Altern ist kein einheitlicher Prozess, sondern es gibt eine große Vielfalt intraindividueller und interindividueller Unterschiede in den Altersprozessen. Diese werden in starkem Maße von den davor liegenden Lebensphasen und biographischen Ereignissen geprägt. Aufgrund der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Verlagerung sozialer Sicherung ins Private, besteht die Gefahr, dass sich die Lebenslagen älterer Menschen verschlechtern. Eine zunehmende Zahl älterer Menschen könnte an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die Auslese könnte mittels einer Einteilung der älteren Menschen in „Produktive“ und „nicht Produktive“ stattfinden. Das heißt produktive Ältere, die entweder die nötigen finanziellen oder auch gesundheitlichen Ressourcen haben, sind in die Gesellschaft integriert und die Kranken und Hilfsbedürftigen mit mangelnden finanziellen Ressourcen werden ausgeschlossen. Die Problematik der Hilfeleistung wird zunehmend in die Familie verlagert und zum Großteil von den Frauen geleistet. Aufgrund der Zunahme hilfsbedürftiger älterer Menschen bei gleichzeitiger Abnahme jüngerer Menschen, dem strukturellen und sozialen Wandel, kommt es zu vielschichtigen Problemen in der Gesellschaft. Diese steht vor einer völlig neuen Aufgabe, was Konrad Hummel folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Kein ... Gemeinwesen musste bisher diese Bevölkerungszusammensetzung, diese Freisetzung vom Erwerbsleben, diese Fortdauer bei Pflegebedürftigkeit und diesen Einstellungswandel bewältigen“ (Hummel; 1991; S. 130).
Die Lebenssituation zukünftiger Altengenerationen ist abhängig von der demographischen Entwicklung. Diese Vorausberechungen beruhen auf unterschiedlichen Annahmen: der Fertilität (Geburtenrate), der Mortalität (Sterberate) und der Migration (Zu- und Abwanderung). Die Bevölkerungsvorausberechnung variiert, in Folge der jeweiligen Annahmen dieser Prozesse (Kruse; 2001; S. 25ff; Tews; 1999; S. 144). Die folgenden Ausführungen beruhen auf der 10. Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes. Diese gehen von der Annahme einer Geburtenziffer von durchschnittlich 1,4 Kindern pro Frau aus (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 10). Bei den deutschen Staatsangehörigen ist je 1000 Einwohner die Zahl der Lebendgeborenen von 10 im Jahre 1991 auf 9 im Jahre 2000 zurückgegangen. Innerhalb diesen Zeitraumes hat sich ein Geburtendefizit von 1,7 Mio. ergeben (Deutscher Bundestag; 2002; S. 18). Die derzeitige Geburtenziffer beträgt durchschnittlich 1,4 Kinder pro Frau in den alten Bundesländern und 1,2 Kinder pro Frau in den neuen Bundesländern. „Um die gegenwärtige Bevölkerungszahl zu erhalten, müssten im Durchschnitt pro Elternpaar etwas mehr als 2 Kinder geboren werden (zusammengefasste Geburtenziffer von 2,1 pro Frau)“ (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 10).
Zur Entwicklung der Lebenserwartung wurden drei unterschiedliche Annahmen der Lebenserwartung angenommen (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 19). Die durchschnittliche Lebenserwartung lag laut der Sterbetafel des Jahres 1998/2000 bei den Frauen bei 80,82 Jahren, bei den Männern bei 74,78 Jahren (GeroStat[2]). Laut der Sterbetafel von 1901/1910 lag diese bei den Frauen noch bei 48,33 Jahren, bei den Männern bei 44,82 Jahren (GeroStat).
Bei der Migration ist „für die künftige Bevölkerungszahl und die Altersstruktur ... der Wanderungssaldo, d.h. die Differenz zwischen Zu- und Fortzügen, ausschlaggebend“ (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 20). Bei diesem wurden ebenfalls drei Varianten angenommen (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 22f). In den vergangenen fünfzig Jahren war der Wanderungssaldo vorwiegend positiv und betrug im Jahresdurchschnitt 200.000 (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 22). So wird auch bei der mittleren Variante mit einem Wanderungsgewinn von 200.000 Personen ausgegangen. Es wird mit einem Verjüngungseffekt gerechnet, da die zuziehenden Personen im Durchschnitt jünger als die Fortziehenden sind (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 22). Diese Zuwanderung kann die Abnahme der Bevölkerungszahl und die Alterung der Gesellschaft langfristig nicht aufhalten, sondern nur verlangsamen (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 34)
Die bei den Berechnungen angenommene Variante 5, ist die mittlere Variante mit mittlerer Wanderungsannahme und mittlerer Lebenserwartungsannahme (Statistisches Bundesamt; 20003; S. 31).
Anhand dieser Bevölkerungsvorausberechnung zeigt sich, dass unsere Gesellschaft in dreifacher Hinsicht altert, das heißt erstens absolut in der Gesamtzahl der älteren Menschen, zweitens relativ im Verhältnis der Generationen untereinander, drittens strukturell durch ein höheres Durchschnittsalter und deutlich steigende Hochaltrigkeit (Tews; 1999; S. 138).
