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Empirische Untersuchung von Nutzen und Nutzungsprozessen niedrigschwelliger, akzeptanzorientierter Drogenhilfeangebote

AutorJessica Müller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783656327189
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Sozialpädagogik - Soziale Arbeit), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Diplomarbeit verfolgt die Rekonstruktion von Nutzen und Nutzungsprozessen sozialer Dienstleistungen anhand qualitativer Interviews mit NutzerInnen von niedrigschwelligen, akzeptanzorientierten Drogenhilfeangeboten. Sozialpädagogische Nutzerforschung - als Forschungsansatz der vorliegenden Diplomarbeit - fokussiert radikal die Perspektive der NutzerInnnen im Dienstleistungsprozess. Ausgangspunkt sozialpädagogischer Nutzerforschung ist das Aneignungshandeln der NutzerInnen im Prozess der Dienstleistungsproduktion. Die NutzerInnen nehmen - aus dienstleistungstheoretischer Perspektive hergeleitet - den ProduzentInnenstatus bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen ein. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht der 'Gebrauchswert' sozialer Dienstleistungen für die Lebensführung der NutzerInnen.

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Leseprobe

Rückgriff auf theoretische Konzepte der ‚alten’ Dienstleistungsdebatte der 70er und 80er Jahre vorgenommen. Leitend dabei ist das Grundargument funktionaler Ansätze: „Soziale Dienstleistung ist im wesentlichen „Vermittlungsarbeit“, die die „Besonderheit des Falles“ mit der „Generalität der Bezugsnorm“ balanciert“ (Schaarschuch 1996a: 89) 47 .

Die Analyse dieses Vermittlungsverhältnisses nimmt Schaarschuch (1996a; 1999; 2003) in drei Stufen vor: Den Ausgangspunkt bildet die Rekonstruktion des Erbringungsverhältnisses sozialer Dienstleistungen, von KlientInnen und Professionellen. Es folgt eine Analyse der Erbringungskontexte, in welchen soziale Dienstleistungen vermittelt werden. Den grundlegenden Bezugsrahmen bilden dabei

Soziale Arbeit als Dienstleistung

Die Analyse des Erbringungsverhältnisses sozialer Dienstleistungen beginnt folglich mit der Untersuchung der Interaktionsbeziehung von KlientInnen und Professionellen, mithin mit der Analyse des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion von Dienstleistungen. Für personenbezogene soziale Dienstleistungen ist die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsumtion konstitutiv. Bereits in den klassischen Untersuchungen über Dienstleistungen wurde auf das zentrale Merkmal der Kundenpräsenz und auf das uno- actu- Prinzip (Herder- Dorneich/Kötz 1972) hingewiesen. Gross und Badura (1977) verstehen den Dienstleistungsprozess als Austauschprozess von ‚Anbieter’ und ‚Empfänger’. Gross und Badura betonen zwar die aktive Beteiligung der KlientInnen, dennoch wird die Grundstruktur des Erbringungsverhältnisses nach dem Muster „hier der aktiv- produzierende Professionelle, dort der rezeptive, konsumierende Klient, konzipiert“ (Schaarschuch 1996a: 89).

Diese Fassung von Dienstleistung kann nach Schaarschuch (1996a: 89) „nicht zufrieden stellen“ 48 . Prinzipiell müssen beide Seiten des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion gleichermaßen untersucht werden. Zugleich erscheint es sinnvoll - im Hinblick auf sozialpädagogisches Handeln - die Untersuchung des Erbringungsverhältnisses aus der Perspektive der nachfragenden Subjekte zu führen (vgl. Schaarschuch 1999: 553).

Den Ausgangspunkt der Rekonstruktion personenbezogener Dienstleistung bilden zwei Grundannahmen: Nach Schaarschuch (2003) besteht, unter Rückgriff auf das in der Kritik der Politischen Ökonomie (Marx 1974) dialektische gefasste Verhältnis von Produktion und Konsumtion, ein wechselseitiges Konstitutionsverhältnis von Produktion und Konsumtion. „Jeder Konsumtionsakt von sozialen Dienstleistungen ist gleichzeitig ein Akt der Produktion, jede Produktion zugleich Konsumtion“ (Schaarschuch 1999: 553). Weiter begreift Schaarschuch (2003) Produktion als Aneignung, wobei Aneignung aktive, produktive Tätigkeit ist. Das Individuum produziert seinen konkreten Lebensbereich und zugleich sich selbst in der Konsumtion von Gebrauchswerten. Personenbezogene soziale Dienstleistungen zielen auf prospektive Verhaltensänderungen ab, von aktuellen Zuständen hin zu Zuständen höheren

Soziale Arbeit als Dienstleistung

Verhaltensänderung sind, aus subjekttheoretischer Perspektive, „aktive Prozesse der Aneignung des Subjekts in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt“ (Schaarschuch 1999: 553). Die Verhaltensänderung der Person wird durch die Befriedigung der Nachfrage, durch die Tätigkeit des Professionellen mitbewirkt. Das professionelle Handeln muss daher einen realen Gebrauchswert haben.

Wie oben bereits festgestellt worden ist, ist Konsumtion zugleich Produktion. Das Subjekt produziert sich, seinen veränderten Zustand selbst, mittels der Leistung der Professionellen durch Konsumtion. „Der Gegenstand der Produktion des Subjekts ist die eigene Person“ (Schaarschuch 2003: 156). Die professionelle Tätigkeit ist somit das Mittel, das als Gebrauchswert produktiv angeeignet werden kann, zum Zweck der Produktion des Subjekts. Prozesse der Aneignung von Verhalten, Gesundheit, Sozialität, Wissen etc. sind Prozesse aktiver Produktion „auf Seiten der Subjekte“ (Schaarschuch 1996a: 90).

