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Einführung in das Betreuungsrecht

Ein Leitfaden für Praktiker des Betreuungsrechts, Heilberufe und Angehörige von Betreuten

AutorJürgen Seichter
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl349 Seiten
ISBN9783540292531
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR

Das Grundanliegen des Buches bleibt unverändert: das Betreuungsrecht soll verständlich und umfassend dargestellt werden. Verständlich meint hier nicht nur leicht fasslich, sondern vor allem, dass der Leser, auch wenn er kein Jurist ist, die gesetzlichen Regelungen nicht nur kennenlernen, sondern ihren Hintergrund verstehen können soll. Neben der Einarbeitung der durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingetretenen Änderungen wird der Grundsatzbeschluss des BGH 17.03.2003 eingehend dargestellt und erörtert (s. Vorwort). Der sehr gut aufgenommene Ansatz, die Aussagen des Buches an Fallbeispielen, zum größten Teil aus der Berufspraxis des Verfassers, zu verdeutlichen, wird durch Aufnahme weiterer Einzeldarstellungen fortgeführt.

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Leseprobe

Kapitel 8 Betreuungsrecht und Sozialstation (S. 105-106)

1. Häufig erste Hinweisgeber auf die Notwendigkeit einer Betreuung

In Deutschland gibt es mittlerweile flachendeckend Einrichtungen der ambulanten Alten- und Krankenpflege, meist unter der Bezeichnung Diakonie- oder Sozialstation. Diese ambulanten Dienste organisieren zum Beispiel „Essen auf Radem" und ubemehmen Körper- und Krankenpflege sowie Überwachung der regelmäßigen Einnahme der ärztlich verordneten Medikamente. In diesem Rahmen werden bis zu drei Hausbesuche taglich angeboten. Die Finanzierung erfolgt zum großten Teil iiber die Pflegeversicherung, soweit erforderlich erganzend durch Zuzahlung des Betroffenen selbst oder durch die Sozialhilfe. Ein wesentliches Fundament dieser Einrichtungen ist die Moglichkeit des Einsatzes von Zivildienstleistenden. Der Dienst der Sozialstationen geschieht vielfach auch „rechtsformfrei", also ohne rechtsverbindliche Beauftragung durch den Betroffenen. Anlass der Aufnahme des Dienstes fur den Betroffenen ist dann eine Nachricht etwa von Angehörigen, von Nachbam oder durch die Stadtverwaltung. Er handelt sich bei den Sozialstationen also um eine der „anderen Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird", § 1896 I" 2 BGB. Aus diesem Grund wird weithin vertreten, dass die Hilfe einer Sozialstation auch bei einem Betroffenen, der diese selbst nicht mehr anfordem oder in sie einwilligen kann, die Bestellung eines Betreuers entbehrlich macht. Denn durch diese Hilfe würden doch die Angelegenheiten des Betroffenen „ebenso gut" besorgt wie durch einen Betreuer.

Ungeachtet der Verankerung im Gesetz verkennt diese Auffassung aber den Unterschied zwischen tatsächlicher Hilfestellung und der Notwendigkeit ordnungsgemäßer rechtlicher Vertretung. Die Notwendigkeit der Einwilligung eines Pflegebedtirfligen in seine sachgerechte Pflege entfällt nicht dadurch, dass diese Pflege auch ohne wirksame Einwilligung erbracht wird (s. oben S. 15).

Bedeutung fiir die Betreuungsarbeit haben die Sozialstationen und entsprechende Dienste dadurch, dass sie nach dem Hausarzt oft als erste außenstehende Stelle erfahren, dass die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht. Sie sind es dann, die den Angehörigen empfehlen, eine Betreuung zu beantragen. Bei entsprechender Notwendigkeit, etwa bei Verweigerung offensichtlich erforderlicher Hilfeleistung, treten sie auch von sich aus direkt an das Vormundschaftsgericht heran mit der Bitte, zu püfen, ob nicht ein Betreuer bestellt werden sollte. Schließlich erkennen die ambulanten Pflegedienste oft als erste, wenn ein Betreuer sich nicht kümmert oder für den Pflegedienst ständig unerreichbar ist. Da die ambulanten Pflegedienste durch ihre Tätigkeit in ständigem Kontakt mit bereits Betreuten oder mit solchen stehen, die die Hilfe durch einen Betreuer benotigen konnten, sollten sie einen „kurzen Draht" zum Betreuungsrichter haben. In entsprechenden Fallen wird der Betreuungsrichter sie ohnehin bitten, bei einer richterlichen Anhörung des Betroffenen in dessen Wohnung mit anwesend zu sein, um dadurch über das Ergebnis der Anhörung hinaus weitere Angaben tiber den sozialen und pflegerischen Hintergrund des Betroffenen zu gewinnen. Aus den vorgenannten Gründen sollte der Leiter einer Sozial-Diakoniestation oder eines ambulanten Sozial-Pflegedienstes sich bei den für seinen Bezirk zuständigen Betreuungsrichtern vorstellen.

