3.2. Teilbereiche der Geschichtswissenschaft
Der ursprüngliche Anspruch, Geschichte als Universalgeschichte zu betreiben, trat in dieser Entwicklung immer mehr zurück. Dafür etablierten sich Subdisziplinen der Geschichtswissenschaft, nach denen heute häufig (universitäre) Institute, Lehrstühle und Forschungsschwerpunkte benannt sind. Man spricht von einer epochalen, einer sektoralen und einer regionalen (geographischen) Untergliederung der Geschichtswissenschaft.
Übergreifende Literatur zum Folgenden:
Cornelißen, Christoph (Hrsg.): Geschichtswissenschaften. Eine Einführung. Frankfurt a. M. 42009.
[36]Eibach, Joachim / Lottes, Günther (Hrsg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Göttingen 22006.
Goertz, Hans-Jürgen (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek 32007.
Jordan, Stefan (Hrsg.): Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft. Stuttgart 2019. (Reclams Universal-Bibliothek.) [Zuerst 2002 u. d. T.: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe.]
Maurer, Michael (Hrsg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften. Bd. 7: Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft. Stuttgart 2003. (Reclams Universal-Bibliothek.)
3.2.1. Epochal strukturierte Teilbereiche der Geschichtswissenschaft
Die traditionelle Unterteilung der Geschichtswissenschaft ist die in epochale Wissenschaftsbereiche. Sofern in der betreffenden Fakultät die Disziplinen Archäologie, Vor- oder Ur- und Frühgeschichte nicht angeboten werden, ist die epochale Disziplin, die am weitesten zeitlich zurückreicht, die Alte Geschichte (Geschichte des Altertums). Auf sie folgt die Mittelalterliche Geschichte (Mediävistik), danach die Geschichte der Neuzeit.
Die Disziplin Alte Geschichte umfasst üblicherweise die Erforschung der Zeit vom Beginn der griechischen Schriftlichkeit bis zur Auflösung des römischen Weltreichs. Sie ist im Wesentlichen auf die abendländische Antike und daher auf das heutige Europa, Teile Vorderasiens und Nordafrikas beschränkt. Sofern mehrere Professuren für Alte Geschichte in einer Fakultät vorhanden sind, teilen diese sich meist auf in Griechische Geschichte (von Homer bis zum Hellenismus) und Römische Geschichte (von der Gründung Roms bis zur Völkerwanderung).
[37]Blum, Hartmut / Wolters, Reinhard: Alte Geschichte studieren. Konstanz 22011.
Günther, Rosmarie: Einführung in das Studium der Alten Geschichte. Paderborn [u. a.] 2001.
Leppin, Hartmut: Einführung in die Alte Geschichte. München 22015.
Vollmer, Dankward: Alte Geschichte in Studium und Unterricht. Eine Einführung mit kommentiertem Literaturverzeichnis. Stuttgart 1994.
Zeitlich an die Alte Geschichte schließt sich die Mittelalterliche Geschichte an, die den Zeitraum bis etwa zur Reformation umfasst und i. d. R. ebenfalls auf Europa (das lateinische Mittelalter) begrenzt ist. Auch hier gibt es weitere zeitliche Unterteilungen, von denen die gebräuchlichste die in Frühes Mittelalter (etwa 800–1050), Hohes Mittelalter (etwa 1050–1300) und Spätes Mittelalter (etwa 1300–1500) ist.
Boockmann, Hartmut: Einführung in die Geschichte des Mittelalters. München 82007.
Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Stuttgart 42014.
Hartmann, Martina: Mittelalterliche Geschichte studieren. Konstanz 42017.
Heimann, Heinz-Dieter: Einführung in die Geschichte des Mittelalters. Stuttgart 22006.
Hilsch, Peter: Das Mittelalter – die Epoche. Konstanz 42017.
Die Behandlung der Zeit vom Ende des Mittelalters bis zur Gegenwart ist das Aufgabengebiet der Geschichte der Neuzeit. Zu dieser Disziplin gibt es die meisten Professuren und kleinere zeitliche Unterteilungen.