„Im Erbringungsverhältnis der sozialen Dienstleistungen ist der Professionelle der Ko- Produzent, das aktiv sein Leben verändernde Subjekt hingegen der primäre Produzent“ (Schaarschuch 1999: 554).

Die Tätigkeit der Professionellen dient im Erbringungsprozess der Verhaltensänderung, der Subjektwerdung ihrer KlientInnen, ohne dies selbst bewirken zu können. Das kann nur das Subjekt selbst vollbringen. Professionelle Tätigkeit dient folglich als Mittel dem Produktionsprozess der Subjektwerdung ihrer KlientInnen und ist diesem nachgeordnet. „Als produktive Tätigkeit dient sie dem Zweck der Produktion des Subjekts - sie ist dem Begriff nach Dienstleistung“ (Schaarschuch 2003: 156). Aus der Perspektive der ProduzentInnen, hier verstanden als ‚Nutzer’ resp. ‚Nutzerinnen’, stellt sich der Dienstleistungsprozess als Produktionsverhältnis dar. Als Erbringungsverhältnis erscheint er aus der Perspektive der Ko- ProduzentInnen (Professionelle).

Eine Definition von Dienstleistung auf der Ebene des Erbringungsverhältnisses muss relational - d.h. beide polare Seiten des Verhältnisses umfassend - sein:

„Soziale Dienstleistung ist ein professionelles Handlungskonzept, das von der Perspektive des nachfragenden Subjekts als aktiver Produzent seines Lebens und Konsument von Dienstleistungen zugleich ausgeht und von diesem gesteuert wird“ (Schaarschuch 1999: 554).

Mit diesem kontrafaktischen Dienstleistungsbegriff wird die Nachfrageseite strukturell privilegiert. Gleichzeitig enthält dieser konzipierte Dienstleistungsbegriff eine normativkritische Dimension, wodurch die reale Beschaffenheit Sozialer Arbeit analytisch zugänglich wird. Die Selbst- Produktion des Subjektes, die pädagogische

Soziale Arbeit als Dienstleistung

Zudem ist diese Dienstleistungskonzeption durchaus voraussetzungsvoll. Die NutzerInnen müssen „mithilfe der Tätigkeit der professionellen Ko- Produzenten in die Lage versetzt werden, ihre Nachfrage zu aktualisieren, zu formulieren und schließlich steuernd auf den Dienstleistungsprozess einzuwirken“ (Schaarschuch 2003: 158). Die professionellen Ko- ProduzentInnen müssen die NutzerInnen als potentiell Produktive denken. Ferner müssen die Ko- ProduzentInnen aktiv mitarbeiten und ihre eigene Tätigkeit dienstleistend nachordnen.

gesellschaftliche Verhältnisse und Bedingungen eingebettet, was Gross (1993) als „Erbringungskontext“ bezeichnet hat. Verschiedene Erbringungskontexte von Dienstleistungen spielen für den Prozess der Erbringung eine zentrale Rolle. Denn der „unterschiedliche Erbringungskontext führt zu einem anderen Erbringungsmodus, zu anderen Dienstleistungsstrategien und zu anderen Problemen für die Dienstleister“ (Gross 1993: 15). Grundsätzlich kann zwischen den Erbringungskontexten des Marktes und des Staates unterschieden werden, die von grundlegend verschiedenen Prinzipien gesteuert werden (vgl. Schaarschuch 1999). Das Steuerungsmedium des Marktes ist das Geld. Dienstleistung wird als Ware angeboten, wobei der Tauschwert dominiert. Im kommerziellen Erbringungskontext spielen die KundInnen die zentrale Rolle 49 . Die AnbieterInnen der privatwirtschaftlich erbrachten Leistung versuchen „den Kunden zu binden, ihm nicht nur Befriedigung (satisfaction), sondern Lust (delight) zu verschaffen, so daß er wiederkommt“ (Gross 1993: 15). Das Ziel konkurrierender kommerzieller Unternehmen ist die Erzielung von Mehrwert und abschöpfbaren Überschüssen.

Im öffentlich- staatlichen Erbringungskontext verhält sich dies anders: Das Steuerungsmedium des Staates ist das Recht. Hier gibt es keinen Markt konkurrierender Anbieter und Dienstleistungen werden nicht über Preise, sondern als Gebrauchswerte nach politisch- administrativen Entscheidungen verteilt (vgl. Schaarschuch 1996a). Quantität und Qualität der tatsächlich erbrachten Leistungen werden in dem Beziehungsgefüge zwischen „Leistungsadressaten (Bedürfnisse), Leistungsanbietern (Ressourcen) und Kostenträgern (politische Entscheidungen) bestimmt“ (Olk et al 2003: XXII). Jeder dieser Pole hat eigene Interessen und

Soziale Arbeit als Dienstleistung

Orientierungen 50 . Die Leistungserbringung erfolgt nach den Prinzipien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Das Ziel ist „den Klienten - es ist hart aber wahr - möglichst schnell wieder loszuwerden, ihn abzuwimmeln“ (Gross 1993: 15).

des Konsumenten in den des „Kunden“ im kommerziellen Kontext und in den des „Nutzers“ im sozialstaatlichen Kontext. 51

Im kommerziellen Kontext können die KundInnen auf die Leistungserbringung Einfluss...

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