Die absolute Zahl älterer Menschen steigt stetig an. In Deutschland lebten 1900 7,8% über 60-Jährige (Tews; 1999; S. 138), 2001 waren es 24,1 % und laut der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung werden es laut Variante 5 im Jahre 2050 - 36,7 % sein (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 31).
Relativ im Verhältnis zu den Jüngeren wächst ebenfalls der Anteil der älteren Menschen. Das Verhältnis der über 60-Jährigen zu den im Erwerbsalter befindlichen wird als Altenquotient, das entsprechende Verhältnis der unter 20-Jährigen als Jugendquotient und die Summe aus beiden wird als Lastenquotient bezeichnet (Tews; 1999; S. 139). Wiederum laut Variante 5 des Statistischen Bundesamtes wird sich der Altenquotient von 44 im Jahre 2001 auf 71 im Jahre 2030 „ emporschnellen und bis 2050 weiter bis auf 78 steigen“ (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 31). Das bedeutet auf 100 Personen im Erwerbsalter kommen 78 Personen im Rentenalter, welches derzeit durchschnittlich mit 60 Jahren beginnt (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 31). Ein durchschnittliches Renteneinzugsalter mit 65 Jahren ergibt für 2050 nach Variante 5 einen deutlich geringeren Altenquotienten von 55. „Eine weitere Erhöhung auf 67 Jahre[3] würde zu einer weiteren Absenkung des Altenquotienten auf 47 führen (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 33).
Die Zahl der Hochaltrigen nimmt zu, auch wenn dies eine willkürlich gesetzte Grenze ist. Früher wurden bereits die über 75-Jährigen als hochaltrig bezeichnet, heute wird im Allgemeinen erst bei über 80-Jährigen von Hochaltrigen gesprochen (Tews; 1999; S. 140f). Laut GeroStat gab es im Jahre 2000 von 19.412,174 über 60-Jährige: 84,1% im Alter zwischen 60 und 80 Jahren und 15,9% über 80 Jahre (GeroStat; eigene Berechnungen). Somit zählten bei den Älteren mehr als 3/4 zu den „jungen“ Alten und weniger als 1/4 gehörten zu den Hochaltrigen. Der steigende Anteil Hochaltriger zeigt sich ebenfalls an der Zunahme der 100-Jährigen. Im früheren Bundesgebiet stieg deren Zahl von 158 im Jahre 1996, auf 2501 im Jahre 1998. Im gesamten Bundesgebiet feierten im Jahre 1998 2.948 Personen ihren 100. Geburtstag, davon 2.583 Frauen. Das entspricht einem Frauenanteil von 87,62% (BMFSFJ; 2002; S. 57).
Die nun folgende Grafik verdeutlicht, dass man im Jahre 1910 noch von einer Bevölkerungspyramide reden konnte. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte diese Pyramide Kerben, so dass eher von einer „zersausten Wettertanne“ die Rede sein kann. In den folgenden Jahren wird sich dieser Tannenbaum zunehmend zu einem Pilz entwickeln. Das bedeutet die ideale Vorstellung von einer Bevölkerungspyramide, in der die Stärke der Jährgänge von unten nach oben abnimmt (Statistisches Bundesamt; 2003; S. 28), wird sozusagen auf den Kopf gestellt, indem sich die stärksten Jahrgänge langsam nach oben entwickeln und nur noch schwächere Jahrgänge nachrücken.
Schaubild: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2003; S. 30
Im generalisierten Altersbild dominieren Beschreibungen wie „Passivität“, „Unselbständigkeit“, „Starrsinn“, „Krankheit“ und „Gebrechlichkeit“. Nur im selbstbezogenen Altersbild wird das Altern eher mit positiven Aspekten wie „Ruhe“ und „Kontakte pflegen“ assoziiert (Niederfranke u.a.; 1999; S. 32). Dies zeigt, dass das öffentliche Altersbild eher negativ besetzt ist und es sogenannte Altersstereotype gibt, die alten Menschen bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zuschreiben (Niederfranke u.a.; 1999; S. 27). Dies wird gefördert durch die Altersbilder, die in den Medien vermittelt werden. Hier wird eher von den Problemen des Alters gesprochen. Es geht um Altenlast, Rentenlast und Pflegelast. In den Medien werden selten Bilder von älteren Menschen gezeigt, die ein positives Bild von Altern vermitteln (vgl. Niederfranke u.a.; 1999; S. 35ff). Bei dem Anteil der Älteren in der Werbung geht es um die Akquirierung der Kaufkraft der „jungen“ Alten und nicht um ein positives Bild des Alterns (Tews; 1995; S. 81ff). Somit besteht die Gefahr, dass durch diesen einseitigen defizitären Blickwinkel eine Diskriminierung der älteren Generation stattfindet. Diese negative Polarisierung wird noch verstärkt durch das Bild der „alten Frau“. Der „alte Mann“ wird insgesamt positiver gesehen (Niederfranke u.a.; 1999; S. 43ff)....