Der im Zusammenhang mit der Pfadfindererziehung verwendete Be-griff „Methode“ hat nichts mit wissenschaftlichen Forschungsmethoden oder fachspezifischen Lehrmethoden in den Schulen zu tun. Die Pfad-findermethode wird nicht wie diese von Erwachsenen angewandt; dies würde den Versuch einer Manipulation der Kinder und Jugendlichen bedeuten und die Freiheit, den individuellen Weg der Selbsterziehung zu finden und zu gehen, einschränken. Der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff „Methode“ bedeutet nichts anderes als der „Weg zu etwas hin“.
Dieser pfadfinderische Weg der Selbsterziehung (Pfadfindermethode) umfasst mehrere Erziehungsgrundsätze, die eine Einheit bilden (s. Schema 5!):
die freiwillige Verpflichtung, nach pfadfinderischen Grundsätzen und Werten zu leben (Anerkennung von Regeln und Versprechen),
das Lernen durch Erfahrung (learning by doing and by experience),
das Lernen in der kleinen Gruppe (Kleingruppensystem),
die Verwirklichung eines gesunden und natürlichen Lebens und
das Leben einer Freundschaft zu allen Menschen (internationa-les/multikulturelles Lernen/Leben in Freundschaft und Toleranz).
Diese Erziehungsgrundsätze werden, wie bereits betont, nicht von den erwachsenen Leiterinnen und Leitern angewendet, sondern sie werden von den jungen Menschen selbst verwirklicht, weil sie diese als Hilfe erkannt haben, den für sie richtigen Weg der Selbsterziehung zu finden und zu gehen. Prinzipien, nach denen man lebt, sind immer freiwillig über-nommen.
Das „natürliche Leben“ wird in den von der WOSM herausgegebenen „Fundamental Principles“ den Programmen zugeordnet. Das „internatio-nale Lernen“ wird nicht als Lerngrundsatz aufgefasst; die Internationalität wird aber in den „Prinzipien der Pfadfinderbewegung“ hervorgehoben.
Die
pfadfinderischen Erziehungsgrundsätze
bilden in ihrer Einheit die
Pfadfindermethode
Schema 5
Eine pfadfinderische Selbsterziehung ist – wie jede Erziehung – ohne Bezug zu Werten nicht möglich. Ein Wert (z. B. das Leben) ist zunächst ein Erkenntnisinhalt; wird beispielsweise das Leben als Wert anerkannt, so ergibt sich daraus für das alltägliche Handeln die Norm: „Schütze das Leben!“
Die erzieherischen Absichten Baden-Powells kommen bereits in seinen frühen Schriften klar zum Ausdruck. Robert Baden-Powell hat drei Grund-sätze formuliert, die in der weltweiten Pfadfinderbewegung Geltung besitzen. In „Aids to Scoutmastership“ (1920, S. 92) spricht er von „reverence to God“, „reverence for one’s neighbour“ und „reverence for oneself“. Pfadfinderische Werte und Normen (Verhaltensregeln) können aus diesen drei fundamentalen Prinzipien, wie sie auch in den “Grundlagen der Pfadfinderbewegung“ von der WOSM dargestellt sind (vgl. WOSM 1997, S. 9 ff.), abgeleitet werden (s. Schema 6!).
„Seit Gründung der Bewegung waren Gesetz und Versprechen die Hilfsmittel, um diese Prinzipien in einer für junge Menschen ver-ständlichen und nachvollziehbaren Art auszudrücken“ (WOSM 1997, S. 13). Um als offizielles Mitglied in die Weltpfadfinderbewegung aufge-nommen zu werden, wird deshalb die „Anerkennung eines Gesetzes und Versprechens“ von den Pfadfinderorganisationen gefordert (vgl. WOSM 1997, S. 13).
Eine Orientierung an Werten und das Handeln nach Normen (Verhal-tensregeln) ist ein pfadfinderischer Grundsatz, der in den Elementen „Scout Law“ und „Promise“ zum Ausdruck kommt. Versprechen und pfad-finderische Regeln sind aufeinander bezogen und bilden die Grundlage für eine fortschreitende Selbsterziehung der jungen Menschen. Im Versprechen erklärt das einzelne Mitglied, dass es zur Pfadfindergemeinschaft gehören möchte und sein Handeln an den pfadfinderischen Zielen und Normen ausrichten will. Dabei ist im Hinblick auf das selbsterzieherische Bemühen des Einzelnen das ständige Überdenken des Handelns bezüglich pfad-finderischer Werte von entscheidender Bedeutung.
