Englands langjährige „First Lady“
Caroline von Brandenburg-Ansbach (1683–1737)
Abb. 3: Als frischgebackene Prinzessin von Wales kam Caroline von Ansbach (1683–1737) gemeinsam mit ihrem Gemahl und dem königlichen Schwiegervater 1714 nach London. Schon lange vor der Thronbesteigung Georgs II. 1727 musste sie repräsentative Pflichten übernehmen und den leeren Platz an der Seite Georgs I. ausfüllen. Caroline meisterte alle Aufgaben mit Klugheit, Charme und diplomatischem Geschick. Ihr Tod hinterließ eine große Lücke, zumal England erst mehr als 20 Jahre später wieder eine neue Königin bekam.
Vor der Hochzeit eines Thronfolgers gab es mancherlei zu bedenken: Zwar musste die künftige Gemahlin des jungen Prinzen auf jeden Fall „ebenbürtig“ sein, also aus einem regierenden Fürstenhaus stammen – doch allzu viel Macht durfte ihre Familie auch nicht haben, wollte man deren unliebsame Einflussnahme verhindern. Das bot nun den Prinzessinnen aus der deutschen Provinz die reelle Chance, einmal an der Seite eines Königs auf dem Thron zu sitzen. Die anmutige Caroline von Brandenburg-Ansbach hatte sogar die „Qual der Wahl“: Sie konnte sich gewissermaßen zwischen Preußen und England entscheiden.
England um 1680
Als Caroline am 1. März 1683 im fränkischen Ansbach das Licht der Welt erblickte, war kaum vorauszusehen, dass sie später einmal englische Königin sein würde. Damals saßen in London noch die Stuarts auf dem ziemlich wackeligen Thron – die Zeiten waren recht turbulent.
Nach der Hinrichtung seines Vaters und der darauffolgenden Militärdiktatur (1649–1658) Oliver Cromwells hatte das englische Parlament 1660 Karl II. (1630–1685) zurück aus der Verbannung geholt. Doch der anfängliche Jubel der Bevölkerung legte sich rasch. Der neue König sympathisierte nicht nur mit dem Absolutismus, sondern, nicht weniger problematisch, auch mit den Katholiken. Als er 1685 starb, ohne legitime Erben zu hinterlassen, kam mit seinem Bruder Jakob II. (1633–1701) sogar ein Katholik auf den Thron! Doch nur drei Jahre später endete dessen Herrschaft mit der berühmten Glorious Revolution, bei der bekanntlich kein einziger Tropfen Blut vergossen wurde. Jakob II. war freiwillig bereit, das Land zu verlassen und zugunsten seiner ältesten Tochter Maria II. Stuart abzudanken, die nun gemeinsam mit ihrem protestantischen niederländischen Gemahl Wilhelm III. von Oranien über England herrschte. Doch die Macht des Königspaares blieb beschränkt. 1689 bestätigten Maria und Wilhelm die Declaration of Rights. Dieses Gesetz bestimmte, dass der Monarch in Regierungsangelegenheiten künftig die Einwilligung des Parlaments benötigte. So entwickelte sich in England die konstitutionelle Monarchie, wie sie im Wesentlichen noch heute besteht. Da auch Marias und Wilhelms Ehe kinderlos blieb, bestieg 1702 Marias jüngere Schwester Anna (1665–1714) den englischen Thron, die letzte Monarchin aus dem Hause Stuart.
Ein fürstliches Waisenkind
Während England für eine spätere Heirat Carolines damals kaum im Bereich des Möglichen lag – vielmehr hätten die niederländischen Prinzessinnen die Nase vorn gehabt –, bestand eine recht enge Verbindung zum Kurfürstentum Brandenburg-Preußen, dem späteren Königreich Preußen. Die Hohenzollern waren ja ursprünglich ein schwäbisches Geschlecht, dessen Besitzungen zwischen oberem Neckar und oberer Donau lagen. Nachdem Graf Friedrich III. von Zollern kurz vor 1192 das Amt des Nürnberger Burggrafen erhalten hatte, teilte sich das Haus um 1214 in eine schwäbische und eine fränkische Linie. Dem fränkischen Zweig gelang es noch im 13. Jahrhundert, seinen Besitz in Ober- und Mittelfranken (Kulmbach, Bayreuth und Ansbach) zu erweitern, sodass Burggraf Friedrich VI. schon der größte Territorialherr in Franken war, als er 1417 mit der Mark Brandenburg belehnt wurde.
Der brandenburgische Kurfürst Albrecht Achilles (reg. 1470–1486) legte schließlich mit der Hausordnung Dispositia Achillea fest, dass das Kurfürstentum Brandenburg dem erstgeborenen Sohn vorbehalten blieb, während die fränkischen Lande als Sekundogenitur unter den jüngeren Söhnen aufgeteilt werden sollten. So entstand damals auch die Markgrafschaft Ansbach, die, würde es einmal keinen männlichen Erben geben, zurück an das Kurfürstentum Brandenburg fallen sollte.[6]
Doch noch schien alles in bester Ordnung. Carolines Eltern, Johann Friedrich (1654–1686), der seit 1667 das Amt des Markgrafen bekleidete, und seiner zweiten Gemahlin Eleonore von Sachsen-Eisenach (1662–1696) wurde 1686 noch ein Sohn geboren: Wilhelm Friedrich, der später tatsächlich Markgraf von Brandenburg-Ansbach wurde (1703–1723).
