelten meiner geduldigen und beharrlichen Lektorin Brunhilde Steger. Sie gelten Volker Kroll in Berlin, der mir durch sachkundiges Fragen und Gegenlesen geholfen hat. Sie gelten dem Innsbrucker Kollegen Liborius Olaf Lumma, dessen ausführliche Rezension der ersten Auflage maßgeblich zur Verbesserung beigetragen hat. Sie gelten meinem derzeitigen Ortspfarrer Stefan Üblackner SVD, von dem ich viele Hinweise betreffend der Überarbeitung für diese Auflage bekommen habe. Natürlich...