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E-Book

Einführung in die Ikonographie

Wege zur Deutung von Bildinhalten

AutorAndrea Gottdang, Frank Büttner
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783406660467
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Welche Quellen berichten von der Kindheit Marias? Wieso wird die Venus oft von einem Taubenpaar begleitet? -Ohne die Kenntnis des klassischen Bildungskanons lassen sich viele Kunstwerke nicht verstehen. Der vorliegende Band zur Ikonographie schafft Abhilfe, indem er eine umfassende Einführung in das weite Feld der verschiedenen Bildthemen, ihrer literarischen Quellen und der Bildfunktionen bietet. Die vorliegende Einführung, als Handbuch konzipiert, erschließt Wege zur Deutung von christlichen und profanen Bildinhalten vom frühen Christentum bis ins 20. Jahrhundert. Sie macht mit den literarischen Quellen wie der Bibel und der Überlieferung der antiken Mythologie vertraut und führt in den Forschungsstand wichtiger Themenfelder wie Typologie und Symbolik ein. Dabei informieren historische Überblicke über die Entwicklung christlicher und profaner Bildthemen und -funktionen. Die Anwendung der ikonographischen Methode wird an ausgewählten Beispielen vorgeführt, die zeigen, daß verschiedene literarische Quellen, Darstellungstraditionen, der Bestimmungsort und die Funktion des Bildes in einem komplexen Geflecht zusammenwirken. Eine Einführung in die Geschichte der ikonographischen Methode und Terminologie sowie ein kommentiertes Literaturverzeichnis vervollständigen das Studienbuch.

Frank Büttner ist emeritierter Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Andrea Gottdang ist Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg.

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Leseprobe

II. CHRISTLICHE IKONOGRAPHIE


1. Historischer Überblick


Frühes Christentum


Bilderverbot

Das zweite der zehn Gebote, die Moses auf dem Berg Sinai empfing (Exodus 20,4), mahnte das Volk Israel, sich kein Bild von den Dingen des Himmels, des Wassers und der Erde zu formen oder gießen und anzubeten. Deuteronomium 27,15 präzisiert noch einmal, dass jeder verflucht ist, der dieser Vorschrift zuwiderhandelt. Da das Neue Testament dieses Bilderverbot nicht explizit aufhob, respektierte das Christentum es weiterhin, obwohl es durch das Heilsereignis der Inkarnation in Frage gestellt worden war. Ein Standbild von Gottvater oder Christus anzufertigen war für die Urchristen undenkbar. Gegenüber dem Bilderkult und der Vielgötterei der Heiden ließ sich die Lehre vom allmächtigen, einzigen und unsichtbaren Gott nicht glaubhaft vertreten, wenn man wie sie Idole aufstellte und verehrte. Zu groß war die Gefahr der Verwechslung des Abbildes mit dem Abgebildeten. Während sich das Misstrauen gegenüber Skulpturen lange im Christentum hielt, gingen die Meinungen über zweidimensionale Bilder auseinander. Unklar bleibt, ob die frühen Christen als Auftraggeber von Kunstwerken nicht spezifisch christlicher Thematik in Frage kommen.