Dann aber schlug das Schicksal zu. Caroline war erst drei Jahre alt, als ihr Vater an den Pocken erkrankte und nur wenig später im Alter von 31 Jahren starb. Die verwitwete Eleonore blieb allein mit ihren Kindern zurück, zu denen noch zwei Söhne und eine Tochter aus der ersten Ehe ihres verstorbenen Gemahls gehörten. Johann Friedrich hatte testamentarisch festgelegt, dass der inzwischen zehnjährige Christian Albrecht (1675–1692) unter der Vormundschaft des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen sein Nachfolger sein sollte. (Als der junge Ansbacher noch vor seiner Volljährigkeit starb, erbte sein jüngerer Bruder als Georg Friedrich II. (1678–1703) das Amt des Markgrafen.)
Eleonore bezog nun mit den Kindern den für sie vorgesehenen Witwensitz Crailsheim, siedelte aber wegen Erbauseinandersetzungen und verweigerter Apanagegelder bereits 1687 zu ihren Eltern nach Eisenach über. Doch das Geld war auch hier knapp, und daher schien es für die erst 25-jährige Witwe wohl das Beste zu sein, ein zweites Mal zu heiraten. Das fand auch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, der dieses Amt von seinem 1688 verstorbenen Vater übernommen hatte und jetzt als neuer Vormund der Kinder des verstorbenen Markgrafen fungierte. Dessen Bemühungen wurden schließlich von Erfolg gekrönt: 1692 heiratete Eleonore den sächsischen Kurfürsten Johann Georg IV. (1668–1694), den älteren Bruder Augusts des Starken. Auf den ersten Blick schien das eine „gute Partie“ zu sein, doch die Ehe mit dem sechs Jahre Jüngeren wurde ausgesprochen unglücklich und blieb auch kinderlos. Johann Georg beachtete die ihm angetraute Eleonore nämlich kaum und widmete sich lieber seiner schönen Mätresse Magdalena Sybilla von Neitschütz. Dann aber wiederholte sich das tragische Schicksal, denn schon 1694 starb auch der junge Kurfürst an den Pocken. Eleonore war zum zweiten Mal Witwe geworden. Die Familie des Verstorbenen wies ihr als Witwensitz Schloss Pretzsch an der Elbe zu, wo sie sich nun ganz ihren Kindern verschrieb. Vermutlich wird Caroline diese Zeit in schönster Erinnerung behalten haben, doch es waren die letzten Monate im Leben ihrer Mutter. Am 9. September 1696 machte Eleonores Tod die 13-jährige Caroline und ihren zwei Jahre jüngeren Bruder zu Waisenkindern.
Neue Heimat an der Spree
Wieder verlor Caroline ihr Zuhause. Nach Ansbach, Crailsheim, Eisenach und Dresden musste sie nun auch Pretzsch wieder verlassen. Während ihr Bruder Wilhelm Friedrich zurück nach Ansbach ging, um zum möglichen Nachfolger seines Halbbruders, des seit 1692 regierenden Georg Friedrich II., erzogen zu werden, wurde sie selbst von ihrem Vormund, dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., aufgenommen und fand eine neue Heimat im Berliner Stadtschloss.
Vermutlich wird die erste Zeit an der Spree sehr schwer gewesen sein. Caroline trauerte um ihre verstorbene Mutter, der sie sich so eng verbunden gefühlt hatte. In Berlin war alles neu und fremd, und sie brauchte sicher einige Zeit, um sich einzugewöhnen. Doch irgendwann wird Caroline wohl erkannt haben, dass sie es eigentlich recht gut angetroffen hatte. Ihre junge „Pflegemutter“ Sophie Charlotte (1668–1705) aus dem Hause Hannover, die Gemahlin des Kurfürsten Friedrich III., war nicht nur eine geistreiche und überaus gebildete Fürstin, sie sorgte auch für eine umfassende Ausbildung ihres wissbegierigen Schützlings. Caroline, ein aufgewecktes und intelligentes junges Mädchen, erwies sich als gelehrige Schülerin, lernte Englisch und Französisch, musizierte leidenschaftlich gern und interessierte sich brennend für Philosophie. Nach der Einweihung von Schloss Litzenburg 1699 (das seit Sophie Charlottes Tod 1705 den Namen „Charlottenburg“ trägt) gehörte Caroline ganz selbstverständlich jenem Kreis gebildeter Damen an, mit denen sich Kurfürstin (seit 1701 Königin)[7] Sophie Charlotte zu umgeben pflegte. Aber auch Wissenschaftler und Philosophen waren im Lustschloss vor den Toren Berlins gern gesehene Gäste. Der „Star“ unter ihnen war der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), zunächst in diplomatischen Diensten Hannovers stehend, seit 1700 Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften. Mit den fürstlichen Damen diskutierte Leibniz im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt und begeisterte auch Caroline mit seinen brillanten Ideen wie der Theorie der prästabilierten Harmonie, der von Gott festgelegten Weltordnung, die er später in seinem Sophie Charlotte gewidmeten Werk Theodizee veröffentlichte.
Ein preußischer Bräutigam?
Carolines „Pflegeeltern“ hatten nur ein einziges Kind, den 1688 geborenen Sohn Wilhelm Friedrich. Sophie Charlotte liebte ihren kleinen Sohn abgöttisch, obwohl er ihr das Leben nicht gerade leicht machte. Das lag zum Teil aber auch an der preußischen Königin selbst, die den kleinen Kronprinzen ganz entgegen seinen Veranlagungen zu einem gentilhomme, einem gebildeten,...