[38]Als Geschichte der Frühen Neuzeit versteht man die Untersuchung des Zeitraums vom Ausgang des Mittelalters bis zur Französischen Revolution (1500–1800). Innerhalb der Frühen Neuzeit werden mitunter der Zeitabschnitt der Religionskriege oder Konfessionelles Zeitalter (1500–1650) und die Sattelzeit (1750–1850) als eigenständige Periodisierungen behandelt. Dieser Einteilung liegen bestimmte wissenschaftliche Thesen zugrunde: dass die durch die Reformation ausgelösten Konflikte nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs im Jahr 1648 in eine neue europäische Friedenslösung mündeten bzw. dass um 1750 eine Transformationsphase einsetzte, in der sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Moderne herausbildete und in der viele Begriffe unserer heutigen politisch-sozialen Sprache geprägt wurden (z. B. Demokratie, Staat, Gesellschaft).
Emich, Birgit: Geschichte der Frühen Neuzeit studieren. Konstanz 22019.
Völker-Rasor, Anette (Hrsg.): Frühe Neuzeit. München 32010.
Vocelka, Karl: Frühe Neuzeit 1500–1800. Konstanz 32020.
Hieran schließt sich die Neuere Geschichte an, worunter im Kern das ›lange 19. Jahrhundert‹ verstanden wird, jener Zeitraum also, der von 1789 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs dauerte. Auch mit dieser Periodisierung ist eine These verbunden: dass die Französische Revolution (und die Aufklärung) und der Erste Weltkrieg entscheidende Einschnitte in der (europäischen) Geschichte bilden und so als Anfangs- bzw. Endpunkt eines eigenständigen Zeitraums dienen sollen.
[39]Opgenoorth, Ernst / Schulz, Günther: Einführung in das Studium der Neueren Geschichte. Paderborn [u. a.] 72010.
Schulze, Winfried: Einführung in die Neuere Geschichte. Stuttgart 52010.
Wolbring, Barbara: Neuere Geschichte studieren. Konstanz 2006.
Für die jüngste Epoche der Geschichte, die das 20. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart hinein umfasst, haben sich zwei Begriffe etabliert: Neueste Geschichte und Zeitgeschichte. Manchmal wird dabei die Zeit nach 1945 – besonders mit Bezug auf die deutsch-deutsche Geschichte – als weitere Unterteilung eigenständig betrachtet. Neuerdings ist zu bemerken, dass sich in Deutschland eine noch kleinteiligere Untergliederung durchsetzt, die zwischen der Geschichte der Bonner Republik und der DDR (1945–1989/90) und der Geschichte der Berliner Republik (seit 1990) unterscheidet.
Bösch, Frank / Danyel, Jürgen (Hrsg.): Zeitgeschichte. Konzepte und Methoden. Göttingen 2012.
Metzler, Gabriele: Einführung in das Studium der Zeitgeschichte. Stuttgart 2004.
Möller, Horst / Wengst, Udo (Hrsg.): Einführung in die Zeitgeschichte. München 2003.
Peter, Matthias / Schröder, Hans-Jürgen: Einführung in das Studium der Zeitgeschichte. Paderborn 1994.
Metzler, Gabriele: Zeitgeschichte: Begriff – Disziplin – Problem. Version: 1.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 7. 4. 2014. http://docupedia.de/zg/Zeitgeschichte
[40]3.2.2. Sektoral strukturierte Teilbereiche der Geschichtswissenschaft
Sektorale Geschichte wird über einen bestimmten Interessensgegenstand (Gesellschaft, Militär, Kultur, Geschlecht etc.) definiert. Im Unterschied zur Untergliederung der Geschichtswissenschaft nach einzelnen Epochen ist bei der sektoralen Struktur der Geschichtswissenschaft der zeitliche Horizont der Beschäftigung viel weiter: Während also derjenige, der zur Geschichte der Antike forscht, sich seinem Gegenstand mit sozial-, wirtschafts- oder kulturhistorischem Interesse nähern kann, aber nie deutlich über die Völkerwanderungszeit hinausarbeitet, wird der Alltagshistoriker möglicherweise die gesamte Geschichte in den Blick nehmen, aber aus ihr nur einige Interessensgegenstände herauspicken. Die Beschränkung auf einzelne Aspekte bei der Unterteilung der Geschichtswissenschaft nach sektoralen Gesichtspunkten geht häufig mit einer Konzentration auf bestimmte Quellen und Methoden einher: Vertreter einer traditionellen Geistes- und Ideengeschichte richten ihr Augenmerk mehr auf bedeutende gedruckte Werke als Vertreter der Technikgeschichte, die vielleicht eher Daten seriell auswerten. Das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt ist...