Katakomben – Altes Testament

Die christliche Ikonographie entstand vermutlich in Mausoleen und Hauskirchen, von denen sich jedoch nichts erhalten hat. Die Überlieferung der Bildzeugnisse beschränkt sich auf Katakomben und Sarkophage, bei deren Ausschmückung die Künstler die Symbolsprache ihrer Umwelt, also der heidnischen Kunst, aufgriffen und umdeuteten. Aus dem einfachen Schafträger einer bukolischen Szene entwickelte sich so die Darstellung des Guten Hirten als Symbol für Christus. Solche Themen hatten den Vorteil, auch den Heiden verständlich zu sein – wenn auch auf etwas andere Weise. Manchmal ist nur anhand des Kontextes zu entscheiden, ob eine Szene profan oder christlich zu deuten ist. Solche Übernahmen aus der römisch-antiken Ikonographie darf man sich nicht als eine Art Mimikry einer Glaubensgemeinschaft erklären, die kein Aufsehen erregen wollte. In der Geschichte der Kunst ist das Aufgreifen vorgeprägter Schemata nicht selten. Es kommt auch der umgekehrte Fall vor, bei dem die christliche Ikonographie Vorbilder für die profane liefert. Einflüsse und Wechselwirkungen gab es auch noch von anderer Seite: Zugleich mit den Christen bildeten die Juden im frühen 3. Jh. ihre religiöse Kunst aus. Ihre ikonographischen Gemeinsamkeiten betrafen Szenen aus dem Alten Testament. Tatsächlich überwiegen in den frühen Katakomben und auf Sarkophagen Darstellungen aus dem Alten Testament gegenüber Szenen aus dem Neuen, wobei der Themenkreis überschaubar blieb. Oft fiel die Wahl auf Rettungsszenen, wie die verhinderte Opferung Isaaks (Genesis 22) oder die Befreiung Jonas’ aus dem Bauch des Wals (Jona 2). Sie sind Ausdruck der Hoffnung, Gott möge die Seelen der Verstorbenen aus dem Tod erretten, wie er es im Fall von Isaak, Jonas und anderen getan hatte. Die Geschichten wurden also nicht um ihrer selbst willen erzählt, sondern sie kleideten bestimmte Ideen ein. Deshalb wurden sie auch kurz und übersichtlich, fast zeichenhaft gehalten; auf narrative Details zur Ausschmückung der Geschichten wurde verzichtet.

Synode von Elvira – christologische Themen

Der Wunsch vieler Christen, in Bildern betrachten zu können, woran sie glaubten, war groß, aber noch legitimierte die Kirche die Bildpraxis nicht; im Gegenteil. Als Konstantia, die Tochter Kaiser Konstantins, den Bischof Eusebios von Caesarea bat, ihr ein Christusbild zu besorgen, wies er sie mit der Belehrung ab, die göttliche Herrlichkeit Christi sei nicht darstellbar. Kurz zuvor, um 306, hatte die Synode von Elvira das Bilderverbot wiederholt und bekräftigt, dass nicht an Wände gemalt werden darf, was man verehrt und anbetet. Zugleich verbesserten sich aber die Voraussetzungen für eine öffentlich wirksame christliche Kunst unter Kaiser Konstantin deutlich. 313 erließ er das Edikt von Mailand zum Schutz der Christen. Bald darauf wurde mit dem Bau größerer Kirchen begonnen, das Christentum zur Staatsreligion erhoben. Die Zahl der Bestattungen in Katakomben ging zurück, weshalb auch die bisher in der Sepulkralkunst beliebten Themen an Bedeutung verloren. Trotzdem breiteten sich neue christliche Bildthemen nicht explosionsartig aus. Die Erprobung neuer ikonographischer Bildschöpfungen erfolgte nach und nach und bezog vermehrt christologische Themen ein. Christus in der Runde der Apostel fand als eines der ersten Themen Eingang in die offizielle Kunst. Wieder erfuhr die christliche Ikonographie Anregungen aus der profanen. So wie der Kaiserkult um Konstantin auf die Verehrung von Christusbildern übertragen wurde, so gingen Züge kaiserlicher Repräsentationsbilder und des höfischen Zeremoniells auf Darstellungen Christi über. Sein Bild wandelte sich vom Retter, den er als Guter Hirte verkörperte, zum Herrscher und Richter, der monumental in Apsis- und Kuppelmosaiken erscheint. Auf die Entwicklung der christlichen Kunst übte aber nicht nur die Inspiration durch andere ikonographische Traditionen und vorformulierte Typen Einfluss aus. Wichtige Impulse gaben die Weiterentwicklung theologischer Lehren und die Festsetzung von Dogmen, den als verbindlich erachteten Glaubensinhalten. Gelegentlich legte eine Synode sogar fest, wie bestimmte Themen unbedingt oder auf keinen Fall darzustellen sind.

So sprach zum Beispiel das Konzil von Trullo 692 ein Verbot gegen Kreuze aus, die das Bild des Lamms an Christi Stelle tragen. Schließlich war es für den christlichen Glauben von zentraler Bedeutung, dass Gott zur Bekräftigung des Neuen Bundes mit den Menschen seinen Sohn geschickt hatte und dieser nicht nur symbolisch, sondern wirklich am Kreuz gestorben war. Das Symbol des Lammes im Zentrum des Kreuzes wurde trotz Verbot zwar nicht aufgegeben, aber es wechselte auf die Rückseite des Kreuzes.

