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Emotionstraining in der Schule

Ein Programm zur Förderung der emotionalen Kompetenz

AutorDennis Nitkowski, Franz Petermann, Ulrike Petermann
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl355 Seiten
ISBN9783844426878
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Aktuelle Studien belegen, dass Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen einen wesentlichen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten, wie z.B. Depression und Angststörungen, darstellen. Aus diesem Grund ist eine Stärkung der emotionalen Kompetenz und der Emotionsregulationsfertigkeiten im Rahmen einer schulbasierten Präventionsmaßnahme von großer Bedeutung. Das Emotionstraining zur Förderung der emotionalen Kompetenz wurde speziell für Schülerinnen und Schüler der fünften bis siebten Klassenstufe entwickelt und kann von Lehrkräften, Sozialpädagogen oder Schulpsychologen während der regulären Unterrichtszeit durchgeführt werden. Das Vorgehen dient der gezielten Förderung der Emotionserkennung und -differenzierung, der Förderung der Emotionsregulationsfähigkeiten, besonders in Bezug auf die soziale Interaktion, sowie dem Aufbau von Empathie durch ein verbessertes Emotionsverständnis. Das Trainingsprogramm besteht aus elf Modulen, in denen emotionale Kompetenz auf altersangemessene Weise durch Rollenspiele, Hörbeispiele, Kurzgeschichten und Gruppenarbeiten aufgebaut wird. Ein Transfer auf den Alltag der Jugendlichen wird durch Aufgaben, die zu Hause bearbeitet und im Klassenverband besprochen werden, begünstigt. Das Emotionstraining stellt das bislang einzige in Deutschland verfügbare Präventionsprogramm dar, das gezielt emotionale Kompetenzen im Jugendalter stärkt. Die beiliegende DVD enthält alle Arbeitsmaterialien zur Durchführung des Trainings.

Prof. Dr. Franz Petermann, geb. 1953. Seit 1996 Direktor des Zentrums für Klinische Psychologie und Rehabilitation an der Universität Bremen.

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Leseprobe

|41|2 Trainingskonzept


Das Emotionstraining in der Schule verfolgt einen multimethodalen Ansatz. Dabei werden didaktische Methoden der Unterrichtsgestaltung mit lern- und verhaltenspsychologisch begründeten Methoden kombiniert.

Im Folgenden sollen die eingesetzten Methoden vorgestellt werden. Das Kapitel beginnt mit Ausführungen zum didaktischen Rahmen. Anschließend werden die spezifischen Methoden, die vor allem einen lern- und verhaltenspsychologischen Hintergrund aufweisen, erläutert. Das Kapitel schließt mit der Beschreibung der Grundstruktur des Emotionstrainings.

2.1 Methoden


Einführend werden einige spezifische Methoden des Emotionstrainings erläutert, um das Vorgehen in den elf Sitzungen zu illustrieren.

2.1.1 Tonübung

Die Tonübung, die zu Beginn jeder Sitzung durchgeführt wird, lehnt sich an eine Achtsamkeitsübung an. Achtsamkeit als eine besondere Art der Aufmerksamkeitslenkung entwickelte sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem wichtigen Element präventiver und therapeutischer Programme. Durch eine Fokussierung auf das „Hier und Jetzt“ werden gezielt die Wahrnehmungsfähigkeit und das Bewusstsein für die eigenen Empfindungen gefördert (Dlugosch & Dahl, 2012). Mit regelmäßigen Achtsamkeitsübungen kann gezielt die Selbstwahrnehmung gestärkt und damit eine Voraussetzung geschaffen werden, die eigenen Emotionen gezielter regulieren zu können. Für das Kindesalter konnte der positive Einfluss von Achtsamkeitsübungen auf die Fähigkeit zur Emotionsregulation sowie auf die sozial-emotionale Entwicklung bereits durch verschiedene Studien bestätigt werden (Flook, Goldberg, Pinger & Davidson, 2015; Roeser & Eccles, 2015; Zenner, Herrnleben-Kurz & Walach, 2014).

Im Emotionstraining wird die Achtsamkeit im Rahmen der Tonübung in der Form realisiert, dass in jeder Sitzung unterschiedliche Töne vorgegeben werden, die dazu anregen, Empfindungen und Emotionen wahrzunehmen, aber gleichzeitig in der Lage sind, Emotionen auszulösen. Die Schülerinnen und Schüler werden zunächst in einen Ruhezustand versetzt. Anschließend wird, je nach Sitzung, die Aufmerksamkeit auf externe Reize, persönliche Empfindungen oder Emotionen gelenkt. Durch das kleinschrittige Vorgehen und das regelmäßige Üben soll die Wahrnehmungsschwelle für eigene Emotionen gesenkt werden.

|42|2.1.2 Gefühle neu entdecken: die Methode der „Skelettierung“

Wir leben in einer reiz- und emotionsüberfluteten Zeit. Oft werfen wir nur einen oberflächlichen Blick auf die Geschehnisse des Alltags, da detailliertere Informationen aufgrund der Reizmenge nicht aufgenommen werden können. Aus diesem Grund gehen Informationen verloren. Doch gerade diese kleinen, oft unbemerkten Details, können uns zum Beispiel bei der Wahrnehmung von Emotionen helfen. Aus diesem Grund ist es notwendig, Komponenten des emotionalen Erlebens im Rahmen differenzierter Aufgabenstellungen einzeln einzuüben. Die „Skelettierung“ bezeichnet demnach das Bemühen, die Wahrnehmung von Emotionen in einzelne Bestandteile zu zerlegen, um diese genau zu analysieren und anschließend wieder zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Dieser Prozess spricht mehrere Ebenen der Wahrnehmung an: Sehen, Hören und Spüren von Emotionen.