Schema 6
Eine Orientierungshilfe können vor allem Pfadfinderregeln (Leitlinien) dann leisten, wenn sie verständlich und der Altersstufe entsprechend for-muliert sind. Die folgenden Beispiele aus der Wölflings- und Pfadfinder-stufe geben Formulierungen der Verbände BdP und DPSG wieder.
Wölflingsversprechen (BdP 1987, S. 22):
Ich will ein guter Freund sein und unsere Regeln achten.
Begriffe lernen Kinder, indem sie in konkreten Situationen – z. B. im Spiel – die Bedeutung erleben und durch Überdenken erfahren!
Begriffe müssen im Wölflingsalter über handelndes Lernen geklärt werden:
In der 68. Bundesversammlung der DPSG wurde ein neues Pfadfinderge-setz eingeführt. Die Regeln enthalten die Bereiche „Verpflichtung gegen-über Gott, den anderen und sich selbst“ und entsprechen damit den Grund-lagen der Pfadfinderbewegung:
1. Als Pfadfinder/Pfadfinderin begegne ich allen Menschen mit Respekt und habe alle Pfadfinder und Pfadfinderinnen als Ge-schwister.
2. Als Pfadfinder/Pfadfinderin gehe ich zuversichtlich und mit wa-chen Augen durch die Welt.
3. Als Pfadfinder/Pfadfinderin bin ich höflich und helfe da, wo es notwendig ist.
4. Als Pfadfinder/Pfadfinderin mache ich nichts halb und gebe auch in Schwierigkeiten nicht auf.
5. Als Pfadfinder/Pfadfinderin entwickle ich meine eigene Meinung und stehe für diese ein.
6. Als Pfadfinder/Pfadfinderin sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage.
7. Als Pfadfinder/Pfadfinderin lebe ich einfach und umweltbewusst.
8. Als Pfadfinder/Pfadfinderin stehe ich zu meiner Herkunft und zu meinem Glauben.
Pfadfinderische Selbsterziehung berücksichtigt die psychologischen Ge-sichtspunkte einer Werterziehung. In Pfadfindergruppen ist der Prozess einer selbständigen Bildung von Werten durch eine Integration von Wert- Handlungs- und Reflexionsorientierung gekennzeichnet (s. Schema 7!):
Pfadfinden ist vorwiegend handlungsorientiert; das bedeutet auch, dass sich Pfadfinderinnen und Pfadfinder auf Grund konkreter Anlässe eingehend und handelnd mit gesellschaftlichen, natürlichen, politischen oder sonstigen Realitäten beschäftigen. Vor allem problemhaltige Situationen sind geeignet, dass junge Menschen Schlüsselerlebnisse gewinnen können.
Solche authentischen Erlebnisse bilden die Grundlage für eine auf Werte bezogene Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun. In Re-flexionsphasen setzen sich Pfadfinderinnen und Pfadfinder mit den pfadfinderischen Werten und Normen wie Gerechtigkeit, Achtung der Menschenwürde oder der Schöpfung auseinander; dabei kommt es zu einem Erfahrungsaustausch über individuelle Erlebnisse, Wahrnehmungen und Gefühle und über die unterschiedlichen Wert-auffassungen.
Durch eine wertbezogene Reflexion über das eigene Handeln und das Erleben wird die selbständige Bildung von Werten ermöglicht. „Aus den für sich selbst akzeptierten Werten ergeben sich Verhaltensregeln, die als Orientierungshilfe für ein künftiges wertbewusstes Handeln im Alltag dienen können“ (Gerr 2000, S. 152 f.).
Der Erfolg pfadfinderischer Werterziehung hängt davon ab, ob es den erwachsenen Pfadfinderbegleiterinnen und -begleitern gelingt, die Pfad-finderinnen und Pfadfinder anzuregen, das Pfadfinden nach den Grund-sätzen einer Handlungs-, Wert- und Reflexionsorientierung zu gestalten (vgl. Gerr 1998, S. 73).
Pfadfinderische Werterziehung
ist gekennzeichnet
durch eine
...