2 Employer Relations – neues Feld in der Unternehmenskommunikation
Welche Reputation haben Arbeitgeber bei den Stakeholdern, die für sie wichtig sind? Dringen sie mit ihren Botschaften überhaupt zu den Menschen durch, die sie erreichen wollen? Wie gut sind die Stakeholder informiert, wenn es um Unternehmen als Arbeitgeber geht? Die aktuelle Diskussion in den Fach- und Verbandsöffentlichkeiten geht vom Leitbild der schlecht informierten Stakeholder und der Annahme aus, dass Arbeitnehmer die Information von Unternehmen als nicht ausreichend bewerten oder andere Aussagen präferieren. Ein solcher Zugang zur Employer Relations als Kommunikationsfeld setzt bei den Menschen an, die angesprochen werden sollen (=Stakeholder-Perspektive).
Die Literaturanalyse hat jedoch ergeben: Die wissenschaftliche Beschäftigung der Management- und Kommunikationsforschung konzentriert sich auf die Unternehmensseite und argumentiert aus der Kommunikatorperspektive. Besonders prominent vertreten sind dabei in der Literatur die Ansätze aus der Marketing- und Managementforschung zum Employer Branding. Neuere Überlegungen behandeln auch die Rolle der Kommunikation für die Positionierung der Unternehmen als Arbeitgeber und den Zusammenhang zwischen Corporate Branding und Corporate Communications bzw. PR. Bislang gibt es aber nur wenige Hinweise darauf, wie sich die PR- und HR-Ansätze zu einer strategischen Arbeitgeber-Kommunikation sinnvoll verknüpfen lassen.
Das Kapitel stellt die unterschiedlichen Verständnisse der Arbeitgeber-Kommunikation aus dem Marketing, dem Personalmanagement und der PR vor. Potenzielle Verbindungen zwischen Human Resources und Public Relations werden herausgearbeitet und Implikationen für ein übergreifendes Verständnis der Employer Relations diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit wird dem breiten Forschungsfeld zum Konstrukt Arbeitgeber-Attraktivät gewidmet und Verknüpfungen zu der Reputationsforschung gezogen. Abschließend werden Dimensionen von Employer Relations als Beziehungsmanagement aus der Unternehmenssicht wie auch aus der Perspektive der Stakeholder skizziert. Beide Blickwinkel gehören zusammen.
2.1 Zwischen Employer Branding und Corporate Communications
Ein Begriff durchzieht die wissenschaftliche Literatur wie auch die allgemeine Publizistik: Employer Branding. Viele Autoren in Wissenschaft und Praxis verwenden den Begriff, wenngleich die einzelnen Definitionen weit auseinander gehen und keinen gemeinsamen Nenner erkennen lassen. Als Ausgangspunkt für eine Begriffserklärung eignet sich der zugrunde liegende Markenbegriff. Demnach bezeichnet die Employer Brand ein „Wertesystem eines Unternehmens und seine Art zu agieren, [um] derzeitige und potenzielle Angestellte anzuziehen, zu motivieren und zu halten“ (Dettmer 2013: 22). Es geht also um Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen, um sich den relevanten Zielgruppen, aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit gegenüber als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.
Das Aufgabenfeld des Employer Branding – verstanden als strategischer Tätigkeitsbereich – ist es, die Arbeitgeber-Marke zu definieren, umzusetzen und zu pflegen. Über die Schritte, wie das geschehen kann und welche Rolle die Stakeholder dabei spielen, gehen die Meinungen der einzelnen Autoren weit auseinander. Der Begriff wird zwar häufig verwendet. Ihm wird auch eine konsensbildende Kraft unterstellt. Allerdings fungiert er häufig als Worthülse.
Zum Begriff Employer Branding
Der Begriff Employer Branding ist nicht neu und reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Seine Popularität hat aber im Zuge der Diskussion über den Fachkräftemangel deutlich zugenommen (vgl. Einwiller/Will 2002: 102 f.). Unabhängig von der genauen Auslegung des Begriffs betonen die meisten Ansätze eine Kombination aus ökonomischen, funktionalen und psychologischen Aspekten als zentralen Bestandteil der Arbeitgeber-Marke (vgl. zum Beispiel Backhaus/Tikoo 2004; Gmür/Martin/Karczinski 2002; Dell/Ainspan 2001; Ambler/Barrow 1996). Eine solche Marke verleihe – so die Annahme – dem Unternehmen eine bestimmte Identität, mit der sich Arbeitnehmer identifizieren können. Hierbei werden die unternehmensspezifischen Wertesysteme betont, die diese Identität prägen und die Arbeitgeber-Marke von der Konkurrenz unterscheiden. Im Hinblick auf die ökonomische Komponente des Employer Branding fassen Hieronimus, Schaefer und Schröder (2005: 12) zusammen:
“For a company to exploit its brand effectively when it fishes for talent, it must think of recruits as customers, use sophisticated marketing analysis to identify its key rivals, determine which corporate attributes matter most to specific types of recruits, and understand how best to reach them.”
Für die Autoren ist Employer Branding also Teil eines Managementprozesses und damit ein zielgerichtetes, strategisches Handlungssystem des Unternehmens. Ähnlich argumentieren Grobe (2006) und Shah (2011). Sie gehen aber einen Schritt weiter und definieren Employer Branding als identitätsorientierte, strategische und operative Führung der Arbeitgeber-Marke. Im Mittelpunkt stehe die Heranziehung, Förderung und Bindung von Mitarbeitern im Unternehmen. Die Rekrutierung von Personal und der Erhalt von Fachwissen und Fachkräften im Unternehmen werden als oberstes Ziel angesehen.