Sehen. In jeder Interaktion (abgesehen von rein sprachlichen Interaktionen) sind Gefühle in Gestik, Mimik und Körperhaltung erkennbar. Die visuellen Merkmale von Emotionen können durch die Darbietung von Fotografien erarbeitet und die Fähigkeit zu deren Wahrnehmung damit geschult werden. Im Emotionstraining wird dies durch den Einsatz von acht Gefühlsbildern umgesetzt, die angenehme und unangenehme Emotionen kennzeichnen. Die Gefühlsbilder zeigen jeweils einen Jugendlichen, der mit Mimik, Gestik und Körperhaltung eine Emotion darstellt. Bei der Bearbeitung dieser Gefühlsbilder, die in der zweiten Sitzung erfolgt, ist darauf zu achten, dass die Schülerinnen und Schüler auf der beschreibenden Ebene bleiben und nicht sofort ins Bewerten und Interpretieren „abgleiten“. So antworten die Schülerinnen und Schüler häufig, dass eine bestimmte Mundstellung zum Beispiel fröhlich aussieht, da es ihnen schwerfällt, zu beschreiben, dass der Mund leicht geöffnet ist, die Mundwinkel nach oben zeigen und Zähne zu sehen sind.

Hören. Das Hören von Gefühlen wird oft durch die semantische Ebene, das heißt durch die Sprachinhalte überlagert. Sprache ist ein extrem von Gewohnheiten und von kulturbezogenen Aspekten geprägtes Kommunikationsmittel, was letztendlich unseren Spürsinn für Gefühle einengt. Ein wesentlicher Schritt des Skelettierens besteht darin, Sprache auf die vorsprachlichen paralingualen Aspekte zu beschränken, d. h. auf die Lautstärke, das Sprechtempo, die -pausen und die Sprachmelodie. Um die auditiven Merkmale von Emotionen zu erarbeiten, wurde eine Kunstsprache entwickelt, deren Bezeichnung „Emola“ sich aus den Worten emotionale Laute zusammensetzt. Die Kunstsprache Emola dient dazu, Schülerinnen und Schüler für die angesprochenen paralingualen Kennzeichen einer Emotion zu sensibilisieren. Der semantische Gehalt einer sprachlichen Mitteilung kann die Emotion, die eine Person empfindet, deutlicher erscheinen lassen, |43|beispielsweise dann, wenn wir wütend sind und laut fluchen, um unserem Ärger verbal „Luft“ zu machen. In diesen Fällen ist der sprachliche Inhalt deckungsgleich mit den Emotionen. Es kann jedoch im Alltag vorkommen, dass Emotionen durch Sprache verschlüsselt oder gar überlagert werden. Ein Beispiel hierfür ist, wenn jemand „ironisch“ spricht. Sprachliche Mitteilungen können also auch bewusst irreführend eingesetzt werden, wenn es darum geht, das wirklich erlebte Gefühl zu verstecken. Daher soll zunächst ganz grundlegend das Gehör der Schülerinnen und Schüler für die paralingualen Merkmale geschärft werden, die eindeutige Hinweise auf einen bestimmten Gefühlszustand eines Gegenübers liefern.

Der Fokus liegt also nicht darauf, „was“ gesagt wird, sondern „wie“ es gesagt wird. Der Volksmund kennt das Sprichwort: „Der Ton macht die Musik!“ Die Kunstsprache Emola besteht entsprechend nur aus bedeutungslosen Wörtern, die keine emotionale Botschaft beinhalten. Emotionen werden allein durch die Variation des Sprachtempos, der Tonhöhe und der Lautstärke übermittelt. Keines der Merkmale allein ist ausreichend für die korrekte Identifikation eines Gefühls. Je mehr Merkmale differenziert dargeboten werden, umso einfacher ist es für die Schülerinnen und Schüler, ein Gefühl zu erkennen.

Vier grundlegende Gefühle sind für das Emotionstraining ausgewählt und paralingual in der Emola-Sprache chiffriert worden. Dabei handelt es sich um Ärger, Angst, Freude und Trauer. Tabelle 4 gibt an, wie sich die vier Gefühle im Hinblick auf Sprachtempo, Tonhöhe und der Lautstärke äußern. Diese Einteilung liegt der Kunstsprache Emola zugrunde.

Tabelle 4: Paralinguale Merkmale der Emotionen „Ärger“, „Angst“, „Freude“ und „Trauer“ (mod. nach Juslin & Laukka, 2003, S. 802)

Emotion

Sprachtempo

Tonhöhe

Lautstärke

Ärger

schnell

mittelmäßig bis hoch

hoch

Angst

schnell

hoch

niedrig/hoch (bei panischer Angst)

Freude

mittelmäßig bis schnell

hoch

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