Konzil von Ephesus

Auch ohne spezifische Anweisungen für Künstler hatten synodale Beschlüsse immense Auswirkungen auf die Ikonographie, denn im Bild sollten der richtige Glaube und die wichtigsten Glaubensinhalte verbreitet werden. Besondere Bedeutung fiel in diesem Zusammenhang den Konzilen zu, die sich mit den zwei Naturen Christi und der Rolle Marias in der Heilsgeschichte befassten. Theologen diskutierten immer aufs Neue das Verhältnis der göttlichen zur menschlichen Natur Christi. Nestorius, von 428 bis 431 Patriarch von Konstantinopel, vertrat die Ansicht, dass Christus zwei Naturen verkörpert, eine göttliche und eine menschliche, die sich aber nicht vermischen. Maria war für ihn nur die Mutter des Menschen Christus (Christotokos), nicht des Gottes. Unter der Leitung des Patriarchen Cyrill von Alexandria verurteilte das Konzil von Ephesus diese Lehren 431 als häretisch. Es entschied, dass Maria auch die göttliche Natur Christi geboren habe und verlieh ihr offiziell den seit dem 3. Jh. gebräuchlichen Titel der Theotokos, der Gottesgebärerin. Aufgrund ihrer besonderen Aufgabe im Heilsplan wurde Maria als Fürbitterin und Mittlerin zwischen Gott und den Menschen verehrt und weckte gleichermaßen das Interesse der Theologen wie die Volksfrömmigkeit. Bisher war sie fast nur in christologischen Zyklen aufgetreten, nun aber entwickelte sich ein autonomes Marienbild, und es entstanden Bildzyklen, die auch das Leben ihrer Eltern mit einschlossen.

Gregor d. Gr.

Während die Ausdifferenzierung der christlichen Ikonographie voranschritt, entdeckte der höhere Klerus im 5. Jh. die Bildkunst als geeignetes Mittel, auf die Gläubigen einzuwirken und ihnen mit Hilfe von Bildern selbst Dogmen näherzubringen. In Papst Gregor d. Gr. (540–605) fand der Gebrauch von Bildern einen wichtigen Fürsprecher. Er empfahl sie um 600 als Buchersatz zur Unterweisung der Leseunkundigen. Außerdem konnten Bilder dazu dienen, Vergangenes, seien es Ereignisse oder Personen, ins Gedächtnis zu rufen und die memoria daran aufrechtzuerhalten. Trotz des positiven Votums einer so bedeutenden Autorität wie Papst Gregor war das letzte Wort in der Bilderfrage noch lange nicht gesprochen. Im 8. Jh. entzündete sie sich erneut. Im Mittelpunkt standen nicht szenische Darstellungen, sondern Ikonen, die Kultbilder der Ostkirche, deren Vorläufer in antiken Totenporträts zu finden sind.

Der Bilderstreit im 8. und 9. Jahrhundert


Das Wort Ikone geht auf das griechische ε5 ν zurück, was so viel wie Bild oder Abbild bedeutet. Es bezeichnet aber nicht jedes Bild, sondern das Kultbild der Ostkirche, dem kultische Verehrung wie Kuss, Proskynese, Weihrauch- und Blumengaben zuteil wird. Ikonen sind über literarische Quellen schon für das 4. Jh. nachweisbar. Prinzipiell können Ikonen in allen Techniken und Materialien angefertigt werden, meist handelt es sich aber um Tafelbilder auf Holz. Für Gestaltung und Anfertigung gab es genaue Regeln, die zum Beispiel im Malerbuch vom Berge Athos festgehalten sind, das seine letzte Fassung 1701–32 erhielt, dessen Ursprünge jedoch bis ins 10. Jh. zurückreichen. Im Osten konzentrierte sich die Verehrung auf einzelne besonders berühmte Ikonen, deren Wundertätigkeit als erwiesen galt. Im Westen wurden sie auch...

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