Neuere Ansätze beschäftigen sich darüber hinausgehend mit einer Modellierung von möglichst effizienten Rekrutierungsprozessen für Unternehmen (vgl. Phillips/Gully 2015). In diesem Verständnis spielen die Identität und die Kultur einer Organisation – über ihre Werte als Arbeitgeber hinaus – eine zentrale Rolle bei der Definition der Arbeitgeber-Marke (vgl. Shah 2011: 32). Daraus entsteht dann die sog. Markenloyalität. Gemeint ist damit, dass die in der Arbeitgeber-Marke vertretenen Wertvorstellungen mit dem Gesamtwertesystem des Unternehmens kompatibel sein müssen. Nur so könne ein widerspruchsfreies Bild nach innen und außen vermittelt und in einem nächsten Schritt die Produktivität des Arbeitgebers gefördert werden.
Gleichzeitig ermöglicht das sog. Talentmanagement die Vermittlung eines in sich konsistenten und überzeugenden Arbeitgeber-Images (vgl. Shah 2011: 32). Dafür werden glaubwürdige Assoziationen mit der Arbeitgeber-Marke durch das Employer Branding produziert und nach innen wie nach außen präsentiert. Im letzten Schritt entstehen dadurch die Attraktivität der Arbeitgeber-Marke und die Bindung an diese (vgl. Abbildung 4).
Talentmanagement und Arbeitgeber-Markenwert
Ferner ist die Arbeitgeber-Attraktivität Kernstück der meisten Definitionen und Ansätze zum Employer Branding. Auch dieses Konstrukt wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Im Kern geht es aber immer um die Ausgestaltung eines attraktiven Arbeitgeber-Images – der sog. Employer Attractiveness. So gehen Wilden, Gudergan und Lings (2010: 56 ff.) davon aus, dass sich die Attraktivität aus der Employer-Branding-Strategie und den damit einhergehenden Employer-Brand-Signalen ergibt (vgl. Abbildung 5). Darunter verstehen sie Auswirkungen der Markenstrategie bei den Zielgruppen, wobei sie zwischen der Deutlichkeit und der Glaubwürdigkeit der vermittelten Inhalte und Werte unterscheiden. Diese wirken sich wiederum auf die wahrgenommene Qualität, die erwarteten Risiken sowie auf die Informationskosten aus. Das Zusammenwirken all dieser Faktoren ergibt die Attraktivität der Organisation als Arbeitgeber.
Berger-Remy und Michel (2015: 31 f.) wiederum schlagen vor, den Markenwert neu zu definieren und die sog. Employee-Based Brand Equity mit einzuschließen. Sie argumentieren, dass eine Arbeitgeber-Marke durch kognitive Assoziationen der eigenen Mitarbeiter definiert wird. Der Markenwert lässt sich dann mit drei Faktoren bestimmen: erstens die Bedeutung, die die Marke für den Mitarbeiter produziert; zweitens die Richtung, die die Marke vorgibt (zum Beispiel in Bezug auf Werte) sowie drittens das Empfinden bzw. das Gefühl, welches aus dem Erleben der Marke in der täglichen Arbeit entsteht (vgl. ebd.: 41 ff.). Eine Ableitung von kommunikativen Implikationen zur Steigerung des Markenwerts bleibt in diesem Ansatz jedoch aus.
Auch Yang, Wan und Wu (2015) sowie Hurrell und Scholarios (2014) beschäftigen sich mit der Arbeitgeber-Marke eines Unternehmens. Hurrell und Scholarios setzen bei den HR-Maßnahmen an, die zu einer stärkeren Markenidentifikation der Mitarbeiter führen können. Gleichzeitig postulieren sie, dass Unternehmen mit einem geringen Social-Skills-Gap – also Betriebe, in denen Mitarbeiter eine hohe Sozialkompetenz besitzen – eine stärkere Markenbindung aufweisen (vgl. ebd.: 56 ff.). Die Autoren sprechen sich für eine stärkere Bedeutung des HR-Managements für die Bildung von Arbeitgeber-Marken aus. Auch in diesem Fall wird die Rolle der Kommunikation jedoch vernachlässigt.
Die Literaturanalyse macht deutlich: Die marketingorientierten und personalwirtschaftlichen Perspektiven dominieren die theoretische Auseinandersetzung mit Employer Branding. Als intermediäre Ansätze fungieren Überlegungen des sog. Personalmarketing, das Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitgeber-Marke vorschlägt, sie aber als reines Marketinginstrument betrachtet. Die Perspektive der strategischen PR oder des Kommunikationsmanagements wird in der Literatur selten vertreten (vgl. Mast 2016: 26 ff.).
Der häufige Gebrauch des Begriffs Branding, das seinen Ursprung in der Betriebswirtschaftslehre hat und von einer Marketingzielsetzung ausgeht, verrät: Arbeitgeber-Kommunikation wird in der Literatur bislang vorrangig als ein Werkzeug unter vielen verstanden, das den Botschaften der Unternehmen den Weg zu den Herzen der Stakeholder...