2. Zusammenarbeit mit dem Betreuer und dem Vormundschaftsgericht

Die ambulanten Hilfsdienste sollten, sobald sie erfahren, dass eine Betreuung besteht, mit dem Betreuer Kontakt haben und wissen, wie sie ihn im Notfall erreichen konnen. Ebenso sollte der Betreuer den Ansprechpartner des Dienstes und dessen Telefon-Handynummer kennen.

Der Betreuer sollte von dem ambulanten Dienst wissen, welche Leistungen dieser erbringt und welche nicht. Soweit Entscheidungsbedarf besteht, ist, auch wenn mit dem Betroffenen eine Verständigung noch moglich ist, stets der Betreuer zu beteiligen. Zum einen ist bei einem Betreuten im allgemeinen fraglich, ob er noch in der Lage ist, seine pflegerische Versorgung soweit zu überblicken, dass er noch wirksam in sie einwilligen kann. Schon zur Absicherung des ambulanten Dienstes ist daher auch bei einem noch absprachefahigen Betroffenen stets auch dem Betreuer zumindest Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dass die Beteiligung des Betreuers zwecks wirksamer Einwilligung Absprachen mit dem Betroffenen, die ja auch therapeutischen Sinn haben, nicht entbehrlich macht, sondem neben ihnen steht, ist selbstverständlich.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 3. Auflage6
Vorwort zur 1. Auflage8
Inhaltsverzeichnis12
Kapitel 1 Was bedeutet Betreuung?23
1. Heutige Betreuung und frühere Vormundschaft/ Pflegschaft23
2. Das Wesen der Betreuung24
Kapitel 2 Notwendigkeit einer Betreuung29
1. Krankheitsbedingte Unfähigkeit, selbst zu entscheiden29
2. Subsidiarität der Betreuung gegenüber Vollmacht und anderen Hilfen36
3. Vermeidung einer Betreuung durch Vorsorgeverfiigung in gesunden Tagen39
4. Der Kontrollbetreuer48
Kapitel 3 Der Aufgabenkreis der Betreuung55
1. Allgemeines zum Aufgabenkreis55
2. Einzelne Aufgabenbereiche60
3. Einwilligung in die Sterilisation eines Betreuten69
4. Der Einwilligungsvorbehalt72
Kapitel 4 Wer wird Betreuer?75
1. Zur Person des Betreuers75
2. Ausschluss von Heimmitarbeitern als Betreuer81
3. Mehrere Betreuer81
Kapitel 5 Die Amtsfiihrung des Betreuers85
1. Beginn der Betreuung85
2. Einzelheiten zur Amtsführung des Betreuers86
3. Betreuungsrecht und nichtbetreuende Angehorige92
4. Die Beendigung der Betreuung94
Kapitel 6 Berufsbetreuer101
1. Berufsbetreuer friiher und heute101
2. Voraussetzungen der Anerkennung als Berufsbetreuer104
3. Zur Abrechnung des Berufsbetreuers108
4. Kosten der Betreuung fur das Vermögen des Betroffenen bzw. seiner Angehörigen110
5. Besonderheiten fiir die Amtsführung des Berufsbetreuers112
Kapitel 7 Betreuungsrecht und Bankgeschafte119
1. Die Vertretungsbefugnis des Betreuers119
2. Einander widersprechende Verfügungen des Betreuers und des Betroffenen121
3. Aufsichtsfunktion des Vormundschaftsgerichts122
4. Grenzen der Wirkung vormundschaftsgerichtlicher Beschlüsse124
Kapitel 8 Betreuungsrecht und Sozialstation127
1. Häufig erste Hinweisgeber auf die Notwendigkeit einer Betreuung127
2. Zusammenarbeit mit dem Betreuer und dem Vormundschaftsgericht128
Kapitel 9 Betreuungsrecht und Heim131
1. Vorgegebene Spannungen131
2. Beispiele fiir schwierige Entscheidungen132
Kapitel 10 Betreuungsrecht und Arzt/Krankenhaus139
1. Arzthaftungsprobleme im betreuungsfreien Raum139
2. Schweigepflicht des Arztes142
3. Der Betreuer als gesetziicher Vertreter des Betroffenen146
4. Behandlung gegen den Willen des Betroffenen152
5. Genehmigungspflicht fur gefährliche ärztliche Maßnahmen (§ 1904 BGB)155
6. Sterilisation161
7. Das Unterlassen lebensverlangernder Maßnahmen zur Sterbeerleichterung161
8. Patientenverfügung182
Kapitel 11 Betreuungsrecht, öffentliche Ordnung und zivilrechtliche Ansprüche197
1. Betreuung zur Behebung von Störungen der öffentlichen Ordnung197
2. Wer ist für die Bestattung zuständig?200
3. Gefahr des Missbrauchs des betreuungsrichterlichen Eilverfahrens202
Kapitel 12 Unterbringungssachen205
1. Abgrenzung Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahme205
2. Zur Unterbringung gemäß § 1906 I BGB im Einzelnen206
3. Zur unterbringungsahnlichen Maßnahme gemäß § 1906 IV BGB im Einzelnen214
4. Keine Anwendung unmittelbaren Zwangs über § 1906 BGB hinaus218
5. Der Verfahrenspfleger in Unterbringungssachen225
6. Die Abgabe von Unterbringungssachen226
Kapitel 13 Die Haftung des Betreuers227
1. Die Haftung des Betreuers gegenüber dem Betreuten227
2. Die Haftung des Betreuers gegenüber Dritten229
3. Haftpflicht- und Unfallversicherung der Betreuer231
Kapitel 14 Ärztliche Atteste und Gutachten in Betreuungssachen233
1. Inhaltliche Anforderungen an ein ärztliches Attest233
2. Anforderungen an das Betreuungsgutachten239
3. Anforderungen an das Unterbringungsgutachten243
4. Gutachten in Sonderfällen244
Kapitel 15 Anmerkungen für Betreuungsrichter249
1. Die Anhörung des Betroffenen249
2. Fälle der Entbehrlichkeit von Gutachten, Sozialbericht und Verfahrenspfleger257
3. Unterbringungsfragen262
4. Die Betreuung durch Angehorige oder sonstige ehrenamtliche Betreuer265
5. Berufsbetreuerpflege durch das Gericht268
6. Erleichterung des Geschaftsgangs269
Kapitel 16 Der Weg zum Zweiten Betreuungsrechtsanderungsgesetz273
1. Zwischenbericht der Bund-Lander-Arbeitsgruppe „Bctreuungsrecht"273
2. Stellungnahme zu dem Zwischenbericht der Bund-Lander-Arbeitsgruppe281
Kapitel 17 Das Zweite Betreuungsrechtsanderungsgesetz vom 21.04.2005291
1. Die Pauschalierung der Vergiitung291
2 Einzelfragen zum neuen Vergiitungssystem für Berufsbetreuer296
3. Änderungen beim Verfahrenspfleger300
4. Weitere Neuerungen nicht übernommene Änderungsvorschläge302
Anhang 1 Gesetzestexte305
1. Materielles Betreuungsrecht (§§ 1896ff. BGB)305
2. Gemäß § 1908 i BGB entsprechend anwendbare Bestimmungen314
3. Formelles Betreuungsrecht (§§ 65 ff. FGC')330
4. Vormünder- und Betreuervergutungsgesetz (VBVG)347
5. Heimgesetz353
Anhang 2 Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung355
Literaturverzeichnis361
1. Kommentare361
2. Monographien362
3. Zeitschriften und Entscheidungssammlungen362
4. Zeitschriftenbeitrage362
5. Gesetzestexte363
6. Internet364
Sachverzeichnis365

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